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Von der Vergangenheit bis zur Gegenwart in der Patschkauer Zeitmaschine

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Die Woiwodschaft Oppeln verbirgt viele interessante Orte mit spannenden Geschichten. In Paczków/Patschkau befindet sich ein außergewöhnliches Museum mit der größten Kollektion an Gaszählern in ganz Europa! Man kann dort viele gut erhaltende Exponate aus dem 19. und 20. Jahrhundert bewundern. Das Museum der Gasindustrie (poln. Muzeum Gazownictwa) ist eins der wertvollsten Aushängeschilder des Oppelner Landes. Über die ersten Erfahrungen des Menschen mit Gas und die Geschichte des Museums spricht mit PolenJournal.de der Kustode Wojciech Kalfas.

Es ist nicht leicht, sich die heutige Welt ohne Gas, welches das Leben in vielen Häusern angenehmer macht, vorzustellen. Man nutzt es als Energierohstoff in Heizkesseln, Trockenanlagen, als Treibstoff, Rohstoff in der chemischen Industrie und in vielen anderen Lebensbereichen. Die heutige Welt würde mit Sicherheit ohne die Erfindungen, die dank der Begegnung und der Erfahrungen des Menschen mit Gas erfunden wurden, ganz anders aussehen. Die Bezeichnung „Gas“ verwendete ungefähr im Jahr 1610 ein flämischer Doktor, Physiologe und Alchemist Johann Baptista van Helmont. Es ist schwer einzuschätzen, wann der Mensch zum ersten Mal auf die Substanz gestoßen ist. „Erste Erwähnungen über die Gasgewinnung stammen aus der Antike, oft aus dem Reich der Mitte. Die Chinesen konnten bereits im Jahr 221 v. u. Z. ein 1200 Meter tiefes Loch in der Erde bohren und den unter der Erdfläche angesammelten, natürlichen Treibstoff mit Bambusstangen abbauen. Erdgas hat man unter anderem im Prozess der Salzproduktion, oder zur Erwärmung und der Beleuchtung von Leuchttürmen genutzt, um den Schiffsverkehr abzusichern“, erklärt Wojciech Kalfas und gibt hinzu: „Erdgasgewinnung in Polen fand zum ersten Mal erst im Jahr 1896 statt, im Osten, auf dem ehemaligen Gebiet von Galizien statt. Eine Gruppe von ausgebildeten Wissenschaftlern hat Erdgas in Daszawa/Daschawa gewonnen, das auf einer kurzen Strecke zum Heizhaus in Borysław/Boryslaw in eine Rohöl – Destillationsanlage geschickt wurde.“

 

Foto z.V.g. von Muzeum Gazownictwa

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Viele Wissenschaftler, die sich mit der Gasindustrie befassen, finden, dass der Vater der Branche der Engländer John Clayton ist, der bei chemischen Experimenten mit  Kohlekarbonisierung im Jahr 1648 Brenngas gewann. Dann hat er das Gas in eine speziell präparierte Blase eingebracht. Es gibt jedoch keine Beweise, dass Clayton einen Weg fand, um das weiter verarbeitete Gas zum Leuchten zu bringen. Das gelang dem Angestellten der Firma „Boulton and Watt“, einem schottischen Ingenieur William Murdock, der im Jahr 1792 mit einer Schweineharnblase und einem Rohr, das die Funktion eines Brenners erfüllte, das Gas in eine Flamme verwandelte. So entstand die erste Gaslampe. Im Jahr 1795 hat  Murdock auch ein kleines Gaswerk eröffnet und ein paar Jahre später hat er mit einem Deutschen, Frederik Winzer probeweise Leuchtgas zum Beleuchten der Londoner Straßen eingesetzt.

„Sehr lange, eigentlich von 1792 an 1885, basierte die Gasbeleuchtung auf Brennern: Schmetterlingsbrennern und einfachen Brennern mit kleinen Rohren, wo die Größe der Gasflamme und die Menge von Naphthalin, Einfluss auf seine Effektivität hatte, anders gesagt auf die Stärke des Lichtes, das der Brenner gab. Erst ein österreichischer Chemiker und Apotheker, Carl Auer von Welsbach präsentierte im Jahr 1885 das, was wir als Glühstrumpf bezeichnen, also eine Gasglühbirne. Der Glühstrumpf wurde aus einem Baumwollnetz hergestellt, das in 99% mit Thoriumdioxid und in 1% mit Cerdioxid einträufelt wurde. Thorium machte den Glühstrumpf unbrennbar. Der 1% von Cer versicherte radioaktive Eigenschaften, das heißt, dass bei einer hohen Temperatur einer kleinen Gasflamme Licht erzeugt wird mit einem Gegenwert von 20 Watt. Die Gasglühbirne wird bis heute benutzt, auch hier in Paczków/Patschkau zur Beleuchtung des Platzes vor dem Museum,“ erklärte Kalfas.

Die Erfindung von Welsbach revolutionierte die Wahrnehmung von Gas in Hinsicht auf den Haushaltsgebrauch, weil das qualmende, nicht ökonomische und stinkende Gas, gereinigt werden konnte, was einen großen Einfluss auf die Entwicklung der Industrie hatte. Es entstanden immer mehr Unternehmen, die Badeöfen (Junkers), Heizkörper, Gasherde usw. produzierten. 

 

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Die Entstehung des Patschkauer Gaswerks

Die Popularisierung der Gasgeräte brachte die britischen, französischen und deutschen kontinentalen Gesellschaften zur Gründung von Stadtgaswerken und Gasvertriebsunternehmen. Je nach der historischen Zugehörigkeit der Regionen wurden Gaswerke in größeren und kleineren Städten gegründet.

Paczków/Patschkau war in den Jahren 1898-1901, also als das Gaswerk gebaut wurde, Teil des Deutschen Reichs. Das Land legte großen Wert auf den Bau solcher Objekte, weil in den Gaswerken anfangs Gas nicht für das soziale Leben produziert wurde, also zum Kochen oder Wassererhitzen, sondern vor allem zum Erleuchten der Straßen. „Der Initiator des Baus des Gaswerkes in Paczków/Patschkau war der damalige Bürgermeister Bergmann. Sein Hauptziel war es den Stadtbewohnern ein gutes Mittel der Straßenbeleuchtung sicherzustellen, den sicheren Verkehr auf den Straßen zu garantieren und Möglichkeiten der Entwicklung der Industrie, die sich hier befand, dank der Beleuchtung von  Produktionshallen, zu schaffen. Erwähnenswert ist, dass Petroleumlampen in dieser Zeit keine beliebte Lichtquelle waren, ähnlich wie Öllampen. Hingegen war die Beleuchtung mit Talgkerzen sehr gefährlich“, erzählte Kalfas.

Am 31. Dezember 1901 eröffnete der Bürgermeister Bergmann das neue Gaswerk. Man schätzt, dass die Baukosten ganze 90 Tsd. Deutsche Mark betrugen. In den 30er Jahren wurde das Gas in 85% der naheliegenden Haushalte geleitet. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Gaswerk Teil der Stadtwerke. In den Jahren 1953-1956 leitete Jan Bargiel das Gaswerk, im Jahr 1957 übernahm Tadeusz Stygar die Führung und ab 1969 nahm Adam Król die Stelle ein. Er war es, der zur Entstehung des Museums der Gasindustrie in Paczków/Patschkau beigetragen hat.  

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Wie das Gaswerk zum Freilichtmuseum wurde 

Die Entstehungsgeschichte beginnt im Jahr 1977, als Adam Król auf eigenen Antrag beim Treffen mit der Direktion der Oppelner  Gaswerke (poln. Zakład Gazowniczy Opole) die Idee nahe legte, um das geschlossene Gaswerk in ein Freilichtmuseum der Gasgeschichte umzuwandeln. Auf die Entscheidung musste man jedoch sehr lange warten, und zwar bis 1991. Bis zu diesem Jahr wurde nämlich noch Kokereigas aus Zdzieszowice/Deschowitz zum Patschkauer Gaswerk zugeführt. Es war ein Objekt, das im Wirtschaftssystem geschaffen wurde, das heißt, dass Renovierungen und kleinere Arbeiten durch die Gaswerkangestellten aus Paczków/Patschkau und dem ganzen Oppelner Land durchgeführt werden mussten.

„Für das Museum in Paczków/Patschkau sprach auch die Tatsache, dass das alte Gaswerk eins der am besten erhaltenen Objekte dieser Art zusammen mit der Gaserzeugungs-, Gaslagerung- und Gasreinigungsinfrastruktur in der damaligen Zeit, also in den 70er Jahren war. Darüberhinaus wollte sich Paczków/Patschkau mit den Verteidigungsmauern und der St. Johannes – Evangelist – Kirche als eine Touristenstadt positionieren. Dies sollte auch durch dieses postindustriale Erbe, also das alte Gaswerk als Zeichen der  Gaserzeugungsgeschichte nach klassischer Art aus Steinkohle, untermauert werden“, kommentierte Kalfas. 

In den Jahren 2005-2007 wurde das Museum grundlegend modernisiert. Für das Projekt ist Marek Mikulski, ein bekannter Künstler, Grafiker und der Mitinitiator des Grafikprojektes für das Museum des Warschauer Aufstandes, verantwortlich.


Foto z.V.g. von Muzeum Gazownictwa

Ausstellungsstücke

Das Museum in Paczków/Patschkau ist ein Unikat in ganz Europa, weil ganzheitlich die Gasproduktionsstraße erhalten wurde, also die Öfen, Wäscher, Entschwefler und ein Gastank. In Polen und ganz Europa trifft man einzelne Geräte, doch nie alle zusammen. „Die Hauptattraktion, mit welcher wir uns am meisten rühmen, ist eine beeindruckende Kollektion an Gaszählern, die ganze 800 Exemplare umfasst. Wir sammeln stets Objekte, die immer noch in Häusern genutzt werden, also Öfen oder Industrieanlagen, die Gas nutzten. Interessant ist auf jeden Fall ein Gaskühlschrank. Wir haben zwei Absorberkühlschränke, die Ammoniak als Kühlungsmittel nutzen. Andere interessante Ausstellungsstücke sind unter anderem eine Gas-Wäschemangel, Gas betriebene Bügeleisen, Kaffeeröster, also Geräte, die man heute nicht mit Gas in Verbindung bringt, sondern eher mit Strom. Vor der Elektrizität haben Menschen jedoch hauptsächlich Gas als Energieversorgungsquelle genutzt“, erklärte Kalfas. Die Aufmerksamkeit ziehen auch Objekte auf sich, die einst zur Erwärmung von Räumen gedient haben, wie Badheizkörper, Gusseisenabgüsse, Heizkörper oder Gasstrahler, die mit der Geschichte der Stadt verbunden sind, weil sie von der Unserer-Lieben-Frau-von-der-immerwährenden-Hilfe-Kirche kommen. Interessant ist, dass sie die Kirche von 1902 bis zum letzten Winter beheizt haben und ganze 124 Jahre alt sind. Das älteste Exponat des  Museums ist ein Gaszähler aus dem Jahr 1876.

Spaß und Lehre

Das Museum besitzt auch ein rubenssches Flammenrohr – ein Gerät, dass in Zusammenarbeit mit der AGH Wissenschaftlich-Technischen Universität im Labor für Technische Akustik entstanden ist. Das Flammenrohr besteht aus drei perforierten Rohren, die mit Gas unter gleichbleibendem Druck gefüllt sind, was nach dem Anzünden der Gasflamme dazu führt, dass sie sich in charakteristische Wellen formen. Dank der Änderung der Frequenz von tiefen und hohen Tönen, kann man das wissenschaftliche Phänomen der stehenden Welle beobachten. „Wir sind fähig unseren Besuchern zu zeigen, wie die Interpretation von Klängen und Melodien mithilfe von Gasflammen stattfindet. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt haben wir vier solcher Präsentationen, darunter mit klassischer Musik und Popmusik“, berichtete Kalfas.

Eine interessante Attraktion des Museums ist auch das Brettspiel „Oil City – galizisches Schwarzgold fieber“ (poln. „Oil City – galicyjska gorączka czarnego złota“). Die Spieler lernen die Geschichte der Erdöl- und Gasindustrie im Gebiet des ehemaligen Galiziens kennen und erfahren vieles, unter anderem über Ignacy Łukasiewicz. „Die Spieler haben die Möglichkeit, ein eigenes Erdölbergwerk zu führen, versuchen mit anderen Gesellschaften zu kooperieren, weil die Personen, die im Rohrmaterialabbau, wie Gas, Wachs oder Erdöl tätig sind, Gesellschaften bilden. Die Teilnehmer müssen selbst entscheiden, ob sie eine Abbauinfrastruktur kaufen oder die Löhne erhöhen, was zukünftige Streiks oder Ausfälle verhindern kann. Ich möchte auch hinzufügen, dass wir unser eigenes Spiel kreiert haben, das jedoch nur mit einem Exemplar herausgebracht wurde. Man wird es im Museum der Gasindustrie in Paczków/Patschkau spielen können. Sein Titel lautet „Gas Age – die Gasepoche“ (poln.„Gas Age – epoka gazu“). Die Spieler werden versuchen ein Gaswerk, wie dieses in Paczków/Patschkau, zu leiten und ihre eigenen Fähigkeiten mit anderen zu konfrontieren, die ein Gaswerk beispielsweise in Wrocław/Breslau bekommen“, erklärt Kalfas.

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Wieso ist das Museum einen Besuch wert?

Das Museum der Gasindustrie besuchen jährlich ungefähr 10 Tsd. Personen. Ein großer Vorteil der Anlage ist die Möglichkeit einer Übernachtung (10 Übernachtungsplätze) für einen sehr niedrigen Preis mit einer großen Sanitäranlage, einer Klimaanlage und Internetanschluss. Das Museum verfügt über einen modernen Konferenzraum, wo verschiedene Schulungen oder Symposien stattfinden können. An dem Ort kann man des Weiteren auch Konzerte oder andere Spektakel veranstalten. Das Museum für Gasindustrie nimmt auch an den European Heritage Days, die Jahr für Jahr im September stattfinden, teil, wie auch an der Langen Nacht der Museen, die den besuchern immer verschiedene Attraktionen für die Seele und Körper garantieren. „Das Museum der Gasindustrie in Paczków/Patschkau ist eine eigentümliche Zeitmaschine. Beim Anschauen der Ausstellungsstücke kann man sich in jeder Sekunde in die Zeiten der Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert zurückversetzen und gleich wieder in die Gegenwart zurückkehren. Die Expositionen, die wir hier haben, beinhalten viele Ausstellungsstücke, die man heute nicht mehr im Alltagsleben antreffen kann. Sie erzählen über die gemeinsame Geschichte, alte und gegenwärtige Nachbarn und zeigen uns, wie sich die Technologie mit der Zeit verändert hat. Dank dessen wird uns bewusst, dass das, was grau war, nicht das Schlechteste war und in manchen Fällen ist es sogar viel besser, als das, was wir heute in einer schönen Verpackung bekommen. Es ist ein Unikat in ganz Europa. Es ist eine Rückkehr zu den Wurzeln der klassischen Gasindustrie von A bis Z. Das Museum der Gasindustrie in Paczków/Patschkau ist ein Ort auf der touristischen Karte des Oppelner Landes, den man auf jeden Fall besuchen sollte“, fügte Kalfas abschließend hinzu. 

 

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