Akte: Heizkraftwerk Szombierki
Zwar mag der Besitzer blind für den immer schlechter werdenden Zustand sein, aber bei weitem nicht Europa Nostra, also der europäische Denkmalschutz-Verbund, welcher sich für den Schutz des Kultur- und Naturerbes Europas einsetzt. Im März 2020 wurde die Beuthener Kathedrale des Industriezeitalters auf die Liste der 7 am meisten gefährdeten Kulturerbestätten in Europa aufgenommen. Und wieder tat sich eine Chance auf, um Geld für die nötige Sanierung in Anspruch zu nehmen. “Das Thema Europa Nostra ist de facto ein europäischer Skandal. Warum? Nachdem das Heizkraftwerk Szombierki auf die Liste aufgenommen wurde, hat Europa Nostra Anstrengungen unternommen, um ein Treffen auf dem Gelände mit dem Besitzer und dem Vertreter des Verbundes zu veranstalten. Ziel war es die Summen für potenzielle Fördergelder zu ermitteln. Die Rede ist von Geldmitteln in Euro und eher großen Summen. Es ist aber nicht einmal zu einer Einschätzung gekommen, weil der Besitzer das Treffen verhinderte. Der Präsident der Stadt Bytom/Beuthen Mariusz Wołosz, sein Vertreter Michał Bieda sowie die Vertreter der Stiftung für den Schutz des Industrieerbes in Schlesien, also die Initiatoren der Eintragung auf die Europa-Nostra-Liste – sie alle haben übers ganze Jahr 2020 hinaus versucht ein Treffen zu vereinbaren. Vergeblich”, erzählt Joanna Budny-Rzepecka und fügt hinzu, dass noch immer ein Restfunke Hoffnung an Geldmitteln für den Industrietempel besteht. Es bedarf nur des Willens des Besitzers. Dieser Wille eben war und ist immer noch nicht da.
Ebenfalls im Jahre 2020 und nach der Aufnahme auf die Liste der 7 am meisten gefährdeten Kulturerbestätten in Europa, hat der Denkmalschutzbeauftragte der Woiwodschaft Schlesien – Łukasz Konarzewski – den Zustand des Denkmals unter die Lupe genommen. “Im selben Jahr, als Europa Nostra Interesse zeigte, wo man riesengroßes Geld in Millionenhöhe beanspruchen konnte, wollte der Denkmalschutzbeauftragte im Rahmen seines kleinen Budgets auch Fördergelder bereitstellen. Natürlich hat der Besitzer keinen Antrag gestellt und ist zu keinem Termin mit dem Denkmalsschutzbeauftragten erschienen”, fügt die Enthusiastin hinzu, welche zusammen mit dem Kongress für den Denkmalschutz den offenen Brief zur Rettung des Beuthener Objekts verfasst hat.
Im selben Jahr 2020 hat auch Beuthen/Bytom mehrere Angebote dem Besitzer unterbreitet. “Die Stadt hat in den letzten Jahren zwei Angebote abgegeben – ein Übernahmeangebot aus Besorgnis um die Aufrechterhaltung in einem guten technischen Zustand sowie später ein Kaufangebot, in Höhe des Preises, welcher von der Gesellschaft Rezonator beim Kauf vom Objekt ausgehandelt wurde. Es haben auch mehrere Treffen zwischen den Vertretern der Stadt sowie des Besitzers stattgefunden, aber der Vorstand der Gesellschaft Rezonator hat keinen Willen weder zur Übergabe noch zum Verkauf der Immobilie an die Gemeinde geäußert”, erklärt Małgorzata Węgiel-Wnuk und fügt hinzu, dass der Besitzer vom Heizkraftwerk Szombierki sich dabei auf Verhandlungen mit einem anderen Investor berief. Die Gespräche mit der Stadt endeten zwar mit einem Fiasko, aber die Behörden haben die Rettung des Denkmals nicht aufgeben und richteten den Blick entsprechender Beamten und Institutionen auf die Lage in den historischen Mauern.
Foto: R. Dethloff/PolenJournal.de
Die Zeit und ihre Komplizen lassen nicht locker
“Wir versuchen, das zu machen, was in unserer Rechtskraft liegt. Aufgrund dessen, was im Objekt vor sich geht, wegen des fortschreitenden Verfalls und des Desinteresses vom Besitzer, haben wir uns im August 2019 an den Denkmalschutzbeauftragten der Woiwodschaft Schlesien gewendet, um den technischen Zustand und die Innenausstattung zu überprüfen. Der Denkmalschutzbeauftragte hat eine Kontrolle durchgeführt und dem Besitzer angeordnet, die Fenster und die Fassaden sowie das Dach auf dem Uhren- und Wasserturm, auf dem Maschinenhaus, auf dem Pumpwerk und dem Heizhaus entsprechend abzusichern und es zu reparieren. Dazu ist es jedoch nicht gekommen. Auf unseren Antrag hin begann sich auch die Bauaufsichtsbehörde für die Sache zu interessieren. Nachdem diese Maßnahmen die erhoffte Wirkung nicht gebracht hatten, haben wir am Anfang des Jahres einen Deliktbescheid eingereicht. Die Staatsanwaltschaft beim Amtsgericht in Beuthen/Bytom hat eine Ermittlung wegen Unterlassung, die zur Denkmalbeschädigung führte, eingeleitet ”, bestätigt die Sprecherin der Stadt.
Die Staatsanwaltschaft ist jedoch nicht die einzige Behörde, welche ermittelt. Rezonator hat Verpflichtungen gegenüber mehreren Gläubigern, welche mit hilfe des Gerichtsvollziehers und des Finanzamtes ihre Ansprüche geltend machen. Beide Vollstreckungsbehörden führten jedoch unabhängige Vollstreckungsverfahren, was langfristig zum Verhängnis des Industrietempels werden kann. “Noch vor Kurzem war es so, dass der Gerichtsvollzieher sich mit den Grundstücken neben dem Heizkraftwerk beschäftigte und das Finanzamt nur mit den Gebäuden. Das Finanzamt führte sein Verfahren unter einem anderen Regelungsrahmen und der Gerichtsvollstrecker ebenfalls unter einem anderen Regelungsrahmen. Das bedeutet, dass zwei Vollstreckungsbehörden gleichzeitig ein Vollstreckungsverfahren führen und zeitgleich oder zu völlig unterschiedlichen Zeitpunkten eine Zwangsversteigerung durchführen konnten. Das Finanzamt hat die Pfändung aber aufgehoben und derzeit ermittelt nur der Gerichtsvollstrecker in allen Grundbüchern. Worin liegt die Gefahr? Dass der Gebäudekomplex aufgeteilt und zum Eigentum mehrerer und unterschiedlicher Besitzer wird. Die Erfahrung u.a. von der Myslowitzgrube zeigt, dass so eine Aufteilung oft zur Destruktion führt”, sagt Joanna Budny-Rzepecka. Die Vorsitzende des Kongresses für Denkmalschutz, weist auch auf eine andere Gefahr hin, diesmal seitens des Gläubigers. Dieser hat bereits offen angekündigt, dass er im Fall einer Übernahme der Grundstücke, die Maßnahmen zur Rettung des Industrietempels behindern will. Geschweige dessen, dass er das (nicht)Handeln des aktuellen Besitzers einfach fortsetzen kann. Man braucht nur zu warten, damit die Zeit, Mutter Natur, sowie Schrottsammler, welche immer öfter ihr Unwesen im Objekt treiben, ihr übriges tun. Das kann wiederum zu einem Abrissentscheid für ein Denkmal von Weltklasse führen. Doch wie ist das eigentlich möglich?