Profitieren könnten vor allem Industrieunternehmen und Touristiker
Rund 250 Praktikanten aus dem polnischen Bundesland Oppeln waren in den letzten zwei Jahren in weststeirischen Unternehmen tätig. Eine Abordnung aus der Region ist nun nach Oppeln gereist – unterstützt vom Internationalisierungscenter und Land Steiermark sowie der Wirtschaftskammer – um dort den vorläufigen Abschluss dieses Projekts zu feiern. Hintergrund ist ein europaweites Projekt, bei dem Berufsschüler Praktika in anderen Ländern absolvieren. 1.200 Schüler nahmen daran teil, 250 davon waren allein in der Weststeiermark zu Gast.
Reger Austausch der Wirtschaft
Seit 18 Jahren besteht hier ein reger Austausch mit Oppeln, den der Voitsberger Ex-WKO-Chef Erich Bramauer initiierte. Im Vorjahr hatte Bramauer bereits eine bilaterale Bildungskonferenz mit Gästen aus Oppeln in Voitsberg organisiert. Beim jetzigen Gegenbesuch erhielten jene Unternehmen, die Praktikanten beschäftigt haben, Ehrenurkunden – darunter Josef Hütter vom Lagerhaus, Wolfgang Unglert von Holz-Her, Hannes Fuchshofer vom gleichnamigen Präzisionstechnik-Unternehmen oder Manfred Kainz von TCM International.
Beim Empfangsessen am ersten Abend der Reise äußerte sich auch der Marschall-Stellvertreter der Wojwodschaft lobend über den guten Austausch: „Die bisherigen Beziehungen lassen auch für die Zukunft viel hoffen.“ Die Bedeutung von Beziehungen in der Praxis betonte auch der österreichische Botschafter in Warschau, Thomas Buchsbaum, der zu diesem Anlass nach Oppeln gereist war: Der Besuch sei eine gute Möglichkeit, Kontakte zu knüpfen, und zwar „B2B und von Verbänden zu Verbänden.“
Delegationsleiter Manfred Kainz sah in der Kooperation besonders mit der Steiermark gute Chancen, künftig gemeinsame Projekte umzusetzen: „Da Oppeln in etwa so groß wie die Steiermark ist, können wir auf Augenhöhe die Möglichkeiten für geschäftliche Verbindungen ausloten“, so Delegationsleiter Manfred Kainz. „Wir Weststeirer haben in unserem Netzwerk die Landwirtschaft mit dem Tourismus und der Wirtschaft, verbunden mit dem starken Bildungsstandort Steiermark. Dadurch haben wir Möglichkeiten aufgetan, die sich tatsächlich umsetzen lassen. Das ist in dieser Art und Weise einzigartig.“
Das „China der EU“
Bei mehreren Betriebsbesuchen und einem geführten Rundgang durch die Oppelner Technische Universität konnten sich die Teilnehmer selbst von Technik und Industrie in der südwestlichen Woiwodschaft überzeugen. Im Kfz-Labor wird unter anderem an alternativen Antrieben im Bereich Elektromobilität und Hybridantriebe geforscht. Ein erstes Hybrid-Fahrzeug wurde hier bereits 2002 gebaut und getestet. Einen weiteren Schwerpunkt bildet die Lebensmitteltechnik.
Generell liegen die Stärken der Oppelner TU in den Bereichen Umweltengineering, Automotive, Mechatronik und Bauwesen. Als „China of the EU“ bezeichnet der Guide der Führung sein Heimatland Polen – weil die Produktionskosten noch relativ niedrig seien.
Chancen: Industrie, Umwelt, Energie, Fachkräfte
Großes Interesse herrschte bei den Reiseteilnehmern aus Österreich an Produkten im Automotive-, Umwelt- und Energiebereich. „Unsere Unternehmen könnten etwa mit Vertriebsniederlassungen von Oppeln aus den polnischen Markt bearbeiten“, so Initiator Erich Bramauer. „Hier gibt es viele Fachkräfte mit guten Deutschkenntnissen.“ Auf der anderen Seite herrsche in der Steiermark in einigen Bereichen bereits akuter Fachkräftemangel, etwa bei CNC-Technikern oder Mechatronikern.
Einen Vorteil bietet dabei die Tatsache, dass Österreich und Polen bereits jetzt gute Handelspartner sind. Österreich ist der drittgrößte Markt für Polen unter den neuen Beitrittsländern und erst 2014 wurde ein neuer Rekord bei den Lieferungen von Österreich nach Polen erreicht. Das erläuterte der österreichische Handelsdelegierte in Polen, Karl Schmidt. Rund 600 Firmen haben demnach bereits österreichische Eigentümer. Der jüngste polnische „Export“ ist die Schuhhandelskette CCC, die zuletzt mehrere Filialen in Österreich eröffnete.
Den Ausbau des Wirtschaftsstandortes Oppeln betonte denn auch Roland Wrzeciono vom Wirtschaftsförderungszentrum Oppeln (vergleichbar mit der WKO). Mit der Nähe zu Berlin, Warschau und Wien sei Oppeln ideal gelegen; Autobahnen, Flughafen, das zweitdichteste Eisenbahnnetz Polens sowie Wasserwege böten eine gute Erreichbarkeit. Mit der Strategie „Oppeln 2020“ sollen bis dahin 160 Millionen Euro für die Unternehmen der Region erwirtschaftet werden. Ein neues Gewerbegebiet mit 350 Hektar steht kurz vor der Bewirtschaftung.
Die Eckdaten der Wojwodschaft können sich sehen lassen: 9 Millionen Konsumenten im Umkreis von 150km, 9 Hochschulen, 3 Forschungsinstitute und 97.500 Firmen. Nur rund 6 Prozent beschäftigen allerdings derzeit mehr als 9 Mitarbeiter. Ein Drittel der Bevölkerung ist zwischen 19 und 30 Jahre alt. Die zentralen Branchen sind die Lebensmittelindustrie (mit Standorten u.a. von Nestlé, Mondelez, Zott, Danone, Goodmills, Südzucker,…), Chemie (u.a. GCP, Borsod, Bioagra, Brenntag, Arcelor,…), Metallverarbeitung und Maschinenbau (u.a. Magna, Polaris, Johnson Controls, Brökelmann Aluminium,…) sowie die Bauwirtschaft (u.a. Wienerberger, Lafarge, Velux,…). Steuerbegünstigungen, z.B. in Sonderwirtschaftszonen, sind laut Wrzeciono langfristig (bis 2026) abgesichert.
Die Südweststeiermark präsentiert sich
Auch Tourismusvertreter aus der Region, darunter Thomas Brandner vom Tourismuskompetenzzentrum und Birgit Haring vom Regionalmanagement Südweststeiermark, begleiteten die Delegation und stellten die schönsten Seiten der Region vor. Besonders gut kamen bei den polnischen Gastgebern die mitgebrachten steirischen Schmankerln vom Käse bis zum Wein an.
So präsentierte unter anderem die Destillerie und Brennerei Jöbstl aus Schwanberg ihren einzigartigen „Cigar“-Brand. Die international geschützte Marke ist eine Entwicklung aus dem Hause Jöbstl und wird aus eigens designten Flaschen mit mundgeblasenen Pipetten stilecht ausgeschenkt. Die Gelegenheit, diese Besonderheit zu verkosten, ließen sich beim Empfang die polnischen Gastgeber, aber auch die Österreicher nicht entgehen.
Karl Strauss vom Gamlitzer Weingut Strauss sorgte indes für die passende Weinfolge zum Menü des Abends sowie zur Schmankerljause am nächsten Tag. Dort stellte sich auch die Familie Jöbstl mit ihrem Sekt als Aperitif ein. Die Hofkäserei Deutschmann präsentierte mit einer Auswahl aus Käse und Aufstrichen die Vielfalt der steirischen Schmankerl. Auch die Neugier auf die polnischen Spezialitäten kam jedoch nicht zu kurz – dafür sorgten die sehr freundlichen Gastgeber.
Besuch beim „Schwester-Gestüt“
Während die „Industriewirtschafter“ unter anderem das Fertigungsunternehmen Nestro, ein Gründerzentrum und das Möbelkollektiv „Dobroteka“ besuchten, begab sich ein Teil der Reisegruppe auf andere Pfade: Die Landwirtschaftsgruppe besuchte das Gestüt „Stadnina Koni Moszna“ in Zielina. Das dortige (staatliche) Schloss wird derzeit zu einem Hotel umgebaut. Die umliegende Landwirtschaft sowie das Gestüt mit gesamt ca. 1.600 Hektar und 55 Mitarbeitern soll sich gemeinsam mit dem Schloss künftig zu einem touristischen Anziehungspunkt entwickeln.
Das Gestüt zählt derzeit 180 Pferde, wobei 80 in Eigenbesitz sind. Anbieten würde sich hier eine Kooperation mit dem Lipizzanergestüt in Piber. Die Beteiligten hoffen nun, fürs Erste einen Besuch des polnischen Gestüts in der Weststeiermark auf die Beine zu stellen.
In der Landwirtschaft fiel vor allem auf, dass mit anderen Rahmenbedingungen gearbeitet werden muss. Ein landwirtschaftliches Unternehmen darf maximal 500 Hektar im Eigentum besitzen, der Großteil der Fläche (1.100 Hektar) des Betriebs ist daher gepachtet. Angebaut werden Raps, Hafer, Mais, Weizen und Gerste, außerdem besteht eine Milchwirtschaft mit 600 Milchkühen. Pro Jahr und Kuh werden rund 7.500 Liter Milch produziert. Da kaum noch Melker verfügbar sind – auch nicht mehr aus der Ukraine – werden noch heuer vollautomatische Melkroboter installiert.
Chancen: Reisen, Kulinarisches, Bildung
Viele Ideen, die erst in die Praxis finden müssen, sind bei diesem Besuch entstanden – die erste fixe Kooperation ist aber bereits in Umsetzung: Die Leiterin der Österreichischen Bibliothek in Opele wird die Steiermark besuchen, um die Möglichkeiten für gemeinsam organisierte Veranstaltungen auszuloten. Ermöglicht hat die Reiseeinladung das Tourismuskompetenzzentrum mit Thomas Brandner.
Die Chancen für solche touristischen Kooperationen schätzt auch Initiator Erich Bramauer hoch ein: „Es gibt in Polen eine sehr reisefreudige Mittelschicht. Ihre Lieblingsziele sind Italien und Kroatien – wir liegen für die Reisenden auf dem Weg, wodurch sich ein Kurzurlaub ideal anbietet.“ Sehr gute Möglichkeiten gebe es vor allem im Kultur-, Kulinarik- und Geschäftstourismus. „Im Lebensmittelbereich haben wir mit unseren Weinen, Edelbränden Kernöl und Bio-Käse gute Chance“, so Bramauer weiter.
Im Wirtschaftsforum fand ein ganz neuer – und zugleich einer der ältesten –Tourismuszweige Erwähnung: spiritueller Tourismus, etwa zu Wallfahrtsstätten oder Fastenreisen. Gerade in Polen herrsche ein besonders großes Interesse an Religion, hieß es.
Auch in Bildungsprojekten sowie in der Regionalentwicklung ist eine weitere Zusammenarbeit zwischen der Steiermark und Oppeln vorgesehen. Einen vorläufigen Abschluss fand das aktuelle Projekt, bei dem 1.200 Schüler von 50 berufsbildenden Schulen Praktika im europäischen Ausland absolvierten, bei der Bildungskonferenz mit abschließender Gala. Neben den Praktika und begleitenden Erfahrungen – wie etwa Messebesuchen – ging aus dem Projekt auch eine Absichtserklärung aller Leiter der berufsbildenden Schulen in Oppeln hervor. Die Regierung des Bundeslandes will außerdem die Laufzeit des Projektes noch um einige Monate verlängern. Weiters war man im Lauf des Projektes in die Reform des Bildungsgesetzes eingebunden.
Positives Fazit
Das Projekt selbst sehen die Verantwortlichen sehr positiv: „Wir haben Betriebe ausgesucht, die auf die Spezifikation der Schüler ausgerichtet sind. Ich glaube, das ist uns gut gelungen“, sprach Erich Bramauer etwa für die Umsetzung in der Weststeiermark. „Ich bin neugierig, was als nächstes kommt – ich bin mir sicher, es wird wieder eine gute Sache.“
Eine besondere Überraschung hielten die Gastgeber für die Österreicher bei der abschließenden Gala parat: Unter Steiermark-Herz und österreichischer Flagge führte ein Kinderchor in Oppelner Tracht polnische Volkslieder auf. Die Einstimmung auf die Rockkonzerte besorgten schließlich noch zwei engagierte Cheerleader-Trupps. Alle teilnehmenden Unternehmer erhielten im Rahmen der Gala eine Urkunde, bevor lokale Bands mit Konzerten vor 2000 Zuschauern in der Freiluftarena der Landeshauptstadt zum Jubeln brachten.
Zusammenfassung der Folgeergebnisse
TU Oppeln will AVL sowie den Autocluster Styria besuchen
Ein Jetflyer der Stainzer Firma E-Volution für das Oppelner TU-Labor, möglicherweise mit Sponsoring von TCM
Vertreter des Gestüts Moszna wollen Piber besuchen
Leiterin der österreichischen Bibliothek in Oppeln wird die Süd- und Weststeiermark sowie Graz besuchen, um Chancen für Tourismus und Kultur auszuloten.