Ein Reporter von Wirtualna Polska ist nach Frankfurt / Oder gereist, um Zeit mit polnischen Tesla-Mitarbeitern in der Nähe von Berlin zu verbringen. In der Fabrik, die Elon Musk gehört, ist jeder vierte Arbeiter Pole. Das sagen sie über die Arbeit in der Gigafactory des Milliardärs.
Ein Tesla-Arbeiter erzählt
Auf dem Weg nach Frankfurt fährt der Reporter durch Słubice. Dort sieht er zum ersten Mal die Tesla-Arbeiter, die am Abend in einem Geschäft Schlange stehen. Zwei Männer in schwarzen Uniform-Overalls und Arbeitsstiefeln. Sie tragen das Tesla-Logo auf ihrer Kleidung, wie der Reporter Michał Krawiel auf wp.pl berichtet. Er sieht auch Arbeiter aus der Fabrik in der Nähe von Berlin vor den Toren und auf dem Weg zum Bahnhof. Man spürt den Einfluss der Gigafactory, die in gewisser Weise den Lebensrhythmus in der Gegend bestimmt – sowohl auf der deutschen als auch auf der polnischen Seite.
“Die Hälfte der dort arbeitenden Menschen kommt aus Berlin, die andere Hälfte aus Brandenburg und den polnischen Städten in Lebus und Westpommern. Aus der Gegend um Szczecin / Stettin und Kostrzyn / Küstrin kommen mehr Polen als von der Słubicer Seite. Man kann auf der Autobahn Autos sehen, die aus Polen kommend auf die Fabrik zufahren“, erzählt Krystian, ein Pole und einer der Tesla-Mitarbeiter. Für Krystian ist es der erste Job in der Industrie. Hier baut er von Hand eines der Polsterteile des Autos zusammen. Er ist in den Vierzigern und hat sich schon durch viele Branchen gewälzt.
Erstmal Probezeit bei Tesla
Er hatte nicht vor, sich bei Tesla zu bewerben. Ein Bekannter hat ihn überredet, sich zu bewerben. Tesla-Recruiter meldeten sich bei ihm, als er gerade von seinem vorherigen Unternehmen entlassen worden war. Er ging zu einem Vorstellungsgespräch und bekam die Stelle fast sofort. Er ist einer von mehr als 10.000 Arbeitern, die in der Gigafactory von Tesla bei Berlin beschäftigt sind. Jeder vierte Arbeitnehmer in Grünheide ist Pole. Es ging schnell. Jetzt wartet er auf einen Vertrag. Bei Tesla arbeiten einige, wie Krystian, über eine Agentur, die neue Mitarbeiter rekrutiert.
“Die sechs Monate, die man über eine Agentur arbeitet, sind Probezeit. Man kann dich von heute auf morgen entlassen oder sagen, dass sie dich nicht akzeptieren. Nach diesen sechs Monaten kann man ein weiteres Jahr über eine Agentur arbeiten – also insgesamt 18 Monate. In dieser Zeit bekommst du entweder einen Vertrag von Tesla oder nicht“, erzählt der Mitarbeiter.
Krystian gerät allmählich in Stress, da sich das Ende seines Vertrags nähert. Der Job bei Tesla gefällt ihm und er möchte ihn nicht verlieren.
Wie ist es, für Musk zu arbeiten?
Je nach Produktlinie können 15 bis 25 Personen am Band arbeiten. Teams von 15 Personen haben einen Teamleiter, die größeren – über 25 Personen – jeweils zwei oder sogar drei. Die Teamleiter werden wegen ihres roten Sweatshirts „rot“ genannt. Über ihnen stehen die Supervisors.
Die Teamleiter leiten eher die Arbeit, aber wenn nötig „vertreten sie auch, wenn jemand eine Zigarette rauchen geht“. “Mein Arbeitsplatz ist nicht automatisiert, man muss die Liegen selbst bewegen. Aber das Meiste in der Fabrik ist automatisiert“, sagt Krystian gegenüber dem Reporter von Wirtualna Polska.
Welche Probleme haben die Polen bei Tesla?
Tesla hat eine deutsche Gewerkschaft, die IG Metall, in der auch polnische Arbeitnehmer vertreten sind. Der WP-Reporter spricht mit einem der deutschen Mitglieder in der Zentrale in Berlin. Der Gewerkschafter erzählt, dass einer der Punkte, welche die Organisation kritisiert und von dem vor allem Polen betroffen sind, die zum Werk pendeln, das Schichtsystem ist. Sie brauchen länger als Berliner oder Brandenburger, um zu pendeln. Das Werk in Grünheide bei Berlin arbeitet in drei Schichten.
Die Gewerkschaft weist jedoch darauf hin, dass die Hauptprobleme alle Beschäftigten betreffen, auch die polnischen Arbeiter. Die Gewerkschaft berichtete kürzlich, dass die Arbeitnehmer längere Pausen, mehr Respekt (u. a. keine Diskriminierung) und ein Ende des Personalmangels fordern. Sie weist auch darauf hin, dass die Arbeitnehmer die körperlichen Auswirkungen ihrer Arbeit spüren. “Ein weiteres Problem ist die Sprachbarriere am Arbeitsplatz, wo viele deutschsprachige Arbeitnehmer ebenso wie polnische Arbeitnehmer aufgefordert werden, sich auf Englisch zu verständigen”, sagt ein deutscher Gewerkschafter.
Ein kleiner Bahnhof an der polnischen Grenze
Es gibt keinen direkten Zug von Frankfurt zu Tesla. Das letzte Stück der Strecke muss man mit dem Bus zurücklegen, der vom Bahnhof in Fangschleuse abfährt. Die Fahrzeit mit dem Zug beträgt weniger als 40 Minuten, und der Anschlussbus braucht weniger als 10 Minuten. Der kleine Bahnhof ist – abgesehen von den Ankunfts- und Abfahrtszeiten der Züge – ziemlich leer. Erst 10 Minuten vor der Abfahrt des Zuges kommen die Arbeiter in schwarzer Tesla-Arbeitskleidung herunter.
Vorhin hat man Krystian gefragt, ob es auch andere Farben für die Kleidung gibt, aber bei Elon Musk gibt es nur eine Farbe – schwarz. Es sind ziemlich viele Fabrikarbeiter im Zug. An einem anderen Bahnhof trifft der Journalist einen anderen Tesla-Mitarbeiter: Sami, der in der deutschen Hauptstadt geboren und aufgewachsen ist. Auch er pendelt von dort zur Arbeit in Musks Gigafactory. Sie steigen gemeinsam in den Zug und sprechen über die Arbeit in der Fabrik des Milliardärs.
Bevor er bei Tesla arbeitete, war Sami Bauarbeiter. Er hatte noch nie in der Industrie oder einer anderen Branche gearbeitet. Als der Reporter ihn fragte, ob er die Arbeit schwer findet, antwortet er, dass Tesla im Vergleich zum Baugewerbe körperlich viel weniger anstrengend ist. “Verglichen mit der Arbeit auf dem Bau ist mein Job leicht. Ich bin ein Teamleiter. Bei Tesla bekommt man im Vergleich zu Volkswagen schneller einen Vertrag“, sagt Sami im Zug auf dem Weg zum Werk.
Eine freundliche Gegend rund um Tesla
Als der Journalist im Zug nach den kontroversen Äußerungen von Elon Musk frage, sagt Sami, Politik interessiere ihn nicht. “Der Mann hat große Pläne. Guck Mal. Sie haben einen Bahnhof gebaut, damit die Leute mit dem Zug zur Fabrik fahren können” – das ist, was Sami zu sagen hat. Als man später mit Krystian spricht, sagte er, dass die meisten hier keine Diskussionen über Politik führen wollen. “Niemand will ehrlich mit dir reden”, meint Krystian. Die Leute sind froh, einen Job zu haben, denn früher war es hier schwierig.
“Den jungen Kollegen ist das egal. Sie interessieren sich für das Gehalt, für normale Dinge. Sobald man sie fragt, können sie genervt reagieren“, sagt einer der dort arbeitenden Polen.
Sami fügt hinzu, dass ihm Berlin immer weniger gefällt und er immer mehr darüber nachdenkt, in den Osten Deutschlands zu ziehen, näher an das Werk. “Berlin hat sich verändert, es ist keine freundliche Stadt mehr. Hier sind die Menschen noch offen“, sagt er über die Gegend rund um die Fabrik.
Musks Gigafactory, zu der die Reporter direkt mit dem Zug fahren, beeindruckt sie nicht besonders. Die Fabrik liegt eingezwängt zwischen Autobahnen und Schnellstraßen. Über ihr fliegen ab und zu Flugzeuge vorbei. Es gehört nicht zum Gefüge einer Stadt, es ist ein riesiges Areal zwischen Verkehrsadern. Die Größe ist nur auf dem Mitarbeiterparkplatz sichtbar.
Reisebusse, Busse und ein mit Autos gefüllter Parkplatz
Wenn eine Schicht bei Tesla endet, strömt ein Meer von Menschen hinter den Toren hervor. Sie laufen zu den Hunderten oder gar Tausenden von Autos, die auf dem Parkplatz warten. Auf andere warten die Busse des öffentlichen Nahverkehrs und Werksbusse. Die ganze Welt arbeitet bei Tesla.
“Hier haben wir eigentlich drei Hauptgruppen. Türkischstämmige Deutsche, Polen und die Post-2015-Migration – also Kurden, Iraner, Inder und Afghanen. Die Leute halten sich hauptsächlich an die ethnische Zugehörigkeit, aber das ist nicht die Regel“, sagten die Mitarbeiter den Reporter.
Wenn man nach Geld und z.B. höheren Löhnen bei Volkswagen fragt, hört der Reporter: „Was soll’s, die müssen sowieso Tausende von Leuten aus ihren Fabriken entlassen“.
Obwohl die deutsche Firma die Abfindungen für die entlassenen Arbeiter sehr lukrativ vorbereitet. Wenn hier jedoch jemand um Arbeit bangt, dann sind es vor allem Menschen, deren letzter Vertrag mit der Agentur ausläuft. Es gibt viele Leiharbeiter.
Quelle: wp
Foto: Tesla / Pressematerialien