Jeder der Geschäfte abschließt soll sich bewusst sein, dass manchmal, obwohl alles vertragsgemäß erfüllt wurde, ein Geschäftspartner für die erbrachte Leistung nicht bezahlen will. Solche Zahlungsstockungen seitens Kontrahenten können sich sehr negativ auf die Liquidität und ferner auf die gesamte Finanzlage jedes Unternehmens auswirken. In solchen Fällen bleibt meistens nur noch der Gerichtsweg übrig, der die Einholung der ausstehenden Forderungen ermöglicht. Aus den oben genannten Gründen ist es gut zu wissen, wie der polnische Zivilprozess verläuft und wie man auf diesem Wege ein vollstreckbares Urteil bekommen kann.
Erst außergerichtliche Maßnahmen
Wenn sich ein Schuldner nur einen Tag mit der Zahlung einer Forderung verspätet, sollte man nicht sofort eine Klageschrift beim Gericht einreichen. Zuerst sollte dem Schuldner eine außergerichtliche Zahlungsaufforderung geschickt werden, die eine genaue Zahlungsfrist enthält, z.B. von 7 oder 14 Tagen. Solche Zahlungsaufforderungen sollten dem Schuldner ermöglichen, seiner Zahlungspflicht nachzukommen. Erst wenn die bestimmte Frist versäumt wird, kann man sich vernünftig für den Gerichtsweg entscheiden. Die Ausnahme hierzu ist, wenn man schon Informationen hat, aus denen hervorgeht, dass die Zahlungsaufforderung erfolglos bleiben wird oder es sich nicht mehr lohnt auf die Zahlung des Schuldners zu warten (der Schuldner bestreitet seine Haftung, zahlt auch den anderen Gläubiger nicht, verkauft sein Vermögen usw.).
Bemerkenswert, man kann im Falle einer Streitigkeit zwischen zwei Unternehmern bereits bei der Erstellung der Zahlungsaufforderung dem Schuldner einen Betrag in Höhe von 40 Euro auferlegen, der als eine pauschale Rückerstattung der Kosten der Einholung der Forderung gilt.
Die Vornahme von außergerichtlichen Maßnahmen ist nicht obligatorisch. Sollte jedoch dem Schuldner keine Möglichkeit gegeben werden, die Zahlung freiwillig zu machen, kann dies in einer für den Gläubiger nachteiligen Entscheidung über Kosten des späteren Prozesses Widerspiegelung finden.
Klageschrift
Wenn sich die Zahlungsaufforderung als erfolglos erweist, ist das gerichtliche Verfahren einzuleiten. Das Verfahren beginnt mit der Einreichung einer Klageschrift, die den gesetzlichen Erfordernissen eines Prozessschriftsatzes sowie weiteren gesetzlichen Erfordernissen entsprechen muss. Die Klageschrift soll mindestens folgende Elemente enthalten:
- die Bezeichnung des Gerichtes,
- die Namen und Adressen der Parteien samt Steuernummer oder Handelsregisternummer des Klägers,
- einen genau bestimmten Klageantrag des Klägers samt Begründung und Beweismittel zur Stützung der dargestellten Umstände,
- die Unterschrift des Klägers,
- sowie eine Auflistung aller Anlagen.
Die Klageschrift soll auch eine Information beinhalten, ob die Parteien versucht haben den Streit vorgerichtlich beizulegen, z.B. im Wege der Zusendung einer außergerichtlichen Zahlungsaufforderung. Man muss auch Abschriften der Klageschrift samt aller Anlagen für jeden Beklagten einreichen. Eine Klageschrift, deren Streitgegenstand nicht mehr als 10 000 Zloty beträgt, muss auf einem Formular verfasst werden. Bei anderen Klageschriften kann man das Formular ebenfalls benutzen. Solch ein Formular kann aus der Internetseite des polnischen Justizministeriums heruntergeladen werden. Hierzu ist auch zu beachten, dass die Klageschrift in der polnischen Sprache verfasst werden muss. Ein solcher Sprachenzwang gilt nicht für sonstige Unterlagen, die man dem Gericht vorlegt. Diese müssen nur auf Anfrage des Gerichts übersetzt werden. In den meisten Fällen verlangt jedoch das Gericht solche Übersetzungen, darum lohnt es sich, alle Unterlagen schon vorher übersetzen zu lassen und die Übersetzungen der Klageschrift beizulegen.
Eine Klageschrift gegen einen Schuldner kann jeder verfassen und beim Gericht einreichen. Einen Anwaltszwang gibt es bei der Einreichung von Klagen nicht. In der Praxis lohnt es sich jedoch, schon mit der Erstellung der Klageschrift einen Anwalt zu beauftragen. Die Anwaltshilfe ermöglicht die Sache schneller und effektiver durchzuführen und verlangt von dem Kläger nicht, dass er sich mit dem ganzen polnischen Rechtssystem vertraut macht.
Die Einreichung der Klageschrift bedarf auch der Zahlung einer Gerichtsgebühr, die in den meisten Fällen 5% des Streitgegenstandes beträgt. Wenn der Beklagte unterliegt, soll er dem Kläger die Gebühr sowie andere Kosten zurückerstatten.
Grundsätzlich ist für die Klageschrift das Gericht des Sitzes des Beklagten zuständig. Man muss aber wissen, dass wenn die Streitigkeit zwei Unternehmer belangt, dann ist für den Fall eine Wirtschaftsabteilung zuständig. Solche Abteilungen befinden sich nicht in allen Gerichten.
Der Prozess
Erweist die Klageschrift keine formalen Mängel, ist der Anspruch offensichtlich begründet und die vorgetragenen Umstände rufen keine Zweifel hervor, so kann das Gericht einen Mahnbescheid gegen den Beklagten erlassen. Der Beklagte hat zwei Wochen um den Mahnbescheid anzufechten. Diese Frist kann nicht verlängert werden. Wird gegen den Mahnbescheid nicht geklagt, so hat dieser dieselbe Rechtskraft wie ein rechtskräftiges Urteil und ermöglicht die Einleitung einer Zwangsvollstreckung.
Wenn der Mahnbescheid wirksam angefochten wird oder das Gericht gar keinen Mahnbescheid erlässt, so wird der erste Verhandlungstermin gesetzt. Dem Beklagten wird auch die Möglichkeit gegeben die Klage zu erwidern. Eine Verhandlung beginnt meistens damit, dass das Gericht die Parteien befragt, ob es für sie möglich wäre sich zu einigen und einen Vergleich abzuschließen. Wenn dies nicht der Fall ist, dann wird über die von den Parteien angebotenen Beweise entschieden. Das Gericht gibt alle Beweise statt, die zur Klärung des Streites dienen können. Generell können die Beweise während des ganzen Prozesses angeboten und zugelassen werden. Das Gericht kann jedoch Beweise zurückweisen, wenn sie nicht in einer von dem Gericht genau bestimmten Frist zur Vorlage von Beweisen angeboten werden oder nur der Verzögerung des Verfahrens dienen.
Insbesondere lohnt es sich für Kläger aus dem Ausland zu wissen, dass sie entweder in ihrem Heimatland oder vor dem Gericht in Polen vernommen werden können. Wenn eine Partei oder ein Zeuge die polnische Sprache nicht beherrscht, findet die Vernehmung mit Hilfe eines Dolmetschers stand. Um die Kosten zu senken, kann man verlangen, dass die Vernehmung durch ein ausländisches Gericht vorgenommen wird. Leider entscheiden sich nicht alle polnischen Richter für eine solche Vorgehensweise, sehr viele bevorzugen die Parteien und Zeugen persönlich zu vernehmen.
Bezugnehmend auf das Obige muss man auch erwähnen, dass die Vernehmung der Zeugen und der Parteien nur selten im ersten Verhandlungstermin erfolgt. In den meisten Fällen muss man von mindestens zwei bis drei Gerichtsverhandlungen ausgehen.
Das Urteil
Nachdem sich das Gericht mit dem ganzen Beweismaterial vertraut macht, fällt es das Urteil.
Jede Partei hat die Möglichkeit, das für sie nachteilige Urteil mit einer Berufung anzufechten, denn der Instanzenzug ist in Polen zweistufig.
Die Berufung soll innerhalb von zwei Wochen ab der Bekanntgabe des Urteils eingereicht werden oder, wenn ein Antrag auf die schriftlichen Urteilsgründe gestellt wird, innerhalb von zwei Wochen ab deren Zustellung. Die Berufung soll alle Einwände sowie volle Begründungen beinhalten. Nach dem Ablauf der zwei-Wochen-Frist kann man die Berufung weder ergänzen, noch modifizieren.
Rechtskräftigkeit des Urteils
Ein Urteil, das nicht angefochten wird, und das Urteil des Gerichts der zweiten Instanz ist grundsätzlich rechtskräftig. Wenn der Schuldner in einem solchen Fall weiterhin nicht bezahlen will, dann muss man sich an das Gericht wenden, damit es das Urteil mit der Vollstreckungsklausel versieht. Erst mit einem solchen Urteil kann man sich zu einem Gerichtsvollzieher begeben, um das Zwangsvollstreckungsverfahren einzuleiten.
Fazit
Das Gerichtsverfahren in Polen ist grundsätzlich anderen europäischen Gerichtsverfahren ähnlich. Es bestehen aber Unterschiede, die dazu führen können, dass man z.B. einen wichtigen Termin versäumt und somit sogar im Verfahren unterliegt. Darum ist es ratsam, sich von einem polnischen Rechtsanwalt beraten zu lassen und ihn mit der Wahrnehmung von rechtlichen Interessen zu beauftragen.
Zum Autor:
Aleksander Giehsmann, in Polen als Rechtsanwalt zugelassen. Er führt eine Rechtsanwaltskanzlei mit Sitz in Wrocław und Kędzierzyn-Koźle, die kleine und mittlere Unternehmen bei der Unternehmensführung rechtlich begleitet.