Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen, das ist schon richtig. In Polen sind es oftmals Piroggen in den unterschiedlichsten Geschmackssorten, ein paniertes Schweineschnitzel und ab und zu auch ein gutes Bigos – denken viele. Da läuft schon auch das Wasser im Mund zusammen. Was verbirgt sich jedoch hinter der stereotypischen polnischen Küche? Wie ist sie wirklich? Und wie sehen die Essgewohnheiten der Polen aus? Diätassistentin Anna Jurecka wirft ein bisschen Licht auf das Thema.
Vitaminbomben und Zuckerberge
Geschmackvoll, würzig und aromatisch – so wird oftmals die polnische Küche charakterisiert und eben diese Merkmale machen sie auch so außergewöhnlich. Polnische Gerichte sind so beliebt, weil sie voller Zutaten und Gewürze sind, die den Geschmack und das Aroma hervorheben. Die polnische Speisekarte beinhaltet echte Vitaminbomben – dazu zählt auf jeden Fall Sauerkraut. Das Gemüse mit hohem Nährwert, dass auch im Winter lagerfähig ist, wird zur Starzutat vieler anderer polnischer Gerichte. Dazu kommt auch das Eingemachte – rote Bete, Salzgurken in unterschiedlichen Variationen und Obst – obwohl gerade hier schon die Probleme beginnen.
Da ist schon der Zucker am Horizont! Also weg mit den Tomaten, die man auf den Augen hat, die polnische Küche ist nicht von Schattenseiten frei. Genau wie die Essgewohnheiten an der Weichsel. Das größte Problem der polnischen Gerichte ist der hohe Fett- und Zuckeranteil. Ein Pole konsumiert durchschnittlich mehr als 1,5 kg Zucker. Es ist schwierig, dies zu begrenzen, da Zucker heutzutage fast überall zu finden ist. Andererseits wird Fleisch in Form von traditioneller Schweinelende, sowie gehackten Koteletts gegessen. Da kommen wir schon zu richtigen Kalorienbomben, denn eine Portion von Schweinekotelett mit Kraut und Kartoffeln macht ca. 800 kcal. Die Lage verbessert sich nicht mit der Vorliebe der Polen zu Mehl- und Fleischgerichten, die dazu noch gebraten werden. Da liegen die Polen mit ihrer Überzeugung nicht falsch – die polnische traditionelle Küche ist ziemlich fettreich.
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Nicht gleich die Suppe versalzen
„Je nach dem Gesundheitszustand und körperlicher Aktivität sind solche Inhaltsstoffe wie Fett, Mehl und Fleisch mehr oder weniger belastend“, stellt die Diätassistentin Anna Jurecka fest und hat einen Ratschlag parat: „Im Zeitalter des Informationschaos, auch im Bereich des Essens, lohnt es sich, die Weisheit des eigenen Körpers zu schätzen und sich zu fragen, wie fühle ich mich nach dem Essen? Die Kombination von Kohlenhydraten und Eiweiß kommt sehr häufig in der polnischen Küche vor. Nachdem man Nudeln oder Klöße isst, wird man oft schläfrig. Nach frittiertem Essen kommt hingegen das Gefühl, als hätte jemand ein Gewicht auf dem Magen gelegt“.
An der Weichsel herrscht noch die Überzeugung, dass gesunde Lebensmittel geschmacklos sind und dies obwohl die Polen eigentlich das Abschmecken der Gerichte sehr gut gemeistert haben. Damit stimmt auch die Expertin überein und fügt hinzu: „Der Geschmack von Lebensmitteln wird durch Gewürze verändert. Pflanzliche Gewürze haben einen spezifischen Geschmack, sind aber für unsere Gesundheit nicht wegzudenken. Salz und Zucker, die heutzutage jedem Lebensmittel so häufig zugesetzt werden, können sich negativ auswirken“, erklärt Anna Jurecka. „Die Überzeugung, dass gesundes Essen geschmacklos ist, kommt meiner Meinung nach von Menschen, die sich noch nie mit dem Thema auseinandergesetzt haben, oder die sich somit zu rechtfertigen versuchen, warum sie immer noch zu ungesunden Produkten greifen.“
Nicht ganz falsch liegen aber diejenigen, die glauben, dass Fett ein Geschmacksträger ist. „Das stimmt. Gesund essen bedeutet nicht, Fett zu vermeiden. Natürlich steckt der Teufel im Detail. Es geht darum, gesundes Fett zu essen also pflanzliche Öle, Nüsse, Samen oder Avocado.“
Ist gesundes Essen den Polen Wurst?
Quatsch mit Soße! Die Sache ist viel komplizierter als man denkt. Die Rede ist schließlich nicht über einen Menschen, sondern 38 Millionen. „Das Ernährungsbewusstsein, der Lebensstandard und die Werte, welchen die Polen folgen, sind unterschiedlich – sind aber miteinander verbundene Gefäße“ – meint Anna Jurecka. „Ich habe den Eindruck, dass wir immer noch eine große Diskrepanz zwischen der Lebensweise der Menschen in den Dörfern und in den Großstädten haben. Bei einem großen Teil der Bewohner von Kleinstädten stelle ich den Wunsch und sogar das Pflichtgefühl fest, jeden Tag selbst zu kochen und gemeinsam zu essen, was der Gesundheit sehr zuträglich ist. Auf der anderen Seite sind viele Bewohner größerer Agglomerationen so ernährungsbewusst und wohlhabend, dass sie Produkte aus Regalen kaufen, die als Bio- oder Supernahrung gekennzeichnet sind, was sich sicherlich positiv auf ihren Körper auswirken kann. Es gibt auch einen großen Teil der Bevölkerung, die sich keine Sorgen um gesunde Ernährung macht. Für sie kann das Essen entweder schmackhaft oder unappetitlich sein. Ich kann nur sagen, dass sie auf natürliche Weise vor Orthorese geschützt sind.“
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Polnische Esssünden
Obwohl viele Polen keine Ernährungsignoranten sind, muss an dieser Stelle in einen sauren Apfel gebissen werden – hier kommen die häufigsten Esssünden der Polen. Das erste Problemthema – das Obst und Gemüse. Wie die Expertin zugibt, ist es nicht so, dass man in Polen Obst und Gemüse komplett aus der Ernährung ausschließt, aber der ein oder andere macht lange Zähne, wenn er in einen Apfel reinbeißen soll und holt stattdessen eine Packung Saft aus dem Kühlschrank. Dies obwohl viel Obst und Gemüse einheimischen Ursprungs ist! „Ich beobachte zum Beispiel, dass man in Polen auch immer weniger Sauerkraut kauft“, fügt Anna Jurecka hinzu. „Früher wurde es in jeder Familie im Winter eingelegt und gegessen“.
Sünde Nummer zwei – der Milchkonsum. Das Trinken von Milch wird immer noch in Polen als sehr gesund gehalten, obwohl es nicht für jeden der Fall ist. „Wir sind jetzt darauf angewiesen, „kartonierte Milch“ zu trinken, d.h. industriell veränderte Milch. In diesem Prozess wird das Fett zuerst aus dem Produkt entfernt, um es später bis zum gewünschten Gehalt damit zu sättigen. Für mich ist solche Milch ein Halbprodukt, das in größeren Mengen vermieden werden sollte. Es gibt Menschen, die sie überhaupt nicht vertragen. Milch, die direkt vom Landwirt zum Verbrauch bestimmt ist, ist dagegen etwas komplett anderes“, präzisiert die Diätassistentin und fügt hinzu: „Die Toleranz ist eine individuelle Angelegenheit. Milch war dennoch für die Nachkriegsgeneration ein grundlegendes Nahrungsmittel. Es geht also eher um die Qualität des angebotenen und regelmäßig konsumierten Produkts.“
Dann gibt es noch das Wort mit G auf der Liste – das Gluten. In Polen werden verschiedene Arten vom süßen Brot hergestellt, das sich an der Weichsel großer Beliebtheit erfreut. Das Gluten wurde in letzter Zeit zu einem breit diskutierten Thema und dessen Intoleranz fast zur Mode. „Das Gluten ist seit Jahrhunderten in unserer Ernährung vorhanden, aber das Problem besteht darin, dass wir es jetzt in viel größeren Mengen konsumieren“, erklärt die Expertin. „Einerseits sind Mehlspeisen jetzt zugänglicher geworden. Um Zeit zu sparen, greifen die Polen oft nach Brötchen, Nudeln, Pizzas, Pfannkuchen, Knödel und essen Kuchen zum Kaffee. Zweitens, hat modifizierter Weizen, der üblicherweise in der Lebensmittelindustrie verwendet wird, einen viel höheren Glutengehalt als z.B. der Dinkel – eine alte Sorte, die nicht für Modifikationen anfällig ist. Gluten macht den Teig lockerer. Es ist aber schwer verdaulich. Man sollte also Mehlprodukte in moderaten Mengen essen, am besten ein- oder zweimal am Tag.“
Und zu guter Letzt – Tee mit Zitrone. Wenn man in Polen zum Tee eingeladen wird, bekommt mal oftmals schwarzen Tee mit einem Stück Zitrone. Viele finden es gesund, weil Vitamin C die Entwicklung der Krankheiten einschränkt. Ist es aber wirklich eine gute Idee? „Der Teeaufguss ist an sich sehr gesund. Sowohl schwarzer als auch grüner Tee enthalten Antioxidantien, die unter anderem das Krebsrisiko senken. Trockentees enthalten jedoch geringe Mengen Aluminium. Das Aluminium in dieser Form ist jedoch wasserunlöslich, sodass es beim Kochen nicht in das Wasser eindringt, sondern am Boden verbleibt, den wir ohnehin wegwerfen. Das Problem entsteht, wenn der Ton mit Zitronensaft kombiniert wird, weil er sich in ein gut absorbiertes Aluminiumcitrat verwandelt. Glücklicherweise entsteht eine schädliche Verbindung nur dann, wenn der Zitronensaft in den Behälter gegeben wird, in dem sich der Bodensatz oder der Teebeutel befindet. Geben wir es in den fertigen Tee hinzu, wird die Reaktion nicht stattfinden und die schädlichen Verbindungen nicht in den Körper eindringen“, so Anna Jurecka.
Genießen, aber nicht übertreiben
Für Liebhaber der polnischen Küche ist es ratsam, die goldene Mitte zu finden. Man muss nicht auf alle Leckereien, die nur so auf der Zunge zergehen, verzichten. „Schweineschnitzel, Bigos, Piroggen… – sie alle beinhalten auch gesunde Zutaten, sind aber etwas schwerer auf den Magen. Der goldene Mittelweg ist der Schlüssel zum Wohlbefinden und auch das perfekte Rezept für die Entdeckung der polnischen Küche“, kommentiert Anna Jurecka.