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Ein LKW. Eine Frau

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Straße. Riesige Räder. Riesige Motoren. Riesige Kabine und drinnen eine zierliche, aber starke Frau. Sie hat keine Angst vor unwegsamen Geländen und dunklen Parkplätzen. Sie hat keine Angst, ihre Träume zu erfüllen. Iwona Blecharczyk, also das polnische Trucking Girl, legt Tausende Kilometer im Namen der Leidenschaft und Unabhängigkeit zurück. Im Interview mit PolenJournal.de erzählt sie über die Kulissen des Lebens einer Truckerin.

Patrycja Urban (PolenJournal.de): Woher kommt deine Leidenschaft für Lkws? Ist es ein Kindheitstraum oder eine innere, magnetische Anziehungskraft, welche mit der Zeit zum Leben erwachte?

Iwona Blecharczyk: Nein, es war kein Kindheitstraum. Einfluss darauf, dass ich heute mit Lkw fahre, hatten viele Faktoren. Zunächst einmal hatte ich in meiner Kindheit tatsächlich mit schweren Maschinen zu tun, allerdings mit Landmaschinen. Zweitens bin ich bereits während meines Studiums an Wochenenden mit Bussen auf der Strecke Polen-England unterwegs gewesen. Drittens, von Beruf bin ich Lehrerin, aber als ich angefangen habe, in der Schule zu arbeiten, stellte sich heraus, dass es nichts für mich ist und es mir meine Energie raubt. Daher bin ich zum Entschluss gekommen, dass ich etwas ändern muss, sonst verliere ich mein Leben und bleibe für immer eine verbitterte Lehrerin, die Kinder zum Lernen eher nicht motiviert. Dazu war ich noch sehr weltneugierig und wollte reisen, doch als frisch gebackene Lehrerin hatte ich dafür kein Geld und keinen Mut. Ich wollte den Aufbau meiner Karriere nicht aufgeben, nur um zu reisen. Lkws haben mich immer fasziniert und während meines Studiums verliebte ich mich in die USA. Ich träumte davon, dort mit einem amerikanischen Lastwagen zu fahren. Somit hatten viele Faktoren Einfluss auf meine berufliche Entwicklung als Lkw-Fahrerin. Ich war der Meinung, dass ich in diesem Beruf sowohl reisen kann, als auch mir eine Karriere aufbaue, Geld verdiene und unabhängig sein werde. Und so ist es tatsächlich. Ich bin sogar mit wunderschönen Lkws auf den US-amerikanischen Straßen gefahren.

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Du hast deinen Beruf als Lehrerin angesprochen. Möchtest du ihn irgendwann wieder ausüben oder bleibst du hinter dem Steuer?

Ich kann es mir nicht vorstellen, wieder in die Schule zurückzukehren. Vor der Pandemie wurde ich öfters eingeladen, um an Universitäten oder in Grundschulen beim Unterricht meinen Beruf vorgestellt. Und das habe ich gerne gemacht. Ich möchte Kinder mit meiner Leidenschaft anstecken und über meinen Beruf erzählen, aber die Pandemie hat alle Pläne durchkreuzt.

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Sprechen wir doch über deinen heutigen Beruf. Bist du eher auf nationalen oder internationalen Strecken unterwegs?

Das ist unterschiedlich. Ich fahre im Spezialtransport, spezialisiert auf Windenergie, somit fahre ich dort, wo gerade solche Projekte umgesetzt werden. Als ich meinen Job angefangen haben, war ich vor allem in Deutschland unterwegs, weil es dort zahlreiche Projekte gab. Einige gab es auch in den Benelux-Ländern und Dänemark. Derzeit bin ich viel in Polen unterwegs, denn es gibt hier auch viele Projekte, die mit den erneuerbaren Energiequellen verbunden sind.

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Wie reagierten deine Familie und Freunde auf die neue Berufsorientierung?

Sie wussten, dass ich 1000 verschiedene Ideen pro Minute habe, aber nur einen Teil davon tatsächlich realisiere. Daher schauten sie neugierig auf mein Abenteuer mit den Lkws. Anfangs haben sie das nicht ernst genommen, sie dachten, es sei nur mein Gutdünken. Ich mache meinen Führerschein, vielleicht fahre ich ab und zu eine Tour und das war’s. Mit der Zeit haben sie sich an meine Entscheidung gewöhnt. Bestimmt war es nicht einfach für sie. Meine Eltern waren Lehrer, damals sogar Schulleiter. Aus diesem Grund war es für sie schwer zu verstehen, wieso ich die Arbeit in der Schule, einer staatlichen Institution aufgebe und in eine völlig andere Richtung gehe. Sie waren sicherlich traurig, aber mit der Zeit kamen sie zu dem Entschluss, dass ich gut gehandelt habe, dass ich meinen eigenen Weg gegangen bin.

Wirst du mit unangenehmen Kommentaren wegen deiner Arbeit konfrontiert oder ist es eher Verwunderung?

Anfangs haben sich viele Menschen gewundert und gaben mir eine ganze Liste mit Alternativen, welcher Job für mich als Frau geeignet ist. Sie versuchten mir einzureden, dass der Job einer Berufskraftfahrerin überhaupt nichts für mich ist und ich sollte ihn hinschmeißen. Derzeit bin ich schon 10 Jahre auf den Straßen unterwegs, davon 6 Jahre im Spezialtransport. Ein Jahr fuhr ich auf amerikanischen Straßen. Ich habe schon meine Erfahrungen gesammelt, alle wissen, dass es nicht nur ein kurzzeitiger Traum war, sondern eine Leidenschaft fürs ganze Leben. Alle haben verstanden, dass es mein Platz ist, weil ich hier sein möchte und sämtliche Versuche mir zu erklären, dass es nichts für mich ist, haben absolut keinen Sinn. Ich bin stur und fertig. Darüber hinaus habe ich gelernt, dass Menschen, welche am ehesten Ratschläge erteilen und keinen Widerspruch akzeptieren, diejenigen sind, welche ihr eigenes Leben nicht ganz in den Griff kriegen. Deshalb nehme ich nur Ratschläge oder Vorschläge von meinen Eltern und Freunden an, obwohl das auch ein Problem manchmal ist, weil sie sie mir keinen Rat geben wollen und ich sie manchmal sogar bitten muss, mich zu beraten. Menschen, die dich schätzen und genau wissen, dass du mit deinem Leben trotz einiger Schwierigkeiten sehr gut zurechtkommst, neigen nicht dazu, Ratschläge zu erteilen.

Obwohl sich dies in letzter Zeit geändert hat, ist eine Frau hinter dem Steuer eines großen Lkws für den einen oder anderen immer noch ein seltener Anblick. Wie schwierig war es für dich, Arbeit zu finden?

Heute kommt es immer öfter vor, dass eine Frau hinterm Steuer eines Lkws sitzt. Da sie ihre Abenteuer gerne im Internet teilen, gewöhnt sich die Gesellschaft immer mehr daran und Arbeitskollegen in der Branche haben sich schon lange daran gewöhnt. Doch mein Weg zur Karriere als Berufsfahrerin war sehr steinig. Monatelang habe ich nach einem Job gesucht, aber keiner hat mich ernst genommen, weil ich noch keine Erfahrung hatte und eine Frau war. Ich habe Lebensläufe durch das halbe Land geschickt. In dem Moment, als ich einen Arbeitsvertrag für ein Jahr in der Schule unterschreiben sollte, war ich noch mehr entschlossen, einen Job als Lkw-Fahrerin zu finden und habe meine Suche auf ganz Polen erweitert. Letztendlich gelang es mir, dieses Ziel zu erreichen. Ich habe meinen Traumjob bekommen.


Foto: A. Mulak

Was stellt die größte Herausforderung und was die größte Freude bei der Arbeit dar?

Ich bin ein Aufgabenmensch und sämtliche Schwierigkeiten sehe ich nicht als ein Problem, sondern als Teil meiner Arbeit. Diesen Teil, der weniger angenehm ist. Ich habe gelernt, mit allen Schwierigkeiten umzugehen. Absicherung, Ladungen, Fahrten mit komplizierten Manövern oder Teamarbeit sind für mich kein Problem mehr. Dennoch ist eine Herausforderung die Tatsache, dass ich viel arbeite und es mir schwerfällt, etwas einzuplanen, aber damit habe ich auch gelernt umzugehen. Familie und Freunde haben sich daran gewöhnt, dass ich nie weiß, ob ich am Wochenende zu Hause sein werde oder nicht. Meistens bin ich da, dennoch gibt es auch Ausnahmen. Die Fahrt mit einem Lkw ist kein Sonntags-Auslauf mit dem Cabrio zum Spaß. Wir fahren mit Ladung, die am laufenden Band produziert wird, dazu kommen verschiedene Papiere, Zollerklärungen, von daher kommt es oft zu Verzögerungen. Und dann muss man den ganzen Plan, den man hatte, ändern. Ich denke, dass es die größte Schwierigkeit am Anfang ist, zu lernen, ohne Plan zu leben und sich einfach an die Situation anzupassen. Man muss akzeptieren, dass über dein Leben vor allem die Ladung, der Transport und der Straßenverkehr entscheiden.

Im Spezialtransport kommen noch zusätzliche Probleme vor. Oft durchkreuzt die Natur die Pläne des ganzen Unternehmens. Wenn der Wind stark weht, darf der Kran nicht arbeiten und dann warten wir, bis es ruhig wird. Im Herbst musste ich eine ganze Woche im Windpark unter einem Kran stehen, weil uns die Natur nicht ermöglichte, das transportierte Gut auszuladen. Darüber hinaus dürfen wir nur auf Straßen fahren, die in der Erlaubnis festgelegt wurden. Wenn auf der Autobahn ein Unfall passiert, wird der ganze Verkehr umgeleitet und wir müssen warten, bis der Weg wieder befahrbar ist. Somit fahren wir dann anstatt einer Nacht, zwei. Vor einem Jahr standen wir auf einer Autobahn auf der Höhe von Hannover 2 Tage lang, weil dort eine Bombe gefunden wurde. Was konnten wir machen? Stehen und warten.

Was macht dir an deinem Job Spaß? Wofür liebst du ihn?

Mit Abstand ist es der Kontakt mit schweren Maschinen und Teamarbeit. In unserem festen Team arbeiten wir schon seit 6 Jahren zusammen, die Jungs sogar über 10. Wir stehen uns sehr nahe und haben schon viele Situationen gemeinsam durchgestanden. Wir haben eine tolle Atmosphäre im Team und wir wissen, dass wir immer aufeinander zählen können. Auf der Arbeit liebe ich natürlich auch Maschinen und verschiedene Herausforderungen.

Fühlst du dich sicherer, wenn du im Konvoi fährst, als wenn du alleine reist?

Die ersten Jahre bin ich alleine durch Europa gefahren, sogar ohne CB-Radio und das hat mir gepasst. Ich war nie ein Herdentier, schon in der Schule war ich kein Fan von Teamarbeit. Also als ich dann zum übernormativen Transport gewechselt habe, wo es Leiter, Konvois und vor allem Teamarbeit gibt, hatte ich Angst, dass ich in der Gruppe nicht zurechtkomme. Mit der Zeit habe ich das aber gelernt und als ich jetzt mit einem einfachen Lkw durch Europa fahren musste, hatte ich sogar anfangs Angst, wie ich alleine zurechtkomme. Dann bin ich aber zum Entschluss gekommen, dass ich schon seit Jahren mit Lkws fahre, wieso sollte ich jetzt mit dem einfachsten Sattelzug nicht zurechtkommen. Es ist nur so, dass ich nach so vielen Jahren der Zusammenarbeit im Team Angst hatte, wie ich die Tour alleine bewältigen würde.

Ich muss auch nach diesen Reisen fragen. In welche Ecken Europas oder der Welt reist du am liebsten?

Wenn es um europäische Strecken geht, mochte ich immer Südfrankreich, Spanien, Barcelona und Valencia, das ist mein Paradies. Trotzdem hat mir auch der Norden Kanadas sehr gut gefallen, der im Winter wunderschön ist.

Was war deine längste Strecke?

Ich denke, das war Nordkanada, auf den Eiswegen zum Diamantbergwerk. Es ist ein Ort, wo man in der Regel nur mit einem Flugzeug gelangen kann. Wenn im Winter die Seen einfrieren, dienen sie für zwei Monate als Zufahrtsweg, den man nur dann durchquert, wenn man ein Anliegen dort hat. Touristisch wird dort niemand hinkommen.

Du erwähntest Kanada. Waren das deine anspruchsvollsten Touren oder ist es in Europa auch nicht so einfach?

Überall ist es schwer, nur halt auf unterschiedliche Weise. In Kanada stellen die Wetterbedingungen und deutlich längere Arbeitszeiten eine Herausforderung dar. Die Ausdauerarbeit ist dort definitiv härter, aber es gibt eine Menge Erleichterungen. Dem Fahrer wird eine Menge Verantwortung abgenommen. Alles ist so angepasst, damit man so wenig Stress wie möglich hat und so viel wie möglich fährt. In Europa hingegen gibt es weniger Fahrstunden, aber man holt das mit z.B. Ladezeiten nach. Außerdem sind bei uns geringere Geschwindigkeiten erlaubt, was die Fahrer definitiv müde macht. Auch der Verkehr ist auf europäischen Straßen deutlich größer als in Kanada. Aus diesem Grund muss man ständig im Stau stehen. Darüber hinaus ist der Fahrer immer im Stress, wo er parken wird, denn es gibt viel zu wenig Parkplätze. Es kommt oft vor, dass wir 2-3 Stunden auf der Suche nach einem Parkplatz sind, weil alles voll ist. Dazu kommt die Angst, ob man kontrolliert wird, denn dann kann man als Fahrer einen Strafzettel für das Überschreiten der Fahrzeit bekommen. Ich würde sagen, dass der europäische Fahrer deutlich mehr Sorgen hat als der amerikanische. Es gibt dort keine ständigen Überholverbote, wie sie in Europa an der Tagesordnung sind. Bei uns ist die Hälfte der Arbeit besorgniserregend.

Was ist, wenn die erlaubten Zeiten längst vorbei sind, du aber noch keinen Parkplatz gefunden hast?

Ich fahre so lange, bis ich einen finde. Wenn man die Fahrzeit überschreitet, muss man einen Ausdruck aus dem Tachograf machen und dort den entsprechenden Paragrafen, das Datum, um wie viel man überschritten hat, die Situation und Lokalisation einschreiben. Wie der Polizist oder Inspektor darauf reagiert, hängt von jedem individuell ab. Der eine versteht das, der andere sagt, dass er nicht in der Lage ist, etwas zu tun, er möchte helfen, kann aber nicht und gibt dann den niedrigsten Strafzettel, der aber trotzdem hoch ist. Somit hängen die Konsequenzen dieses Vergehens davon ab, auf welchen Menschen man trifft.

Das Übernachten oder sogar der Aufenthalt auf einem Parkplatz kann gefährlich sein. Hattest du schon so eine Situation, wo du um deine Sicherheit gebangt hast?

Anfangs hatte ich sehr viel Angst. Sobald ich im Lkw eingeschlafen bin, bin ich ständig wach geworden und habe das Licht angemacht, um mich zu orientieren, wo ich bin, wo der Sitz oder die Wand ist usw. Mit der Zeit ging die Angst weg. Als ich durch Europa gefahren bin, habe ich spezielle Schlösser gekauft, die ich an die innere Seite der Tür am Henkel befestige, sodass, selbst wenn jemand versuchen würde hereinzukommen, dies nicht möglich wäre, weil die Tür angeschraubt war. Es gibt natürlich Regionen und Orte, wo es gefährlicher ist z.B. am Stadtrand, an den Umgehungsstraßen. In jeder Stadt gibt es einen ärmeren Teil der Gesellschaft, welcher davon lebt, was er stiehlt, und am einfachsten ist es, auf den Parkplatz zu gehen, die Lkws, Anhänger zu durchforsten, Benzin zu klauen. Dennoch muss man sagen, dass es in Polen sehr sicher ist. In Deutschland auch relativ, obwohl es immer öfter vorkommt, dass die Ladung vom Anhänger gestohlen wird. Vor allem im Süden Europas, also in Südfrankreich, Italien oder Spanien muss man sehr vorsichtig sein. Dort klauen sie nicht nur Benzin oder Schneiden die Anhänger auf, um zu sehen, was sich dort befindet, sondern sprühen Gas in die Fahrerkabine rein, damit man einschläft. Dann kommen sie hinein und nehmen alles mit. Einem Fahrer ist genau diese Situation passiert und ihm wurde wortwörtlich alles aus der Kabine geklaut, auch dreckige Töpfe. Das zeigt, dass es auf der Welt Menschen gibt, die überhaupt nichts besitzen und somit sogar in der Lage sind, schmutziges Geschirr zu stehlen. Es passieren verschiedene Situationen, vor allem wenn man im internationalen Transport unterwegs ist, weil man da mit unterschiedlichen Kulturen zu tun hat. Eine andere Kultur herrscht in Polen, andere unter den Ukrainern und eine noch andere unter Bulgaren. Jeder hat seine Identität.

Einmal hatte ich eine unangenehme Situation in Spanien. Damals war ich mit Marta, einer Freundin unterwegs, die gerade in der Ausbildung war, und wir sind fürs Wochenende auf einen Parkplatz runtergefahren. Es stellte sich heraus, dass dort Türken waren, die uns dann ständig zu ihrem Lkw einluden. Wir wollten da aber nicht hingehen und am Freitagabend gelang es uns, sie loszuwerden, sie gaben uns Ruhe. Doch vor uns waren noch zwei Tage. Am Samstag haben wir unseren Lkw sauber gemacht, sie sind ständig zu uns gekommen, luden uns ein und letztendlich haben wir zugestimmt und sind mit ihnen ins Restaurant, welches auf´m Parkplatz war Kaffee trinken gegangen. Wir hofften, dass sie dank dessen uns in Ruhe lassen, aber es ist ganz anders gekommen. Schon in dem Moment, wo ich für meinen Kaffee bezahlen wollte, zerquetschte der Türke meine Hand, in der ich das Geld hatte, und da wusste ich, dass wir noch einige Probleme mit ihnen haben werden. Tatsächlich sind sie den ganzen Samstag ständig zu uns gekommen, luden uns ein, aber wir sind mit ihnen nicht mehr mitgegangen. Am Sonntag, als wir einen Film geschaut haben, hat einer der Türken an unsere Tür geklopft und meine Freundin hat automatisch die Tür aufgemacht. Der Mann kam in die Kabine herein und nahm einen Batzen Geld hervor, mehrere Tausend Euro. Obwohl wir uns mit ihm nicht verständigen konnten, weil wir in unterschiedlichen Sprachen redeten, verstanden wir, dass er uns zu verstehen geben möchte, etwas Geld dazuzuverdienen. Als er dann endlich gegangen ist, haben wir uns sofort in der Kabine verschlossen und sind nicht mehr herausgekommen. Vorher haben sie noch ständig nach unserer Telefonnummer gefragt, also hat Marta ihnen eine ausgedachte Nummer gegeben. Am Montagmorgen sind wir schnell von dort weggefahren und haben erst an der nächsten Tankstelle angehalten, um auf Toilette zu gehen. Danach hat Marta diesen Fahrer wieder getroffen, er hat sie auch erkannt, deswegen ist sie von dem Parkplatz schnell weggefahren.

So wie du erwähntest, ist Benzindiebstahl manchmal das tägliche Brot für Fahrer. Ist dir so eine Situation auch zugestoßen?

Klar. Er ist mir in Südfrankreich und Spanien passiert, aber da hatte ich nur noch Reservebenzin, daher konnten die Diebe nichts mehr herausholen. Aber meistens wird um die 300 Liter gestohlen und etwas wird im Tank noch übergelassen, damit wir zur Tankstelle kommen. Ich erinnere mich, als mir einmal Benzin gestohlen wurde, das war am Wochenende, ich war krank, bin auf einen Parkplatz heruntergefahren, habe sofort die Gardinen zugezogen und bin schlafen gegangen. Abends bin ich dann wach geworden und bin schnell aufgestanden, weil ich die Tür nicht zugeschlossen habe, dabei bemerkte ich, dass die Laterne, unter der ich extra geparkt habe, kaputt ist und es stockdunkel ist. Da ich aber krank war, bin ich einfach weiter schlafen gegangen, denn ich konnte sowieso damit nichts machen. Am nächsten Tag bin ich erst um 13 Uhr wach geworden und als ich herausgegangen bin, um auf Toilette zu gehen, roch ich Benzin. Ich fragte mich, woher dieser Gestank kommt, doch dann bemerkte ich eine Benzinpfütze. Es stellte sich heraus, dass während des Diebstahls das Benzin verschüttet wurde und daher kam dieser Geruch. So musste ich die Gendarmerie anrufen, sogar mehrmals, denn es kam keiner. Nach einigen Stunden kam endlich jemand, sie haben mir ein Protokoll niedergeschrieben und das war’s. In Frankreich hingegen hatte ich so eine Situation, dass als ich die Polizei angerufen habe, sie mir die Adresse des nächsten Kommissariats gaben und da bin ich hingefahren. Ich sagte, wo ich stand und wie viel Benzin mir gestohlen wurde. Die Beamten haben ein Protokoll niedergeschrieben, welches ich dann der Firma weitergegeben habe. Was passiert, nachdem Benzin geklaut wurde, hängt von der Firma ab. Ich habe damals in einem großen Unternehmen gearbeitet, wo es reichte, wenn man ein Dokument von der Polizei vorlegte. In kleineren Firmen sind Fahrer jedoch für das Benzin verantwortlich und die Kosten für den Schaden werden von ihrem Lohn abgezogen, wenn es gestohlen wird. Deswegen haben viele spezielle Sicherungen für die Tanks.

Was sind die Vorteile deiner Arbeit? Gibt es Tage, an denen sie dir Freude bereitet und an anderen zum Verhängnis wird?

Natürlich ist es manchmal nicht einfach, z.B: wenn ich gerade gut schlafe, weil ich erschöpft war, aber mitten in der Nacht aufstehen muss, um loszufahren. Es fühlt sich an, als würde man sich selbst aus einem Raum herausreißen und manchmal tut es echt weh, um diese Uhrzeit aufzustehen. Doch man muss sich zusammenreißen, denn der ganze Konvoi steht bereit, alles ist vorbereitet, also muss ich Energie in mir sammeln und losfahren. Es ist auch ärgerlich, wenn ich unterwegs bin, duschen möchte und es stellt sich heraus, dass es an der Tankstelle keine Dusche gibt oder sie kaputt ist. Darüber hinaus kommt es schon mal vor, dass man tagsüber während der Pause sitzt und alles pessimistisch sieht, darüber nachdenkt, wieso man eigentlich hier abbrummt und nicht weiß, was man mit sich machen soll. Es gibt solche traurigen Tage, doch dann kommen wieder schöne Momente und man vergisst alle Sorgen. Was die Vorteile angeht, so ist es für mich vor allem die Unabhängigkeit, die Erfüllung, das Gefühl, dass ich meine Leidenschaft habe, dass ich das tue, was mir gefällt und damit noch Geld verdiene.

Du hast das Buch “Trucking Girl” geschrieben. Wann und wie bist du auf die Idee gekommen, es zu schreiben? Was wolltest du deinen Lesern mitgeben?

Ein Buch habe ich schon am Anfang meiner Karriere in Betracht gezogen. Ich wusste, dass es für jemanden interessant sein könnte, deswegen habe ich das ganze erste Jahr über ein Tagebuch geführt, das aber für das Buch überhaupt nicht genutzt wurde. Ehrlich gesagt ist es mir dank der Pandemie gelungen, das Buch herauszugeben, denn vorher hatte ich andere Sachen zu tun. Als ich vor der Pandemie vom Verlag den Vorschlag bekam, ein Buch herauszugeben, lehnte ich ab, weil ich andere Pläne hatte. Die Pandemie verursachte jedoch, dass ich zum Entschluss kam, dass jetzt die Zeit für das Buch gekommen ist.

Wie es so im Leben ist, passierte alles durch Zufall. Das Ziel war es, dem Leser das sog. «road life» zu zeigen. Das Buch hat mehrere Dimensionen. Ich konnte das Thema meiner Kindheit nicht auslassen, um zu zeigen, woher ich komme und dass mich harte Arbeit von klein auf begleitet hat. Manchmal bemitleiden mich Menschen, dass eine Frau so eine schwere Arbeit macht, aber für mich ist das nichts Neues, deswegen habe ich dieses Kapitel geschrieben. Ich erzähle auch verschiedene Anekdoten, interessante Einzelheiten, Erlebnisse aus meinen Fahrten und spreche über die Probleme dieses Berufes, damit Menschen, die keinen Kontakt mit dem Transportwesen haben, uns ein wenig besser verstehen.

Es war mir sehr wichtig, ein Kapitel über die Probleme, mit welchen Fahrer zu kämpfen haben, zu erstellen. Ich konzentrierte mich u.a. auf den Mangel an sanitären Einrichtungen und ich denke, ich habe ziemlich deutlich erklärt, warum dies ein dringendes Problem ist. Die Menschen verstehen oft nicht, dass der Lkw-Fahrer nach einem Arbeitstag nicht nach Hause fährt, wo er sein Badezimmer hat, sondern er schläft in der Lkw-Kabine. Ich verstehe nicht, wie man sagen kann, dass z.B. ein Fahrer, der gekommen ist, stinkt, dreckig ist, wenn er mehrere Tage lang keinen Zugang zu einer Toilette oder Dusche hatte und keine Möglichkeiten hat, sich zu waschen. Es lässt sich leicht sagen, dass Fahrer stinken, oder böse und genervt sind, aber schwieriger ist es zu sehen, wieso es so ist.

À propos Anekdoten. Du hast am Wettbewerb Miss Polonia teilgenommen, da denke ich mir, dass es vom Schönheitswettbewerb über Lehrerin bis zur Lkw-Fahrerin ein ziemlich interessanter Karriereweg ist.

Ja, es ist tatsächlich interessant. Frage mich nicht, wieso ich das gemacht habe, weil in diesem Moment verstehe ich selber nicht, was ich im Kopf hatte. Das war Miss Polonia auf der Regionalebene und eigentlich weiß ich jetzt nicht, warum ich es gemacht habe. Damals wollte ich mir selbst etwas beweisen, und als ich daran dachte, an diesem Wettbewerb teilzunehmen, habe ich einfach mitgemacht und das war’s. Heute denke ich, dass es demütigend für eine Frau ist, über den Laufsteg zu laufen und sich nur auf den Körper zu konzentrieren. Zwar sagt man, dass es bei solchen Wettbewerben um mehr geht als nur um den Körper, doch die Juroren hatten keine Möglichkeit, mit den Kandidatinnen zu sprechen, sie kennenzulernen, also geht es letztendlich doch nur um den Körper. Deswegen verstehe ich nicht, wieso ich daran teilgenommen habe. Menschen tun verschieden Sachen, wenn sie jung sind.

Du hast ein Profil auf Facebook, YouTube und Instagram und ganz viele Fans. Wie kamst du auf die Idee, diesen Weg zu gehen und dein Leben als Truckerin zu zeigen?

Als ich trotz aller Widrigkeiten endlich einen Job fand, war ich überglücklich, und als ich dann jeden Monat für eine Woche nach Hause kam, erzählte ich allen, was ich auf der Fahrt erlebt hatte. Abenteuer gab es natürlich viele, da man am Anfang alles lernen muss und auf verschiedene Probleme trifft, deswegen wollte ich das mit jemanden teilen. Zu Hause hatten sie schließlich genug von mir, also beschloss ich, mit einem Blog anzufangen. Da es mir aber nicht gelang, einen Blog zu erstellen, habe ich beschlossen, dass es für mich während der Tour einfacher wird, ein Facebookprofil zu führen. Somit legte ich mir ein Konto zu und Instagram kam dann einfach dazu. Sobald ich eine Community auf Facebook aufgebaut habe, bekam ich immer wieder Nachrichten, dass ich ein YouTube-Video machen soll, damit sie meine Stimme hören und mich besser kennenlernen können. Und so ist es dann auch passiert, ich habe mein erstes Video aufgenommen, das ging viral und beim Aufnehmen bin ich dann geblieben.

Ist dir durch deine Social-Media-Präsenz etwas Gutes oder Unangenehmes begegnet? Triffst du Fans auf Parkplätzen?

Ich hatte mit Hasskommentaren zu tun, aber da ich wirklich fabelhafte Follower habe, kommen solche Kommentare ganz selten. Es gab Momente, wo es mehr von diesen Hasskommentaren gab, aber seit vielen Jahren habe ich Ruhe damit, sodass es nur sehr wenige unangenehme Situationen gibt. Oft kommt es vor, dass ich auf Parkplätzen angesprochen werde, weil jemand ein Foto oder einfach nur quatschen möchte. Unangenehmer ist es, wenn ich erst aufgestanden bin, mich noch nicht fertiggemacht habe und jemand schon ruft, um ein Foto zu machen. Und auch wenn ich schlecht aussehe, weil ich gerade erst aufgewacht bin, sage ich natürlich nicht nein. Ich bin glücklich, wenn ich andere glücklich machen kann. Es kommt sogar vor, dass jemand lange versucht hat, mich zu treffen und es ihm schließlich auch gelingt.


Foto: A. Mulak

Das Stereotyp eines Lkw-Fahrers ist ein ziemlich unangenehmes Bild, wie du schon erwähntes – ein ungepflegter etwas dickerer Mann. Umso größer ist die Überraschung, wenn eine sportliche Frau aus dem Lkw steigt. Wie reagieren deine Kollegen aus der Branche auf dich?

Im speziellen Transport arbeite ich schon seit vielen Jahren, somit ist hier keiner mehr verwundert. Anfangs war ich zwar etwas Neues, die Kollegen haben skeptisch auf mich geschaut, fragten sich, wie es wohl sein wird, ob sie alles für mich tun müssten, oder nur ein bisschen und wie ich sie behandeln werde, wie diese Zusammenarbeit funktionieren wird. Es war eine neue Situation für uns alle und jeder musste es lernen, aber derzeit ist meine Anwesenheit hier für keinen mehr merkwürdig. Wenn ich auf dem Parkplatz auf der Spur für Großraumtransport stehe, aus meinem Lkw aussteige und vor mir normale Lkws stehen, schauen die Fahrer öfters vorbei und wundern sich. Wenn wir uns abends für den Transport von Turbinen vorbereiten, alle Leiter kommen, wir zusammen stehen und die Route besprechen, sehe ich oft, dass andere Fahrer aus ihren einfachen Lkw aussteigen und hergucken. Einige möchte mich ansprechen, sind aber nicht mutig genug.

Gibt es irgendwelche Mythen, Stereotypen über Fahrer, Trucker, die man abschaffen müsste?

Ich bin auf der anderen Seite, deswegen weiß ich nicht, was in der anderen Welt los ist. Von nichts kommt aber auch nichts. Es lässt sich einfach sagen, dass man mit einem unrasierten, stinkenden Fahrer zu tun hatte, aber so wie ich im Buch geschrieben habe, sollte man sich Gedanken machen, woher das kommt. Deswegen habe ich diesem Thema so viele Seiten gewidmet, weil es mir wichtig war, das den Lesern bewusst zu machen. Die Pandemie verschärfte es und zeigte, wer Fahrer sind und welche Bedeutung sie haben. Einerseits haben die Menschen verstanden, dass Apotheken, Geschäfte oder Tankstellen keine Vorräte haben, sondern dass alles fortlaufend mit Lkws, die auf Straßen fahren, den Verkehr blockieren, geliefert wird. Die Leute haben verstanden, was unsere Aufgabe ist. Auf der anderen Seite haben die Tankstellen ihre Toiletten und Duschen geschlossen. Schau dir den Kontrast an. Wenn die Fahrer während der ersten Pandemie gestreikt und es keine kontinuierliche Versorgung gegeben hätte, wären die Leute durchgedreht. Von daher hat die Gesellschaft verstanden, wie wichtig unsere Arbeit ist, aber wir wurden gleichzeitig auch gedemütigt. Fahrer, die oft mehrere Wochen unterwegs sind, hatten keine Möglichkeit, auf Toilette zu gehen oder eine Dusche zu benutzen. Später, auf dem Parkplatz, wo auch Autos stehen, liefen die Fahrer durch die Büsche, weil sie «mal mussten». Meiner Meinung nach wird dem Menschen damit seine Würde komplett genommen. Gleich wird jemand sagen, dass er den Fahrer im Gebüsch gesehen hat oder dass er ungeduscht war, aber man überlegt nicht, warum das so ist.

Wie hoch ist der Preis für das Leben eines Berufskraftfahrers? Abwesenheit bei Familienfeiern? Weniger Kontakt mit Verwandten?

Ich glaube, es ist vor allem die Abwesenheit im Familienleben. Abgesehen von größeren Feiern wie Kommunionen oder Hochzeiten, denn dann nehmen sich die Fahrer frei, aber ich denke an den Alltag. Autofahrer sind nicht dabei, wenn die Kinder aufwachsen, sie nehmen nicht an diesem normalen Familienalltag teil.

Danke für das Interview. Gute Fahrt!

Vielen Dank!

Dieses Interview stammt aus dem PolenJournal-Magazin (Onlineausgabe 1/2021)

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