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40 Jahre mit dem Stift – ein Interview mit Andrzej Czyczyło

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Der Satiriker und Szenograf Andrzej Czyczyło machte sich mit seiner vielfältigen Tätigkeit einen großen Namen. Kurz bevor er in dem Puppe- und Schauspieltheater in Oppeln sein 35. Jubiläum der theatralischen Arbeit und 40. Jubiläum der künstlerischen Tätigkeit feierte, gelang es PolenJournal.de mit ihm ins Gespräch zu kommen. 

Ihre Ausstellung zum Anlass Ihres letzten Jubiläums – des 35. Jubiläums der künstlerischen Tätigkeit und 30. Jubiläums der Zusammenarbeit mit dem Theater – wurde unter dem Titel „Politisches Tier” veranstaltet. Kann der Mensch in einer politischen Leere existieren? Was wollten Sie mit dem Titel sagen?

Leider nicht. Selbst, wenn man das nicht will, wird man von anderen in politische Kontexte einbezogen.

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Also befinden wir uns die ganze Zeit in einer Falle…?

Genau. Leider bilden wir das „globale Dorf“, ob es jemandem gefällt oder nicht. 

Dieses Jahr ist ein ganz besonderes für Sie?

Eigentlich war es das letzte Jahr, aber ich bin immer zu spät. Es sind 40 Jahre vergangen von meinem Debüt in der Wochenschrift „Szpilki“. Ich meine, letztes Jahr waren es 40 Jahre.

Wie werden Sie das Doppeljubiläum feiern? 

Mit einer Benefizveranstaltung. Endlich ist es mir gelungen die entsprechenden Mittel zu sammeln und damit eine Feier zu organisieren, die einem derartigem Jubiläum würdig wäre. Sie wird zwei Leitfäden haben, denn es sind 35 Jahre von meinem Debüt als Szenograf vergangen. Ich zähle das Leben in 5-Jahre-Sprüngen. Ein kurzer Film wird meine Arbeit im Bereich Szenografie, Film, Theater und Fernsehen darstellen. Im Foyer des Hauptgebäudes des Puppe- und Schauspielertheaters werden meine satirischen Zeichnungen ausgestellt. 

Ist für Sie die satirische Zeichnung nach so vielen Jahren noch dasselbe wie am Anfang der Karriere?

Wissen Sie, ich habe in „Szpilki“ als ein junger Student angefangen. Das ganze Jahr nach dem Debüt schwebte ich auf Wolke sieben und musste deshalb keine neuen Schuhe kaufen. Solche Persönlichkeiten wie Kofta, Czubaszek und viele andere waren meine Redaktionskollegen. Dazu noch die Zeichner Czeczoł, Dudziński, Krauze… Das war eine richtige Wochenzeitung, eine Kultzeitung…  Es bedeutete mir viel als junger Bursche in solchen Kreisen zu arbeiten. 

Wie beurteilen Sie die heutige Lage der satirischen Zeichnung?

Mit dem Ende der Volksrepublik veränderte sich die Satire. Man muss bedenken, dass wir früher alle ohne Ausnahme gegen die Zensur kämpften. Dies bildete die Gefahr für den Satiriker – die s.g. Aspirin zu kreieren – also etwas was nicht hilft, aber auch nichts verschlechtert. Ein Satiriker sollte aber über eine gewisse Schärfe verfügen und mit seiner Zeichnung das Grundproblem erfassen. Deshalb finde ich, dass die satirische Tätigkeit damals qualitativ anders war, da wir irgendwo im Hinterkopf die Zensur hatten. Die Zeichnungen waren mehr poetisch. Jetzt darf man eigentlich alles zeichnen und vieles hängt nicht von Autozensur, sondern… Selbstdisziplin. Wir können selbst wählen, ob wir feinsinnig bleiben, aber mit einer gewissen Schärfe, oder ob wir gleich draufhauen, was man leider oft in der Boulevardpresse beobachten kann. Man sieht sehr oft im Fernsehen so grobe und direkte Späße in Kabarettproduktionen, sodass man denkt, dass das sog. literarische Kabarett an Wirkung verliert. Dies ist mehr bemerkbar im Fernsehen als in der Zeichnung, die sich aber auch negativ entwickelt hat. 

Sind sie also der Meinung, man sollte den Mittelweg wählen?

Nein, keinen Mittelweg. Man sollte dort hingehen, wohin das Herz führt, oder? Und soweit das Talent ausreicht. In der Mitte steckt die Spekulation. Die Kunst verträgt keine Unwahrheit. Sie wird immer mit der Zeit aufgedeckt. 

Könnten Sie über Ihre künstlerische Ausbildung erzählen? Ich habe gelesen, dass Ihnen Ihr Vater Komposition beigebracht hat, genauer gesagt, seine Ladenschaufenster. Sie kämpften auch mit dem Problem vom Detail zum Allgemeinen, obwohl es umgekehrt sein sollte. 

Wissen Sie, mein Vater genoss die Ausbildung an einer privaten Schule in Krakau, wo er die besten akademischen Traditionen dieser statt kennenlernte. Ich habe ein paar seiner Gemälden zu Hause. Vor fünf Jahren hatte ich eine Ausstellung. Die Einleitung schrieb der damalige Direktor des Karikatur Museums in Warschau – Wojciech Chmurzyński. Ich erlaubte mir neben meiner Ausstellung fünf Ölgemälde meines Vaters aufzuhängen. Daneben war eine fotografische Dokumentation der Tätigkeit meines Großvaters zu sehen. Er führte eine Theatersektion neben dem Sokół-Club in Chrzanów. Als Chmurzyński den Raum betrat und die Werke meines Vaters sah, fragte er, woher ich einen Lenz habe? Und ich erwiderte: „Wo? Welcher Lenz?”, „Wo? Hier!”. Ich erklärte ihm, dass es die Werke meines Vaters sind, die er mit 23 gemalt hat. Braucht man eine bessere Rezension? Ich habe einen Lenz zu Hause, die hervorragenden Werke meines Vaters. 

Wieso haben Sie sich für die satirische Zeitung entschieden anstatt die mehr künstlerische zu wählen und somit den Weg ihres Vaters einzuschlagen?

Irgendwie ist es so, dass meine ganze Familie einen Sinn für Humor hat und ich finde nicht, dass die satirische Zeichnung etwas Schlechteres ist im Vergleich zu der – sagen wir es so – höheren Kunst. Sehen wir uns Topor an, die Malerstiche aus dem 18. Jahrhundert, oder Goya – es ist doch eine Quasi-Satire. Nehmen wir die französische Kunst um La Fontaine und so weiter. Überall gibt es diesen Faden. Ich würde es nicht so ausgrenzen. 

Unterscheidet sich aber nicht die Technik? Ihre Werke scheinen mehr graphisch zu sein. 

Dann müssen sie meine Aquarellen sehen, die überhaupt nicht mit einer Deckfarbe korrigiert worden sind. Ich habe einen Aquarellzyklus für einen Wettbewerb in Belgien gemacht. Ich spiele mit der Form. Jetzt bin ich grober geworden, rauer… so passt es mir. Ich jongliere mit der Form. Ich kann mich erinnern, dass meine Kollegen auf einer dieser ersten Wettbewerbsausstellungen gesagt haben „weißt du, ich dachte du bist ein alter gesetzter Mann“. Das künstlerische Know-How hat also damit nichts zu tun. In den 70er gab es den hervorragenden Bücherillustrator Stanny, der seine satirischen Zeichnungen in Illustrationskonventionen zeichnete. Seine technischen Fähigkeiten waren perfekt und es gab noch andere. Zum Beispiel die – in Einführungszeichen – Schlampigkeit Czeczots… es ist eine solch raffinierte Graphik, dass bis heute noch niemand anderer geboren wurde, der sie übertreffen könnte. 

Wurden Sie mit Czeczot verwechselt?

Mein Name wurde oft verwechselt, Andrzej Czeczot, Andrzej Czeczyło, immer wieder. Ich habe jedoch niemanden korrigiert, wenn er mich verwechselt hat und komplementierte. Als Czeczot meinen Namen erfuhr, trank er mit mir Brüderschaft. Er war viel älter als ich, aber er sagte – da wir denselben Namen tragen, trinken wir einen! So pointierte er. 

Entwickelte sich daraus eine Zusammenarbeit, hat er Sie inspiriert?

Von Anfang an wusste ich, dass der Mann nicht nachzuahmen ist. Wenn ich solche Versuche anderer sehe… erbärmlich! Ich weiß, dass man es bemerken würde. Mich inspirierte die Poetik seiner Zeichnungen. Die Konstruktion, sein Gedankengang, die Narration – all dies, aber was die Form angeht, war er einmalig. Jeder Ausflug in diese Richtung ist gleich bemerkbar. 

Sie befassen sich auch mit der Film- und Theaterszenografie. Wie verbinden Sie diese Tätigkeiten?

Ich wurde zu einer Zusammenarbeit an einer Szenografie eingeladen. Es war noch vor dem Kriegszustand. Mein Debüt fand im April oder Juni 1981 statt, ich kann mich nicht genau erinnern. Gleich danach begann der Kriegszustand. Er lud mich als Satiriker ein und wollte eine satirische Übertreibung seiner Aufführung. Deshalb bot er mir die Szenografie an. Es gelang ihm mich in einem solch großen Ausmaß zu inspirieren, dass ich nach dem Kriegszustand nichts in der Satire zu suchen hatte. „Szpilki“ neigten sich dem Ende, es gab auch so viele schlechtere Zeichner und irgendwie hatten wir, die Menschen aus „Szpilki“, keine Lust weiterzumachen. Das Ganze hatte natürlich auch seinen politischen Hintergrund. Ich wandte mich der Szenografie zu und hatte Glück das die erste Aufführung irgendjemand gefallen hat, andere Regisseure haben sie bemerkt und so gestattete ich mir eine Pause vom Zeichnen. Ich nahm lediglich an ausländischen satirischen Wettbewerben während der schlimmsten Zeit des Kriegszustands und auch danach, teil. 

Verlangt die Arbeit an der Szenografie eine Denkumstellung von Ihnen?

Wenn ich einen kleinen Comic zeichne oder eine kleine Zeichnung, denke ich mir einen Protagonisten aus, ich habe eine Figur, eine Anekdote – also ist es in gewisser Weise eine Miniaufführung. Die Denkweise ist deshalb ähnlich. Die Erfahrung mit der Satire gibt mir aber die Möglichkeit dem Regisseur etwas einzigartiges vorzuschlagen. Ich kann mich zum Beispiel an eine Aufführung unter dem Titel „Gewitter im Go-Go-Theater“ erinnern. Es handelte sich um eine historische Szenografie, aber ich wollte gegenwärtige Elemente einbeziehen. Es war die Zeit des Fastfood-Booms bei uns, also habe ich mir ein Fastfood für einen Prinzen ausgedacht, aber ein gesundes. Der Witz lag darin, dass es sich um eine Karotte mit Grünzeug handelte. Wenn der Prinz sie fest zusammendrückte, fiel sie in zwei Hälften und so konnte er das Grünzeug – an einem Scharnier befestigt – dazwischen stecken. Der Diener bespritzte es mit Senf und aß einen solchen Hot-Dog. Wäre ich kein Satiriker, hätte ich mir wahrscheinlich nicht solch ein Requisit ausgedacht. Es ist also hilfreich. Es bedarf aber auch einer anderen Erfahrung, einer handwerklichen. Man muss sich bewusst sein, dass die von uns vorgeschlagenen Requisite sicher und mobil sind. Die Vorbereitung einer Szenografie ist Teamarbeit. Es ist kein Kompliment für mich, wenn jemand sagt „tolle Szenografie“. Wenn ich aber höre, dass „die Aufführung toll war“, weiß ich das alle Elemente gut zusammen funktioniert haben. 

Sie arbeiteten an zwei Produktionen, die sich mit der Holocaust-Thematik befassten – „Dotknięcie Anioła“ („The Touch of an Angel“) und „Uciekinier“. Wieso haben Sie sich für diese Zusammenarbeit entschieden?

Ich habe einen befreundeten Regisseur, wir waren quasi unzertrennlich. Wir haben mit seinen Aufführungen begonnen, dann kam das Diplom und schließlich landete er im Fernsehen „Wisla“, wo wir das erste Programm für Kinder dieser Art im freien Polen machten – „Mała Antena“. Mit der Zeit wurde „Wisla“ ein Teil von TVN. In der Zwischenzeit machten wir das Fernsehtheater „Figurki Pana Gracjana“ mit Pietrzka in der Hauptrolle und anderen Stars. Dann folgte die Serie auf Canal + „Podwieczorek u Mini i Maxa“, auch für Kinder. Dann kam die Idee für einen Film. Die Handlung fand in Ścinawa Nyska statt und sie verlief auf der Basis eines deutschen Propagandadokufilms. Die Nürnberger Gesetze haben viel verboten. Es ist ein Propagandadokufilm erhalten geblieben, der eine ziemlich grässliche Szene beinhaltet, in der einem polnisch-deutschen Liebespaar auf dem Ring in Scinawa Nyska  das Haar abgeschnitten wurde… Dem Regisseur ist es gelungen, Kontakt mit Augenzeugen dieses Ereignisses aufzunehmen.  Auf dieser Basis entstand der Film, der auch Ausschnitte aus der alten Doku beinhaltet. Dieses Video fanden wir im Archiv. Das Material war kurz, aber sein moralisches Gewicht war enorm. Wir drehten unseren Film in authentischen Neise-Pleinairs. 

Ist Ihre Arbeit mit einem Sendungsbewusstsein verbunden?

Als ob sie es gewusst hätten! Bei diesen Filmen dachten wir nicht an den Gewinn. Es gibt nie genügend Mittel für Projekte dieser Art. Jedes Mal gab es Unterstützung seitens Deutschlands, aber es war immer zu wenig für ein solches Ausmaß den wir uns vorgestellt haben. Aber sie haben recht, ich hielt die Arbeit an diesen Filmen für eine Sendung. Dieses Triptychon ist etwas Besonderes für mich und gab mir viel Befriedigung. Das ist mein kleiner Baustein für die Erinnerung.

Können Sie uns verraten, auf welche Errungenschaft Sie am meisten stolz sind? Sind es eben diese Filme oder etwas Anderes?

Mein Vater sagte Mal sehr zutreffend… Da ich keine Akademie für Bildende Künste abgeschlossen habe, nur eine künstlerische Hochschule, fühlte ich mich ein wenig minderwertig. Und er sagte zu mir: „Andrzej, ein Profi ist derjenige, der seinen Beruf ausübt und nicht derjenige, der ein Diplom besitzt“. Und ich sehe es genauso. Eine Eventorganisation, wie die Szenografie, die ich für Mariot gemacht habe, bedeutet mir gleich viel, wie die Gestaltung des Fernsehstudios für Canal + oder die Anfertigung des Designs des Fußball-Oscars. Dazu kommt natürlich das bereits erwähnte Fernsehtheater mit Pietrzka, was mir viel Spaß gemacht hat. Die Arbeit mit solchen Schauspielern, großes Theaterformat… jede Erfahrung bringt neue Kenntnisse und mir sind die technischen Fähigkeiten sehr wichtig, genau wie das breite Möglichkeitsspektrum. Ich komme aus einer traditionellen Handwerkerfamilie. Mein Großvater hatte eine Malerwerkstatt, vier von seinen Söhnen arbeiteten zusammen mit ihm und das Unternehmen hatte einen guten Namen in ganz Kleinpolen. Sie strichen viele Kirchen. Mein Vater war ein Designer, sagen wir es so. Er lernte das Ornament bei Homolacs. Ich habe noch seine Lehrbücher. Homolacs wurde jetzt aufs neue entdeckt. Ich kann also sagen, dass ich die werkstattlichen Kenntnisse zu Hause erlernt habe. Es war – wie man es so sagt – die gute Vorkriegsschule.

Und man sieht hervorragende Ergebnisse…

Die Beurteilung überlasse ich anderen…

Füllen Sie sich beruflich und künstlerisch erfüllt? 

Ich finde schon… Man könnte immer mehr machen und so weiter, aber ich hatte immer sehr wenig meiner eigenen Initiative reingesteckt und irgendwie waren die Vorschläge, Telefongespräche reine Glückssache. Gut gemachte Arbeit brachte neue Aufträge. Ich darf mich nicht beschweren – es waren so viele und ich hoffe, es wird so weitergehen. Wir sind gerade nach den ersten zwei Ausstrahlungen der Sendungen „Polskie przeboje“. In ein paar Tagen stellen wir das Dekor für die neue Folge auf. Alles findet im Museum des Polnischen Liedes statt, wir werden in Kürze die Lives drehen. Ich bin wieder zurück im Fernsehen, ich habe aber keine Ahnung für wie lange. 

Wünschen sie sich etwas für die Zukunft? Oder schwimmen sie weiter mit dem Strom?

Ich lebe seit zwölf Jahren auf dem Lande und die Menschen nehmen Kontakt zu mir auf. Ich arbeite oft in Warschau, also finde ich, dass ich schon einen festen Platz in der Branche habe. Ich fühle deshalb nicht den Druck, dass ich etwas muss, zum Beispiel ein Portfolio vorstellen und so weiter. Wenn es schlimmer wird, dann werde ich die Initiative ergreifen. 

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