Es gibt einige Dinge, um die Polen Deutschland beneiden kann. Aber nicht, wenn es um Züge geht. Die europäische Rangliste zeigt, dass Italien die Nummer eins ist, und auch die Tschechen sind ein Vorbild. Bei den drei wichtigsten Bewertungskriterien, den Fahrpreisen und der Pünktlichkeit, liegt die polnische Bahn PKP vor der Deutschen Bahn. Das Unternehmen hat jedoch zwei große Schwächen, unter anderem bei der Buchungspolitik.
Die europäische Organisation T&E (Transport and Energy) hat eine Rangliste von 27 Bahnbetreibern aus 21 Ländern des alten Kontinents veröffentlicht. Die Experten, die sich für einen sauberen Verkehr und grüne Energie einsetzen, stellen in der Zusammenfassung ihrer Studie fest, dass „die Bahnbetreiber keinen zufriedenstellenden Service bieten“. Es zeigt sich jedoch, dass es große Unterschiede in der Bewertung der acht Komponenten für die einzelnen Eisenbahnunternehmen gibt. Diese sind:
- Fahrpreise (25% der Gesamtbewertung)
- Sondertarife und Ermäßigungen (15%)
- Zuverlässigkeit/Pünktlichkeit (15%)
- Buchungserfahrung (15%)
- Entschädigungspolitik (10%)
- Erfahrungen der Reisenden (10%)
- Entwicklung von Nachtzügen (5%)
- Fahrradpolitik (5%)
Das Ranking – so schnitt die polnische Bahn ab
Die Nummer eins im Ranking der europäischen Bahnbetreiber ist die italienische Trenitalia. Dahinter folgen die Schweizer SBB und das tschechische Unternehmen Regiojet, die beide die gleiche Punktzahl erreichten. Bemerkenswert ist, dass ein weiterer Vertreter des südlichen Nachbarn in den Top Ten zu finden ist – an sechster Stelle steht CD (Ceske drahy, oder Tschechische Bahnen).
Die Polnischen Staatsbahnen (PKP) liegen im Mittelfeld auf Platz 13, obwohl der Betreiber die gleiche Bewertung wie der 11. platzierte rumänische Anbieter sowie ein Vertreter der belgischen und slowakischen Bahn erhielt.
Das Schlusslicht der Rangliste bildet Eurostar (ein britisch-französisches Unternehmen), das auf den Strecken zwischen dem Vereinigten Königreich, Frankreich, Belgien, den Niederlanden und Deutschland fährt.
Das berüchtigte Podium der schlechtesten Verkehrsunternehmen wird von den Vertretern Griechenlands und Frankreichs (Ouigo) und Schwedens (Snalltaget) komplettiert – beide mit der gleichen Punktzahl.
Stark vertreten sind die Betreiber der großen europäischen Länder wie Italien und Spanien sowie die SNCF aus Frankreich. Im Gegensatz dazu sind das Vereinigte Königreich und Deutschland nur sehr schwach vertreten.
Die Legende der Deutschen Bahn liegt in Trümmern?
Für die meisten Bewohner Polens klingen die Namen der meisten ausländischen Bahnbetreiber fremd. Eine Ausnahme bildet die Deutsche Bahn, die man mit deutschem Luxus und Pünktlichkeit assoziiert. Dies ist jedoch ein Mythos. Es stellt sich heraus, dass sie in der von T&E erstellten Rangliste schlechter abschneidet als die inländische PKP.
Die deutschen Autobahnen, von denen die Polen jahrzehntelang so begeistert waren, sind inzwischen verschlissen und können in vielen Abschnitten einige Bauarbeiten vertragen. Ähnlich verhält es sich bei der Bahn.
„Ich habe einmal einer deutschen Bekannten von meiner Reise auf der Strecke Berlin-Bonn erzählt. Der Zug hatte um die 130 Minuten Verspätung. Ich sagte, dass ich als langjähriger PKP-Kunde keine hohen Erwartungen an die Pünktlichkeit habe, aber ich war trotzdem überrascht. Ich dachte, die Deutsche Bahn läuft wie ein Schweizer Uhrwerk. Meine Bekannte brach in Gelächter aus. Sie reist seit Jahren mit der Deutschen Bahn und es ist ihr noch nie passiert, dass sie pünktlich ankam.“ – erzählt der Business Insider-Redakteur Mateusz Madejski.
Vergleich zwischen PKP und Deutscher Bahn
Die Studie der T&E-Experten zeigt, dass die PKP die Deutsche Bahn bei den drei wichtigsten Bewertungskriterien in Bezug auf Preise und Pünktlichkeit übertrifft. Das polnische Unternehmen erreicht bei den Preisen über 7 Punkte, während das deutsche Unternehmen nur 6,2 Punkte für die Fahrkarten und nur 5 Punkte für den Bereich Ermäßigungen erhält. Die DB schneidet bei der Pünktlichkeit sehr schlecht ab. Sie bekam nur 2,5 Punkte, während die PKP fast doppelt so viel, was aber auch noch viel zu wünschen übrig lässt.
Die PKP wird bei der Entwicklung von Nachtzügen sehr hoch bewertet (8), während es keine Konkurrenz bei der DB gibt (0 Punkte). Es ist anzumerken, dass nicht weniger als 12 Betreiber in dieser Kategorie die niedrigste mögliche Bewertung haben, was unter anderem hoch bewertete Bahnunternehmen auch aus Spanien oder Italien belastet.
„Die früher übliche Art zu reisen hat sich verändert. Die Zahl der Nachtzüge ist stark zurückgegangen, und in einigen Ländern, wie z. B. Spanien, sind sie ganz verschwunden. Dies schränkt die Möglichkeit ein, nachts lange Strecken zu fahren“ – warnt T&E. Die Organisation fordert die nationalen Behörden auf, Anreize zur Förderung dieser Art von Diensten zu schaffen, einschließlich einer Senkung der Fahrpreise, um das Geschäftsmodell der Nachtzüge rentabler zu machen.
Ebenfalls mit 8 Punkten bewerteten die Experten das „Reiseerlebnis“ bei der PKP. Damit meinen sie: Verfügbarkeit von WLAN, Verpflegungsmöglichkeiten, Vorhandensein von Steckdosen und die durchschnittliche Zuggeschwindigkeit. Hier schneidet der deutsche Konkurrent allerdings noch besser ab (Note 8,7). Nur zwei Betreiber haben bessere Noten als die DB. Und zwar der Spitzenreiter der gesamten Rangliste, die italienische Trenitalia (8,9), und die französische SNCF (Höchstnote 10).
Die Deutsche Bahn macht der PKP in den beiden Kategorien, die dem polnischen Unternehmen am meisten Kopfzerbrechen bereiten, mit sehr niedrigen Bewertungen das Leben schwer: Reservierungen und Fahrradpolitik. Die Bewertung von PKP liegt in beiden Kriterien unter 4, während die der Deutschen Bahn bei 9,6 (nahezu ideal) bzw. 6,6 beträgt.
Der deutsche Reiseveranstalter erlaubt beispielsweise Buchungen bis zu 12 Monate im Voraus, verkauft Tickets auch auf anderen Plattformen und bietet viele Möglichkeiten für Änderungen oder Stornierungen. Das sind wichtige Tipps für die PKP, um sich zu verbessern.
Entschädigung für verspätete Züge
Es gibt auch ein Merkmal, das die PKP und die DB bei der Bewertung perfekt gemeinsam haben. Nämlich die Vorgehensweise bei der Entschädigung für verspätete oder ausgefallene Züge. Beide Betreiber werden recht durchschnittlich bewertet (von 5,8). Die hier berücksichtigten Kriterien sind: automatische Entschädigung nach einer Verspätung, Entschädigungspolitik in englischer Sprache und Online-Verfügbarkeit sowie Wartezeit für die Entschädigung und Großzügigkeit.
„Die EU-Verordnung über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr bietet den Fahrgästen einen grundlegenden Schutz. Sie sieht vor, dass Fahrgäste, wenn ein Zug mit mindestens einer Stunde Verspätung an seinem Ziel ankommt und die Ursache der Verspätung dem Eisenbahnunternehmen zuzuschreiben ist, Anspruch auf folgende Entschädigung haben: 25 Prozent des Fahrpreises bei Verspätungen von 60 bis 119 Minuten, 50 Prozent des Fahrpreises bei Verspätungen von mehr als 120 Minuten”, erinnern die T&E-Experten.
Ein Beispiel, dem man folgen sollte, ist das Vereinigte Königreich, dessen Vorschriften für die Fahrgäste noch günstiger sind. Alle Bahnbetreiber sind verpflichtet den Kunden 50% des Fahrpreises zu erstatten, wenn ein Zug zwischen 30 und 59 Minuten Verspätung hat. Den vollen Fahrpreis erstatten sie, wenn die Verspätung mehr als eine Stunde beträgt. Interessanterweise beginnen auch einige britische Betreiber wie Avanti und GWR damit, Fahrgäste bei Verspätungen von mehr als 15 Minuten zu entschädigen.
Quelle: businessinsider