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Alois Hotschnig und „Ludwigs Zimmer“

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Ab und zu erben Menschen etwas – manchmal ist es ein Haus mit einer außergewöhnlichen Geschichte an die man sich aber gar nicht erinnern möchte. Während des Autorentreffens im Rahmen des 17. Österreichischen Frühlings spricht der Schriftsteller Alois Hotschnig über die Gefahr des Vergessens und die Kostbarkeit der Erinnerung. 

Alois Hotschnig kommt aus Kärnten. Nachdem er Medizin, Germanistik und Anglistik studiert hat entschließt er sich der Literatur zu widmen. 1989 entsteht die erste Erzählung „Aus“, die mit dem Förderpreis des Landes Kärnten ausgezeichnet wird. Es folgen weitere Werke – und weitere Preise – zuletzt der Anton-Wildgans-Preis (2009) und Gert-Jonke-Preis (2011). 

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Am 15. März wird Alois Hotschnig im Institut für Germanistik der Oppelner Universität von einem zahlreichen Publikum erwartet, um sein Buch „Ludwigs Zimmer“ vorzustellen. Wie er zugibt, ist es sein erster Aufenthalt in Polen. Außer Oppeln begibt sich Alois Hotschnig auch nach Warschau, Posen und Stettin. 

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„Ludwigs Zimmer“, veröffentlicht im Jahr 2000, ist nicht das neuste Werk des Schriftstellers, denn es folgte der Roman „Ich habe einen Menschen gestohlen“ und die zwei Erzählungssammlungen „Die Kinder beruhigte das nicht“ und „Im Sitzen läuft es sich besser davon“. Es ist aber etwas Besonderes – für die Leser und für Alois Hotschnig selbst. 

„Ich hätte die Erbschaft nicht antreten dürfen, damit fing es an, dieses Haus hat schon andere vor mir nicht glücklich gemacht, ich hätte nicht einziehen dürfen und Landskron und Villach und Kärnten überhaupt meiden müssen von Anfang an“ – mit diesen Worten beginnt der Roman und der Leser wird gleich durch ein Geheimnis in die Handlung verwickelt. So auch die Hauptfigur – Kurt Weber, ein Mann um die 30 – ein typischer Österreicher von heute, wie Alois Hotschnig erklärt, jung und nicht politisch engagiert. Doch das Haus verbirgt die Geschichte seiner Verwandten und somit auch seine, und diese reicht in die Nazizeit zurück, die Zeit, die – wie es scheint – alle vergessen wollen. Webers Verwandte waren die so genannten Mitläufer des neuen Regimes, nicht die „großen Täter“, aber diejenigen, die nicht „Nein“ gesagt haben. Andere hingegen leisteten Widerstand. 

Alois Hotschnig fragt bewusst nach dem Wert der Erinnerung, indem er Kurt Weber in die Geschichte hineinwebt – denn kein Haus ist frei von einer Geschichte und so auch der Mensch. Während des Treffens wird die Anmerkung gemacht, das Zimmer stehe für Österreich, wo es jedoch nicht zu einer Auseinandersetzung mit der Vergangenheit kam. Und damit liegen die Leser vollkommen richtig. 

Der Roman entstand nicht ohne Grund. Alois Hotschnig will damit an das Konzentrationslager Loibl an der österreichisch-slowenischen Grenze erinnern. Bis Kriegsende arbeiteten dort fast zwei Tausend Häftlinge am Bau des Tunnels. Das Lager wurde von Partisanen befreit – „in Kärnten will es keiner wissen“, erklärt Hotschnig, der im Juni an den Gedenkfeierlichkeiten teilnehmen wird. In Österreich wird erst seit 1995 an diesen Ort erinnert – und es beginnt mit nur einem Menschen. Mit seinem Roman beabsichtigt Hotschnig etwas zu bewirken. „Es Wird jetzt erinnert – das ist für mich das Phantastische. Die Initiative eines Menschen – jeder kann es tun, muss aber nicht“. 

Der Schriftsteller fokussiert „auf das erreichbare Leben, das hier und jetzt“, wo „wir sehen und hören können“. Somit führt er einen Kampf gegen das „du sollst sterben, weil du so und so bist“, „weil du aus unterschiedlichen Gründen nicht dazugehörst“. Hotschnig reflektiert über die Fähigkeit des Menschen, anderen etwas anzutun – „im positivsten, wunderbarsten Sinn, aber auch im anderen Sinn“. Zum Schluss erläutert der Schriftsteller mit seiner ruhigen Stimme, nichts fördernd, aber die Möglichkeit vor Augen haltend: „Ort der Erinnerung – der können wir alle sein. Jeder Kopf ist so ein Ort. Jeder hat seinen eigenen. Die Geschichte geht über den Tot hinaus.“

 

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