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Kulturmord (Teil IV): Law & (dis)order

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Akte: Heizkraftwerk Szombierki 

Noch bevor die Zeit und ihre Komplizen ihr Unwesen im Heizkraftwerk Szombierki begannen, hat eine gesetzliche Sackgasse das zerstörerische Werk vorgefertigt. “Im Denkmalschutzgesetz haben wir einen Artikel, welcher besagt, dass ein Denkmal unabhängig von seinem Zustand unter Schutz steht. Im selben Gesetz haben wir aber auch einen Artikel, der die Umstände definiert unter welchen das Denkmal unwiederbringlich ihren Wert, welcher aus seiner Historizität hervorgeht, verliert. Sozusagen steht das Denkmal quasi unter Schutz, aber es gibt auch eine Möglichkeit, welche in demselben Gesetz festgehalten wurde, dass es unwiederbringlich ihren Wert als Denkmal verliert”, erklärt Joanna Budny-Rzepecka, welche studierte Juristin ist. Noch schlimmer ist aber die Tatsache, dass der Zeitpunkt, an dem das Denkmal seinen Wert verliert, diskretionär ist. In anderen Worten, es braucht nur einer Begutachtung eines entsprechenden Inspektors, um das Denkmal abzureißen. Nachdem das bewegliche materielle Erbe verschrottet wurde, wäre der Abriss von historischen Mauern, welche die Zillmanns entworfen haben und dementsprechend die Auslöschung des Stadtsymbols ein weltweiter Skandal. Und dennoch, kann dieses düsteres Horrorszenario eintreten. “Wann? Unserer Meinung nach sehr schnell. Wenn man vor einem Monat und heute ins Heizkraftwerk gehen würde, dann sieht man mit bloßem Auge, dass sich der Zustand des Objekts weiter verschlechtert hat”, warnt die Juristin. Wartet auf diesen Abrissentscheid der Besitzer? Das bleibt unklar, denn keiner geht ans Telefon und sowohl in den Medien, als auch im Internet ist eine Stellungnahme diesbezüglich nicht auffindbar. Es ist jedoch sehr wahrscheinlich, vor allem wenn man bedenkt, dass Rezonator keine Geldmittel für die Revitalisierung der historischen Stätte gewinnen sowie den Wert der Grundstücke nicht steigern konnte (weil der Bau der Beuthener Zentralstraße Nord-Süd aufgegeben wurde) und abgesehen davon, dass der Besitzer das historische Rathaus in Hajduki Wielkie/Bismarckhütte über Jahre hin verfallen ließ.

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Es ist aber noch nicht aller Tage Abend. Die Wächter des Objekts haben noch gute Karten in der Hand mit welchen sie noch spielen können. Die einzige Bedingung? Es darf zu keinem Besitzerwechsel kommen. “Die Staatsanwaltschaft ermittelt und es kann bald ein Urteil abgegeben werden, dass der Besitzer das Denkmal zerstörte und die Anordnungen des Denkmalschutzbeauftragten nicht umgesetzt hat. In diesem Fall kann der Denkmalschutzbeauftragte die Vorschriften nutzen und eine sog. Ersatzsanierung durchführen. Diese wird vom Staat finanziert und eine Zwangshypothek wird in das Grundbuch eingetragen. Wenn jedoch der Besitzer weiterhin untätig bleibt, dann kann der Denkmalschutzbeauftragte von der Enteignungsmöglichkeit, also de facto einem Zwangsankauf Gebrauch machen. Es ist ein sehr seltenes Verfahren. Ich weiß nicht, ob es in Polen überhaupt einmal zu Ende geführt wurde, weil es keiner machen will”, bemerkt Joanna Budny-Rzepecka. Angesichts des Vollstreckungsverfahrens und bevorstehender Zwangsversteigerung, wird es jedoch schwierig diese Regelungen umzusetzen. 

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“Falls es zum Besitzerwechsel durch den Gerichtsvollstrecker kommt, dann erlöschen quasi all diese Hinweise, dass der Besitzer seit längerer Zeit dieses Denkmal zugrunde richtet. Es gibt schließlich einen neuen Besitzer, welcher einen Vertrauensvorschuss bekommen muss. Vielleicht wird er ja das Denkmal sanieren?”, so die Juristin, welche gleich hinzugefügt, dass der Gläubiger, für welchen die Chancen auf eine Übernahme gut stehen, sich wohl auch dem Kreis der Komplizen der Zeit anschließen und warten wird, bis der majestätische Baukörper einstürzt. “Das ist die Gefahr, die beim Heizkraftwerk Szombierki besteht. Stößt der Wachruf auf keine große gesellschaftliche oder vielleicht sogar internationale Resonanz, dann kann es in kurzer Zeit zu drastischen Tätigkeiten kommen. Das kann z.B. ein halbes Jahr sein”, warnt die Vorsitzende vom Kongress für Denkmalschutz.

All die Probleme und Sorgen von heute ließen sich einfach verhindern, wenn man entsprechend früh die Zukunft des Industrietempels abgesichert hätte. “Werfen wir mal einen Blick auf unsere Nachbarn und die Objekte, welche auf der Liste der UNESCO-Welterbestätten eingetragen sind oder teils unter diesem Schutz stehen. In der Regel und das sowohl in Tschechien als auch in Deutschland war es schon vor der Stilllegung des jeweiligen Betriebs in Planung. Und in Polen? Keinesfalls. Das Heizkraftwerk Szombierki sollte eine Ausnahme darstellen, so ist es aber nicht gekommen. In Polen ist es meistens so, dass eine Anlage außer Betrieb gesetzt wird und dann vergehen, sagen wir mal 10, 15, 20 Jahre, wo sie nur existiert. In der Zwischenzeit wird was halbwegs gemacht, aber eigentlich passiert nichts. Die Anlage steht stillund verfällt komplett. Wo liegen die Gründe dafür? Weder wird es entsprechend kontrolliert, noch werden entsprechend früh solche Pläne ausgearbeitet”, glaubt die Juristin. Einer ähnlichen Meinung ist Andrzej Janota. “Wenn sich ein Denkmal in einer Stadt befindet, dann sollte sich diese Stadt ein paar Jahre vor der Stilllegung des Betriebs an den entsprechenden Denkmalschutzbeauftragten wenden, damit dieser informiert und im Thema ist. Die Stadtverwaltung zusammen mit diesen Institutionen und Behörden, welche für den Denkmalschutz zuständig sind, sollten früher agieren. Wenn beispielsweise die Gesellschaft zur Stilllegung der Bergwerke die Liquidation einleitet, dann ist dies nicht mehr zu stoppen. Ein Schacht wird herausgeschnitten, zugeschüttet und vergessen”. 


Andrzej Janota (Foto: R. Dethloff/PolenJournal.de)

Wo das Gesetz nicht kann, da ist schon ein Enthusiast dran

Das Heizkraftwerk Szombierki in die Vergessenheit zu treiben, wird jedoch schwerfallen, was hauptsächlich ein Verdienst der Wächter dieses Objekts ist. In diese Rolle schlüpfen der Kongress für Denkmalschutz, der an der juristischen Front kämpft und an die Landes- und Regionalbehörden für eine Rettung appelliert, sowie mehr als 400 namhafte Personen und Institutionen, welche den offenen Brief zur Rettung des Zillmann-Kraftwerks unterzeichnet haben. Angeführt werden die Wächter vom Verein der Freunde des Heizkraftwerks Szombierki, der für die Rettung des monumentalen Industrietempels mit harter, täglicher Arbeit kämpft. Ohne einen Lohn dafür zu bekommen und ohne jegliche Garantie, dass dies keine Sisyphusarbeit wird, opfern rund 20 Personen ihre Freizeit. “Das alles passiert mit der Zustimmung seitens des Besitzers, welcher kein Geld ausgibt und gewissermaßen kostenlose Arbeiter hat. Die meisten von uns haben ein Talent in der Hand. Im Verein haben sich u.a. Elektriker und Mechaniker, sowie Tischler zusammengeschlossen, also eine ganze Reihe von Berufen. So einem Objekt macht es zu Nutze”, sagt Andrzej Janota, beruflich ein Fremdenführer. Es waren die Vereinsmitglieder, die das Dach abgesichert haben, als es nötig war. Sie haben die Uhr an dem Turm zum 98-Jahre-Jubiläum in Gang gesetzt. Sie haben den Touristen das Heizkraftwerk gezeigt, als es noch möglich war. Und heute? Sie sind diejenigen, die das Ausmaß der Zerstörung dokumentieren und gemeinsam mit der Leibwache gegen die Schrottsammler kämpfen. Und diese Menschen und ihre Leidenschaft können dieses Denkmal noch retten. 

Übrigens wäre es nicht das erste Mal. “Nehmen wir mal die Route der Technischen Denkmäler unter die Lupe. Wenn wir sie einen Punkt nach dem anderen auswerten, dann waren es die Liebhaber, welche meistens um die historischen Stätten gekämpft haben”, erinnert Joanna Budny-Rzepecka. Und das Heizkraftwerk ist einen Kampf wert. “Viele Beuthener verspüren eine starke Verbindung zu diesem Objekt und können sich das Stadtbild ohne die drei Schornsteine vom Heizkraftwerk Szombierki nicht vorstellen. Deswegen beobachten wir die Tätigkeit der Enthusiasten. Wir beteiligen uns dort wo wir können und unternehmen alles Mögliche, was uns das Gesetz in dieser Situation erlaubt”, fügt Małgorzata Węgiel-Wnuk hinzu. 

Früher war die harte und mühsame Arbeit ein Synonym der Industrie. Heute, in Anlehnung an die Wächter des Heizkraftwerks Szombierki, wird sie geradezu symbolisch. Denn gerade diese harte Arbeit kann dazu beitragen, dass eines der wertvollsten Denkmäler des postindustriellen Erbes gerettet wird. Mit dem eigenen Beispiel setzen die Wächter einen Aufruf und ein Signal zum Handeln sowie ein Notrufsignal in der Hoffnung, dass es empfangen wird.

Die Rettung kann schließlich völlig unerwartet kommen. Wichtig ist es jedoch, dass sie nicht zu spät kommt. Zwar zeigt die Uhr an dem Uhren- und Wasserturm keine Zeit mehr an, doch diese steht nicht still. Für niemanden. Sogar nicht für ein historisches Erbe. Sogar für das Heizkraftwerk Szombierki. 

Diese Serie stammt aus dem PolenJournal-Magazin (Onlineausgabe 2/2021) 

 

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