Die wenigsten erinnern sich daran, dass in Zeiten, wo es noch keine Autos gab, Menschen mithilfe von Pferdekutschen reisen mussten. Die Fahrzeuge hatten nicht nur eine Beförderungsfunktion, sondern man hat sie auch in der Landwirtschaft und beim Militär eingesetzt. Wie war es früher? Dank dem Museum in Galowice/Gallowitz müssen wir nicht groß überlegen. In der Nähe von Wrocław/Breslau kann man die Kutschen nicht nur bewundern, aber sich auch in die Atmosphäre der damaligen Zeit hineinversetzen.
Nur ein Pferd und ein Wagen waren einst nötig, um auf dem Feld zu arbeiten und einen Pflug zu ziehen oder um sich auf eine Reise zu begeben. Leider ist die Blütezeit dieser Fahrzeuge vorbeigegangen. Schuld daran war der technische Fortschritt. Heute findet man keine Bauern, die mit einem Pferd auf dem Feld arbeiten oder eine Familie, die mit einer Britschka reist. Jeder, der sich auf eine sentimentale Reise in die Vergangenheit begeben möchte, sollte den Laptop zur Seite legen, ins Auto steigen und sich nach Galowice/Gallowitz in der Woiwodschaft Niederschlesien begeben. Dort kann man verschiedene Arten von Pferdefuhrwerken sehen. Die beeindruckende Sammlung, die zur Gründung des Museums führte, ist das Lebenswerk von Dr. Tadeusz Kołacz. ”Ich sammle seit 42 Jahren Pferdekutschen, was zu der Gründung des Museums führte. Ein großer Wert wird hier vor allem auf die Bildung gelegt. In meinem Hobby bin ich besser als in ausgeübten Berufen. Das bestätigt auch die Tatsache, dass ich ein Sachverständiger im Ministerium für Kultur und Nationales Erbe im Bereich der antiken Pferdekutschen und Richter beim traditionellen Fahrsport bin”, erzählt der Eigentümer.
Das Museum befindet sich in Galowice/Gallowitz in einem historischen Fachwerkspeicher. Bei der Suche nach einem geeigneten Ort hat der Besitzer des Museums Tadeusz Kołacz keine Zeit und Mühen gescheut. Schließlich ist er auf den Speicher in Galowice/Gallowitz gestoßen. Später hat er ihn dem Staat abgekauft. Kołacz hat es aber dabei nicht belassen und in den nächsten Jahren kamen weitere Gebäude und Landflächen in seinen Besitz.
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Anfangs war es die Faszination
Woher kommt diese Leidenschaft des Eigentümers zu den Pferdekutschen? ”Ich hatte immer einen großen Respekt für die Arbeit der Handwerker. Als Junge fuhr ich mit einer Kutsche und im frühen Erwachsenenleben, als ich ein wunderschönes Fahrzeug sah, das in Büschen verrottete, kaufte ich es. So fing alles an”, erläutert Tadeusz Kołacz. Dank seiner Leidenschaft entstand ein interessantes und einzigartiges Museum, denn alle Wagen stammen aus der Sammlung des Gründers.
Eins der Fahrzeuge liegt dem Eigentümer besonders am Herzen – es handelt sich um das erste Ausstellungsstück des Sammlers – den Milord der Firma Schusta. Neben diesem Prachtstück kann man noch ca. 60 Schlitten, Kutschen und Britschkas der Mittelklasse aus dem späten 17., 18. und frühen 20. Jahrhundert bewundern. Die ersten Exponate wurden noch an der Wende der Siebzigerjahre und Achtzigerjahre des 20. Jahrhunderts gekauft. Bevor die Besucher Sie bewundern konnten, ist viel Zeit vergangen, denn das Kutschenmuseum wurde erst 2011 ins Leben gerufen.
Tadeusz Kołacz will es bei den 60 Fahrzeugen nicht belassen und vergrößert ständig die Kollektion. Die Pferdekutschen werden auf Auktionen auf der ganzen Welt gekauft. Doch damit sie ins Museum kommen, müssen sie einige Voraussetzungen erfüllen. Welche? ”Es muss immer die höchste Handwerkskunst sein. Wir suchen solche Arten von Fahrzeugen, die wir noch nicht in unserer Sammlung haben. Es ist dann immer eine Neuigkeit für die Museumsbesucher. Man darf nicht vergessen, dass die Kutsche im Originalzustand und bezahlbar sein muss, damit wir sie auch kaufen können”, erklärt im Gespräch mit PolenJournal.de die Direktorin des Museums Iwona Rosiak. Was genau “Originalzustand” bedeutet und wie und woraus die Britschkas produziert werden, kann man bei der Besichtigung erfahren.
Foto: ZVG. Museum Galowice/Gallowitz
Eine Reise in die Vergangenheit
Bewundert man die Kutschen, so kommen verschiedene Fragen über ihre Vergangenheit in den Kopf. Wer damit und wohin gereist ist, oder wann sie gebaut wurde – das sind nur einige der zahlreichen Fragezeichen. Doch die Antworten darauf bleiben wohl für immer ein Geheimnis. Wieso? “Leider habe ich die meisten Wagen von Händlern gekauft, die sich für die Geschichte nicht interessierten. Am Ende des Zweiten Weltkrieges wurde alles, was zwei oder vier Räder hatte von dem deutschen oder russischen Militär oder von Aussiedlern mitgenommen. Sobald das Fahrzeug kaputt ging, wurde es einfach liegen gelassen, somit kannten die Nachkriegsbesitzer deren Geschichte auch nicht. Am besten kenne ich die Geschichten der Kutschen aus der Schweiz”; sagt Kołacz.
Bei der Besichtigung der wunderschönen Kollektion kam wahrscheinlich der eine oder andere auf die Idee, mit so einer Droschke zu fahren. Zwar ist dies in dem Museum in Galowice/Gallowitz nicht möglich, aber es gibt eine Britschka, die zur Verfügung der Besucher steht. Jeder darf auf sie steigen, um ein Erinnerungsfoto fürs Album oder Instagram zu machen.
Jedes Fahrzeug, das sich im Museum befindet, hat eine eigene Museumskarte, ein Bild und ist katalogisiert. Daher gibt es keine Möglichkeit, sie für eine Fahrt zu leihen, obwohl ihr technischer Zustand das ermöglicht. Man hat fast den Eindruck, als ob die Kutschen gerade eben eine Fabrik verlassen hätten. Das liegt daran, dass die Exponate der Kollektion Originale sind, die zum ursprünglichen Zustand wiederhergestellt wurden, also solchem, in dem sie gebaut worden sind. Das alles findet natürlich unter dem wachsamen Auge von Tadeusz Kołacz statt, der der Beauftragte für erhaltende Renovierung ist. Das alles führt dazu, dass die Fahrzeuge sich sofort auf eine Reise begeben könnten. Der Sammler ist sich jedoch sicher, dass das keine so gute Idee wäre. ”Bei der dramatischen Respektlosigkeit gegenüber den Verkehrsvorschriften, verbunden mit einer niedrigen Fahrkultur der Polen auf der Straße, wäre das ein reiner Wahnsinn”, gibt Kołacz zu.
Foto: ZVG. Museum Galowice/Gallowitz
Wo eine Kutsche ist, ist auch ein Pferd und ein Schmied
Ein Pferd ist ein untrennbarer Teil von Schlittenfahrzeugen. Ohne es rührt sich keine Kutsche vom Platz. Im Museum kann man nicht nur etwas über die Geschichte der Pferde und ihrer Rolle in der Entwicklung der Zivilisation erfahren, denn dort warten auf die Gäste auch spannende Geschichten über die Entwicklung des Pferdetransports und die Bräuche, die mit der Verwendung von Pferdekutschen zusammenhängen. Früher hat man aber nicht nur ein Tier gebraucht, sondern auch einen Schmied. Seine Aufgabe war es, dafür zu sorgen, dass das Pferd richtig beschlagen war, damit es leistungsfähig und fahrbereit ist. Zwar findet man im Museum weder ein lebendiges Pferd, noch einen Schmied, dafür aber befindet sich hier die Werkstatt von einem Schmied, in der man ganz genau sein Werkzeug bewundern kann. Ein Schmied war auch für die Herstellung aller Metallelemente der Pferdefahrzeuge und die Beschlagung der Holzräder verantwortlich. In der Abteilung, die den Handwerkern gewidmet ist, die an der Herstellung und Reparatur von Schlittenfahrzeugen beteiligt waren, gibt es auch eine Sattlerund Stellmacher-Werkstatt. Es gibt aber auch eine Ecke, die besonders den Frauen gefallen wird. Hier wird die Kleidung gezeigt, die damals für die Fahrten mit Kutschen angezogen wurde. Außer einiger Originale befindet sich hier eine Replika eines Reisekleides.
Im Museum kann man auch eine bedeutende Sammlung militärischer Pferdereihen aus ganzer Welt (von Japan, durch Russland, bis zur USA) und ein paar historische Kandare, Janitscharen und Reiseausstattung bewundern. Eine separate Abteilung im Museum sind die Pferdeschlitten, die jedoch Ende Dezember verschwindet, damit der Weihnachtsmann Geschenke verteilen kann. Deswegen ist die Einrichtung ab Mitte Dezember bis Ende Februar für einzelne Gäste geschlossen.
Das Museum organisiert auch verschiedene Workshops, die in das Bildungsprogramm eingetragen sind. Das sind u.a. Kunst-, Mal-, Kräuter- und Literaturworkshops, bei denen jeder teilnehmen darf. ”Das Museum hat ein umfangreiches Kulturangebot und ab und zu finden hier auch Kulturevents an Sonntagen statt. Dann darf natürlich jeder bei den Workshops, die in das Programm des Ereignisses einbezogen sind, mitmachen. Meistens begleiten jedoch die Workshops den Unterricht im Museum, an dem Schüler aus Breslau/Wrocław und Umgebung teilnehmen“, informiert Iwona Rosiak.
Foto: ZVG. Museum Galowice/Gallowitz
Die Besichtigung
Die Besichtigung findet in Gruppen mit einem Museumsführer statt. Es sind Kunsthistoriker, Kulturwissenschaftler und Ethnographen, die die Gäste durchs Museum führen, über Kutschen erzählen und die Besucher mit ihrer Leidenschaft anstecken. Natürlich gibt es auch Museumsführer für Ausländer, die Italienisch, Französisch, Englisch und Russisch sprechen können. Für Gäste aus Deutschland gibt es eine spezielle Besichtigungskarte auf Deutsch. Diese Karte bekommen Besucher sofort beim Eintritt. Es besteht auch die Möglichkeit, einen deutschsprachigen Museumsführer extra zu buchen. Auf dem Gelände gibt es auch ein Café, das Getränke, regionale Kuchen und einfache Gerichte serviert.
Das Museum ist außerdem Mitveranstalter internationaler traditioneller Fahrwettbewerbe (u.a. CIAT Koszęcin), Tagen des alten Handwerks, Konzerten, Aufführungen, Kunstausstellungen und Jahrmärkten, die sehr beliebt sind. Familien mit Kindern und ältere Personen zeigen das meiste Interesse an den alten Fahrzeugen. Das Reiten auf Ponys ist hingegen eine Attraktion für Kinder, die wahrscheinlich lange in ihrer Erinnerung bleibt.
Das Museum in Galowice/Gallowitz ist der ideale Ort um historische Fahrzeuge, die viele Jahre Bauern, der Armee und sogar Familien dienten, zu entdecken. Hier kann man sich auf eine sentimentale Zeitreise begeben. Vielleicht wird man sogar mit einer neuen Leidenschaft angesteckt.