In Polen gibt es nicht so viele Städte, die so malerisch wie Supraśl sind. Die 16 km von Białystok entfernte Ortschaft ist eine der schönsten Ecken Podlachiens und ein Must See für jeden, der den Osten Polens besucht.
Supraśl ist zweifellos eine der schönsten Städte in Polen. In den letzten 200 Jahren hat sie sich von einem 300 Seelenort in eine echte Stadt verwandelt. Das wäre aber ohne die Industriellenfamilien, die in den 30er Jahren des 19. Jh. dorthin gekommen sind, nicht möglich gewesen. Bevor die Industrie das Gesicht des Ortes verändert hat, ist Supraśl ein kleines Städtchen am Rand des Knyszyńska-Urwalds gewesen. Es entstand am Anfang des 16. Jh. als eine Siedlung an einem orthodoxen Kloster. Supraśl, das an der Schnittstelle zwischen der östlichen – orthodoxen und westlichen – lateinischen Welt liegt, ist ein wichtiges religiöses und kulturelles Zentrum seiner Zeit gewesen.
”Die Lage Supraśls im Grenzgebiet Polnischer Krone und Großfürstentums Litauen hat die Kontaktaufnahme, den Meinungsaustausch und die Rolle des Münsters als interkulturelle Brücke gefördert und begünstigt. Jenes Kloster fügte sich ausgezeichnet in die jagiellonische Idee eines Landes ein, dass durch die Personalunion eines Herrschers verbunden ist, in dem sich Polen, Litauer und Ruthenen wie Brüder fühlen” – unterstrich im Interview mit PolenJournal.de der Bürgermeister von Supraśl, Dr. Radosław Dobrowolski.
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Schnittstelle zwischen Ost und West
Die Architektur der Klosteranlage verbindet westliche Einflüsse mit dem östlichen Baustil. Die orthodoxe Kirche Johannes des Evangelisten wurde auf dem Grundriss eines Karrees, mit einer Kuppel, die auf vier Pfeilern ruht, erbaut. Eine Bauweise, die charakteristisch für Kirchbauten im Osten des Kontinents ist. Die Fenster und das Gewölbe des Tempels weisen auf starke Einflüsse der Gotik hin und die späteren Ergänzungen wurden im Barockstil angefertigt. Die Abtei in Supraśl ist 1497 aus der Initiative Aleksander Chodkiewicz‘ entstanden und befand sich am Anfang in Gródek, wovon die Mönche an den jetzigen Ort umgezogen sind und wo sich der Klosterkomplex Mariä Verkündigung befindet.
Durch die Anwesenheit des Klosters hat sich Supraśl durch die Jahrhunderte wirtschaftlich und kulturell entwickelt. Im Laufe der Geschichte hat die Suprasler Lawra zahlreiche Kontakte mit anderen orthodoxen Münstern auf dem Balkan und in den ruthenischen Ländern gepflegt. Sie beherbergte Mönche aus Athos und zählte zu den wichtigsten Zentren des orthodoxen Glaubens in Polen-Litauen. Zu Zeiten der Union von Brest gehörte sie der Unierten Kirche an. In der Zweiten Republik Polens ist das Kloster in der Obhut der Salesianer gewesen. Am Ende des II. Weltkriegs wurde das Kloster zerstört. Auf seinen Wiederaufbau musste es bis in die 80er Jahre warten. Heute gehört es zur Polnisch-Orthodoxen Kirche.
Die Klosterbibliothek besaß zahlreiche wertvolle Bände. Einer der wichtigsten ist der 1811 entdeckte Codex Suprasliensis. Die aus dem 9. Jahrhundert stammende Handschrift ist ein wertvolles Denkmal der Altslawischen Sprache, das bis heute die Forschungsgrundlage der Geschichte und Entwicklung der slawischen Sprachen stellt. Der Codex ist höchstwahrscheinlich mit den Mönchen aus den Kiewer Höhlenkloster nach Supraśl gekommen, die das Kloster in Supraśl gegründet haben.
Kloster Mariä Verkündigung, Foto: M.Kruszewska
In die Fußstapfen Gutenbergs treten
“In Supraśl besitzt das Druckerhandwerk eine lange und reiche Tradition. Sie hängt mit dem Wassersystem von Supraśl zusammen, der die hiesigen Papierfabriken versorgte. In den Jahren 1695-1803 besaß das Kloster eine eigene Druckerei. In den 108 Jahren, in denen sie existierte, hat die Druckerpresse 452 heute registrierte Publikationen geprägt. Neben der Druckerei funktionierte auch ein Verlag der Unierten Kirche, der u. a. im Jahr 1792 das erste Band Andachtslieder (pol. Pieśni Nabożne) von Franciszek Karpiński, mit dem bis heute gesunden Weihnachtsliedern herausgegeben hat” – erklärt der Bürgermeister von Supraśl. Er fügt hinzu, dass das 2014 aus der Initiative der Druckerei-Liebhaber entstandene Museum der Druckerkunst und Papierherstellung (poln. Muzeum Sztuki Drukarskiej i Papiernictwa) an diese Traditionen knüpft. Die Besucher, die in das Museum, dass sich im Palast der Archimandriten befindet eintreten, werden in die Welt der Bücher und Druck versetzt. Für eine außergewöhnliche Stimmung sorgen wunderschöne Kronleuchter und Verzierungen.
Sie können nicht nur die Druckerpressen aus allen Ecken Europas sehen, aber auch den Prozess der Papierherstellung kennenlernen. Das Papier in die Hand nehmen. Sie mögen auch versuchen, ein Blatt Papier selber zu erzeugen und auf eigener Haut zu spüren, wie viel Zeit und Anstrengung es gekostet hat, ein paar Buchseiten herzustellen. Wie Johannes Gutenberg selber – nicht nur eine der Tausenden Lettern in die Hand nehmen, sondern auch ein Gedenklesezeichen prägen und einen eigenen Linolschnitt drucken. Der Besuch im Museum der Druckerkunst und Papierherstellung ist kein weiterer, langweiliger Rundgang auf der Liste des Touristen zum Abhaken, sondern ein einzigartiges Erlebnis, dass lange in Erinnerung bleibt.
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Im Angesicht des Sacrums
Gleich nebenan befindet sich das Ikonenmuseum (pol. Muzeum Ikon). Es ist ein Must See für jeden Besucher, der in die Stadt kommt. Es ist die erste, interaktive Pinakothek, die die Sakralkunst der orthodoxen Kirche zeigt. Die präsentierten Ausstellungen sind mit passenden musikalischen, bildlichen Rahmen und Lichteffekten ausgestattet. Die Besucher werden in eine andere Wirklichkeit versetzt – sie werden von vorherrschender Dunkelheit begrüßt, die später durch Scheinwerfernlicht verdrängt wird. Aus den Lautsprechern fließt orthodoxer Gesang. Der Zuschauer hat das Gefühl, einen geweihten Raum zu betreten. Die ganze Museumsausstattung ist der Darstellung der Ikonen und ihrer Bedeutung im orthodoxen Christentum untergeordnet. Die Museumssäle sind nach dem Vorbild einer Mönchshöhle, orthodoxen Gotteshaus oder einer Hütte mit der sog. schöner Ecke gemacht. Das Museum hat in seinem Angebot Filme über das Malen der Ikonen, die Geschichte der Abtei und orthodoxen Gotteshäusern in Podlachien. Wer mag, kann an Workshops teilnehmen und Ikonen malen.
“Das Ikonenmuseum in Supraśl ist in Bezug auf die Jahrhunderte alte Tradition der Ikonenmalerei im suprasler Münster entstanden. Man kann auf speziell vorbereiteten Projektionen, die auf den Airscreen präsentiert werden, die Entwicklung der christlichen Kunst und vor allem der Ikonenmalerei sehen”- erklärt Dr. Radosław Dobrowolski im Gespräch mit PolenJournal.de. Das Museum ist einzigartig in vielerlei Hinsicht. Es besitzt nicht nur um die 1200 Ikonen, sakrale Gegenstände und einmalige Fresken, sondern auch eine außergewöhnliche Stimmung und Charakter.
Der Buchholtz-Palast, Foto: Pressematerialien der Stadt Supraśl
Aus Liebe erbaut
Neben den Museen befindet sich in der Stadt der wunderschöne Buchholtz-Palast. Er ist mit einer der Industriellenfamilien verbunden, die das Gesicht der Stadt für immer verändert hat und ihm eine rasante Entwicklung ermöglichte. Bevor jedoch in den Osten Polens das industrielle Geschlecht der Buchholtz‘ gekommen ist, hat für die Stadtentwicklung jemand anderer gesorgt – Fryderyk Zachert. “Dieser Fabrikant hat in einer Zeit von zwei Jahrzehnten das kleine Städtchen, dass 300 Personen zählte in eine echte Stadt mit 3450 Einwohnern verwandelt” – erinnert sich der Bürgermeister. In seinem Kielwasser segelten andere Familien, die in der Industrie tätig waren u. a. die oben genannten Buchholz’.
Mit dieser Familie und deren Besitztum ist eine traurige Geschichte verbunden. Der Sohn Adolf Buchholz‘ – einer der wichtigsten Personen in der Stadtgeschichte – Adolf Junior, hat um die Hand der Tochter, des reichen Lodzer Industriellen Karol Scheiblers angehalten. Die Eltern seiner Auserwählten haben ihm eine Bedingung gestellt – er muss eine Residenz errichten, die der Hand ihrer Tochter würdigt wäre. Der Bau des Palastes dauerte 13 Jahre. Ein Jahr bevor das Bauwerk fertiggestellt wurde, haben Adolf Buchholtz und seine Verlobte Maria Scheibler geheiratet. Deren Glück ist nicht von langer Dauer gewesen. Eines Tages als Adolf Buchholtz neben dem Münster vorbeigefahren ist, haben sich die Pferde erschrocken und gingen durch, dabei haben sie das Fuhrwerk mit dem Kutscher umgeworfen. Trotz sofortiger Hilfe starb Adolf Buchholtz infolge getragener Verletzungen. Maria, die den Verlust ihren Ehemannes nicht verschmerzen konnte, besuchte jeden Sonntag die nächsten 30 Jahre bis zu ihrem Ableben sein Grab.
Heute befindet sich im Palast eine Kunstschule. Das Gebäude kann man jedoch besichtigen – in der Woche ist es möglich das Schulgelände problemlos zu betreten und sich die alte Residenz der Buchholzer aus der Nähe ansehen. Das Gebäude verbindet in eklektischer Weise die Merkmale der französischen und italienischen Renaissance. Die toskanischen Säulen und Verzierungen verknüpfen sich mit den reichen Ornamenten im Jugendstil und fügen sich hervorragend in die Fassade ein. Zu den Gebäuden zählen ein historischer Park, ein Stall, ein Wagenschuppen und das Gebäude des Wächters.
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Ein Schluck Waldluft
Die Stadt erhielt 1999 den Status eines Kurortes. “Supraśl besitzt ein wissenschaftlich bestätigtes Mikroklima, eine gesunde, mit ätherischen Ölen, die von Nadelbäumen stammen, gesättigte Luft. In dem Ort gibt es Zentren, die sich auf die Behandlung Von Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparates und Kreislauferkrankungen spezialisiert haben” – gibt Dr. Radosław Dobrowolski zur Kenntnis.
Supraśl ist eine sehr grüne Stadt – ein idealer Ort für Personen, die gerne ihre Zeit aktiv draußen verbringen. Die Ortschaft und ihre Gegend besitzen ein breites Angebot, dass sich an Sportfbegeisterte richtet u. a. Hunderte von Fahrrad- und Spazierwegen, Pferderouten und Paddeltouren. Im Interview mit PolenJournal.de weist Dr. Radosław Dobrowolski darauf hin, dass Supraśl mit Białystok durch eine Fahrradroute verbunden ist, die durch den Knyszyńska-Urwald führt.
In der Nähe der Stadt befindet sich das Arboretum – ein wunderschöner Waldpark, der gleichzeitig ein Botanischer Garten ist. Ein idealer Ort für Personen, die gerne spazieren. “Der Knyszyńska-Urwald ist ein Gebiet, wo sich zahlreiche Wanderrouten und die fast 400 km langen sog. Kresowe Wędrówki also Fahrrad-, Pferde-, Kanurouten und Route der Schmalspureisenbahn kreuzen. Sie führen durch die zivilisationsfernen, unberührten Walddickichte, wo das Wiesent herrscht und die Geschenke des Waldes in Gestalt von Heidelbeeren, Walderdbeeren und Pilzen versuchent “ – preist der Bürgermeister an.
Ein breiter Fächer an Attraktionen
Die Stadt besitzt neben dem attraktiven Angebot für Sportsfreunde auch einen genauso großen Fächer an kulturellem Angebot. In Supraśl ist das Theater Wierszalin tätig, das in seinen Realisationen an Mythen, Traditionen und Folklore anknüpft und in einer neuen Weise darstellt. „Jeden Sommer werden die Tage Suprasl (pl. Dni Supraśla) organisiert – eine Reihe kultureller Attraktionen zusammen mit einem Musikfestival. Zusätzlich findet seit zwei Jahren in der Sommersaison das Podlasie Slow Fest statt, der Filmkunst, Malerei und Literatur verbindet” – sagt im Interview mit PolenJournal.de der Bürgermeister der Stadt Supraśl – Dr. Radosław Dobrowolski.
Supraśl ist eine wunderschöne und einzigartige Stadt – mit einer wunderbaren Architektur, interessanter und manchmal rührender Geschichte und unberührter Natur. Mit eindrucksvollen, beachtenswerten Sehenswürdigkeiten und einem reichen kulturellen Angebot. Die am Rande des Knyszyńska-Urwalds gelegene Stadt ist nicht nur einen kurzen Besuch wert, sondern empfiehlt sich für einen längeren Aufenthalt.