Die Polen laden oft zum Kaffee ein und führen wichtige Gespräche beim Kaffee. Morgens trinken sie Kaffee zum Frühstück oder auf dem Weg zur Arbeit. Anschließend trinken sie Kaffee am Arbeitsplatz und am Nachmittag noch mit der Familie oder den Freunden. Sie machen eine Kaffeepause und begeben sich in schöne Cafés. Sie kaufen teure Kaffeemaschinen, um den perfekten Kaffeegeschmack Zuhause zu genießen… Der Kaffee ist ein untrennbarer Begleiter der Mehrheit der Polen. Aus diesem Grund lohnt es sich, ihm ein bisschen mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Wann kam er nach Polen? Wo trinkt man Kaffee am meisten? Und wie kam es dazu, dass einige nicht wissen, was ein Espresso ist, und andere um einen Flat White bitten? Über den Kaffee in Polen sprach ich bei einem Becher Kaffee mit Aleksandra Czarnecka – Baristin mit über zehnjähriger Erfahrung und Besitzerin des Cafés Coffeemoment in Oppeln/Opole.
Das Teufelsgetränk kommt nach Polen
Der Kaffee ist seit drei Tausend Jahren der Welt bekannt. Seine Entdeckung verdanken wir den äthiopischen Hirten aus der Region Kaffa. Der Kaffee wurde aber erst im Mittelalter von den arabischen Kaufmännern und Beduinen verbreitet. Interessanterweise, noch bevor das Getränk ins christliche Europa gelang, weckte es gemischte Gefühle bei den orthodoxen Muslimen. Kein Wunder, denn an der Wende des 16. Jahrhunderts, als er schließlich auf den Alten Kontinent dank der Türken gelang, genoss er wegen religiöser Vorurteile keinen guten Ruf und wurde als Teufelswerk angesehen. Dies änderte aber Papst Clemens VII., der sich positiv über den Kaffee äußerte, was mit der Zeit der Diskussion ein Ende setze.
Der Kaffee gelang im 17. Jahrhundert nach Polen. Einige meinen, dass es der König Johann III. Sobieski war, der nach dem Sieg gegen die Türken bei Wien – von dem Getränk begeistert – ihn nach Polen gebracht hat. Fakt ist, dass der damalige König ein großer Fan des Kaffees war, doch das Getränk wurde nicht besonders herzlich an der Weichsel angenommen und dies aus einem sehr einfachen Grund – es schmeckte einfach nicht. Als bahnbrechend erwies sich ein bisschen Zucker, was den Kaffee schmackhafter für die Gaumen der Polen machte. Der Kaffee ohne Zusätze, getrunken auf die östliche Art, machte an der Weichsel anfangs keine große Karriere. Zum engen Kreis der Kaffeeliebhaber gehörten neben dem König der Kosakenhetman Bohdan Chmielnicki und im Laufe der Zeit auch der Bischof, Dichter und Prosaist Ignacy Krasicki und der Adlige Adam Kazimierz Czartoryski, der sogar eine Komödie unter dem Titel „Der Kaffee“ (poln. “Kawa”, 1779) verfasste. In Europa lernte man nicht nur den Geschmack des Kaffees zu schätzen, aber auch seine Heileigenschaften. 1795 gelang nach Polen das ins Polnische aus dem Französischen übersetzte Handbuch für Kaffeetrinker von Pierre-Joseph Buc’hoz „Krótka wiadomość o kawie i jej właściwościach i skutkach na zdrowie ludzi spływających…” (dt. „Kurze Nachrichten über Kaffee und seine Eigenschaften und Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit“), laut dessen der Kaffee zum Ende des 18. Jahrhunderts sehr bekannt war.
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Der Kaffee auf „polnischer Art“ und die ersten Cafés
Mit der Zeit trank man den schwarzen Kaffee ohne jegliche Zusätze nur während der Fastenzeit, das Getränk verfeinert mit Milch, Sahne, Zucker oder sogar einer Prise Salz, genoss man hingegen tagtäglich. Zum Ende des 18. Jahrhundert war der starke Kaffee mit ausgezeichneter Sahne, – auf „polnischer Art” – so bekannt, wie das polnische Brot. Einen Kaffee, der milder war, bezeichnete man als den „deutschen“ oder den „schlesischen Kaffee“.
Mit der wachsenden Popularität vom Kaffee fing man an, die so genannten Kaffeehäuser aufzumachen. In Polen liefen sie anfangs unter der Bezeichnung „Kafehausy“ bis sie schließlich in Cafés umbenannt wurden. Das erste Kaffeehaus wurde in Warschau/ Warszawa in der Nähe des Sächsischen Gartens/Ogród Saski 1724 während der Regierungszeit von August dem Starken eröffnet. Das Lokal ging aber schnell bankrott – den Polen fiel es schwer sich zu gewöhnen, ihren Kaffee in der Öffentlichkeit zu trinken. Im 19. Jahrhundert sah es schon ganz anders aus. 1822 gab es in Warschau/Warszawa 122 Cafés und 20 Jahre später waren es schon 180. In Krakau/Kraków waren es 55. Im Laufe der Zeit konnte man einen Kaffee auch in den Wirtshäusern bestellen, wo er mit Alkohol verfeinert wurde.
Das Getränk war nicht nur in den hohen Kreisen bekannt. Den Kaffee für den reichen Adel brühte eine speziell dafür angestellte Person, die in Polen als „kawiarka“ bezeichnet wurde. Das heiße Getränk wurde den Hausherren ins Bett gebracht und später genoss man den Nachmittagskaffee.
Aus Preußen kam nach Polen die Tradition des Mischens von Kaffee mit Zichorie. 1818 gründete Ferdinand Böhm in Włocławek/Leslau die erste Malzkaffeefabrik. Diejenigen, die sich diese Mischung nicht leisten konnten, bedienten sich der Ersatzmittel, die u. a. aus gerösteten Erbsen, Eicheln und Topinambur mit Getreide und Kräutern bestanden.
Kein Tag ohne Kaffee
An dieser Stelle überspringen wir zwei Jahrhunderte und lassen die Geschichte des Kaffees an der Weichsel hinter uns. Im 21. Jahrhundert ist das Getränk nichts Neues und keine Luxusware mehr. Ihre verschiedenen Geschmacksarten, Mischungen und Brühmethoden faszinieren die Polen die ganze Zeit. Das steigende Interesse am Kaffee, genau wie ein größerer Verbrauch, gingen Hand in Hand mit der Hinzufügung des Kaffees 2015 in die Ernährungspyramide. Ab diesem Augenblick wurde das Getränk nicht mehr für ein Genussmittel gehalten und die Debatte über seine Schädlichkeit für den menschlichen Organismus wurde beendet. Immer mehr wissenschaftliche Untersuchungen untermauerten die These, dass der Kaffee einen positiven Einfluss auf die Gesundheit hat. Zum Beispiel vor kurzem wurde bestätigt, dass vier Tassen Kaffee pro Tag das Risiko des vorzeitigen Todes sogar um 64% verringern. Wenn das nicht eine gute Nachricht für diejenigen ist, die es sich nur schwer vorstellen können, weniger Kaffee zu trinken und jedes Mal Kopfweh bekommen, wenn jemand erwähnt, dass der Kaffee ein Mineralstoffräuber ist, der dem Körper von allem Magnesium entzieht. Es lohnt sich auch zu reflektieren, ob man noch den Ausdruck „eine Tasse Kaffee“ verwenden sollte, da – gemäß den neusten Trends – der Kaffee immer öfter in Bechern getrunken wird. Wennschon, dennschon.
Laut den neuesten Untersuchungen gibt sich ein polnischer Durschnittsbürger mit einem Becher täglich zufrieden, aber jeder sechste trinkt viel mehr. Aus den Statistiken geht hervor, dass Kaffee tagtäglich von 83% der Polen getrunken wird und die Hälfte von ihnen beginnt so den Tag. Somit landet Polen auf dem elften Platz hinsichtlich des Kaffeekonsums auf der ganzen Welt, was 95 Liter pro Person jährlich ausmacht, und dies wiederum auf 3 kg Kaffee umgerechnet wird. Die Gründerin und Baristin des Oppelner Cafés Coffeemoment, Aleksandra Czarnecka, unterstreicht, dass Polen diesbezüglich ein differenziertes Land ist: „Ein durchschnittlicher Pole trinkt ca. 3 kg Kaffee jährlich, aber es handelt sich um den westlichen Teil Polens. Im ehemaligen Besatzungsgebiet Preußens trinkt man 1 kg Kaffee pro Bewohner mehr als in ehemaligen Besatzungsgebieten Russlands.“
In den skandinavischen Ländern ist der Kaffeekonsum am höchsten auf der ganzen Welt und beträgt 10-13 kg jährlich pro Bewohner. Die Italiener trinken viel weniger Kaffee – ca. 6 kg. Ähnlich viel trinkt man in Deutschland, Österreich, Frankreich und in Kroatien. Das Thema des konsumierten Kaffees ist ziemlich kompliziert und ist u. a. von der Brühmethode abhängig. „Nicht nur das kältere Klima und die weitverbreitete Tradition des Kaffeetrinkens, die mit Hygge und Fika verbunden ist, sondern auch die Brühmethode machen den großen Unterschied bei der Anzahl der getrunkenen Kaffeetassen bei den Skandinaviern aus. In Skandinavien sind die Filterkaffeemaschinen und die Coffee Dripper sehr populär. Bei diesen Brühmethoden wird relativ die größte Kaffeemenge für eine Tasse verwendet. Für einen traditionellen kleinen Espresso braucht man 7 g Kaffee, für einen Filterkaffee sogar 15 g“, erklärt die Baristin. Die Skandinavier trinken also nicht doppelt so viele Kaffeetassen, wie die Statistiken angeben.
»Ein kleiner Schwarzer? Nein, danke!«
„Der polnische Markt ist ein leckerer Bissen für die Kaffeekonzerne. 37 Mio. Menschen bedeuten ein großes Potenzial in Europa. Dabei muss man noch an die schnellen Veränderungen denken, die man in Polen beobachten kann,“ bemerkt Aleksandra Czarnecka. Die Polen meiden auch nicht die Kaffeeneuheiten, obwohl viele sich noch an die Zeiten erinnern können, als sie Zuhause den gemahlenen Kaffee mit heißem Wasser übergossen haben – mehr konnten sie sich nicht leisten. Aus den Untersuchungen 2019 geht hervor, dass weiterhin auf diese Weise 72% so ihren Kaffee zubereiten. Den nächsten Platz belegen die Liebhaber von Druckbrühautomaten (31%) und Filterkaffeemaschinen (21%). Für Kaffeekapseln entscheiden sich 15% der Kaffeetrinker.
Wie sieht es aus der Perspektive der Baristin aus? „Laut den Untersuchungen gibt die Mehrheit die Polen an, dass sie Kaffee trinken. Man sollte sich aber fragen, welchen Kaffee? Ist es ein Kaffee wie von Starbucks auf der Basis vom Espresso, so wie der Kaffee aus unserem Caffeemoment? Nein. Ich vermute, dass ein großer Teil der polnischen Gesellschaft nicht weiß, was ein Espresso ist, und wo der Unterschied zwischen einem Dripper, Aeorpress und French Press liegt. Noch hören wir hinter der Bar ,Ekspresso? Ein kleiner schwarzer kräftiger Kaffee? Nein, nein, danke. Es lohnt sich nicht, dafür zu bezahlen! Fünf Zloty für einen Kaffee im Fingerhut? Und es ist so kräftig, dass man er kaum trinken kann!’“ – zitiert Czarnecka. „Dies sind natürlich Extremfälle, denn mit der Verbreitung des Kaffees an Tankstellen, sind wir besser mit dem Kaffeemenu vertraut. Die große Auswahl zeugt auch davon, dass jeder seinen Kaffee anders trinkt. Es handelt sich doch um Kaffee und nicht um Brühe. Der eine mag einen kleinen kräftigen Kaffee mit ein bisschen Milch – Flat White – lieber. Der andere bevorzugt großen und milchreichen Cafè Latte. Noch vor zehn Jahren wussten viele nicht, was ein Flat White, Americano oder Cafè Mocha ist.“
Löcher im Magen
Bleiben wir noch beim Espresso, dem „König des Kaffees“, denn auf der Basis dieser italienischen Rezeptur funktioniert die Mehrheit der Cafés. Wenn man bedenkt, was für ein abwechslungsreiches Menü man aus diesem Kaffee zaubern kann, muss man eine Weile nachdenken, ob der kleine Schwarze wirklich so grausam ist, wie viele denken. In Polen, vor allem unter der älteren Generation, ist die Überzeugung verbreitet, dass der Espresso – wegen seiner konzentrierten Formel – gesundheitsschädlich ist. „Das ist einer der populärsten Kaffeemythen. In Polen gibt es einige – und dem mit den Löchern im Magen von Espresso, liegt der Wissensmangel zugrunde“, gibt die Baristin zu. „Meiner Meinung nach ist es sehr wichtig, die Menschen mit unterschiedlichen Brühmethoden vertraut zu machen, denn vom medizinischen Standpunkt ist der in Polen weitverbreitete Instantkaffee nicht die gesündeste Wahl. Frisch gemahlener und frisch gebrühter Kaffee aus einem Druckbrühautomat ist reich an Kaffeeölen und ergibt sich als die beste Alternative. Ein richtig zubereiteter Espresso ist sehr aromatisch und beinhaltet nicht viel Koffein und andere Reizstoffe. Im letzten Jahrzehnt sind viele Brühmethoden entstanden, die das Kaffeemenü bereichern und sogar den Espresso von seiner Position vertreiben sollten. In den Cafés wurde das Segment von Luxuskaffees „Specialty” eingeführt. Vor allem junge Hipster kamen auf den Geschmack von schwarzen, klaren Getränken mit Blumenoder Fruchtaromen. Solcher Aufguss erinnert manchmal gar nicht an den Kaffeegeschmack. In diesen hell gerösteten Arabicaarten, die in Filterkaffeemaschinen gebrüht werden, ist das Säureniveau sehr hoch, genau wie der Koffein- und Reizstoffeinhalt. Ich gebe zu, ich liebe, wenn der Kaffee auf unterschiedliche Art und Weise geröstet oder gebrüht wird. Ich bevorzuge eine Mischung aus Arabica mit ein bisschen Robusta statt eine einheitliche Komposition von Kaffeebohnen. Der Espresso ohne jegliche Zusätze erscheint aber immer als die beste Wahl für mich. Ich finde auch, dass ein Kaffee auf der Basis des italienischen Espressos näher am polnischen Geschmack liegt. Diese charakteristische Bitterkeit, Nussigkeit, Nachgeschmack von Bitterschokolade oder angebrannter Brotkruste ist uns näher als die Säure heller gerösteter Kaffeemischungen, die so populär in Deutschland und in Skandinavien sind.“
Diejenigen, die noch nicht von dem kleinen, starken und dickflüssigen Kaffee, der in einer schweren Tasse serviert wird, überzeugt sind, muss man daran erinnern, wie einfach man aus ihr andere Kaffeeköstlichkeiten zaubern kann. „Natürlich kann man zum Espresso Wasser hinzugeben, genau wie Milch, Eiswürfel oder Geschmackseis, Sahne, Gewürze, Honig und sogar Kokosmilch oder Kokosbutter. Wenn wir den Espresso mit gut geschäumter Milch bereichern, bekommen wir den klassischen Cappuccino, wenn wir ein bisschen mehr Milch gern haben, erhalten wir einen Cafè Latte. Wenn jemand Lust auf ein Kaffeedessert hat, kann etwas Süßes hinzugeben – ein bisschen Karamellsoße oder Schokolade. Auf dem Markt kann man Dutzende Geschmackssirups finden, die sehr beliebt bei den Jugendlichen sind. Für sie dient der Kaffee oftmals als ganzes Frühstück. So ein Geschmackslatte versorgt den jungen Organismus mit Kohlenhydraten, Eiweiß, Fett und kostbaren Antioxidationsmitteln, die der Espresso beinhaltet“, erklärt Aleksandra Czarnecka.
Vielleicht einen Flat White?
Wir haben zwar gesagt, dass viele Personen stets nicht wissen, was ein Espresso ist, aber das bedeutet nicht, dass andere Kaffeeliebhaber nicht auf den Geschmack des Kaffeetrinkens in Cafés gekommen sind und auf alte Gewohnheiten verzichtet haben. „Früher trank man hier bei uns viel mehr Latte in verschiedenen Geschmackssorten oder viel Mokka mit Schokolade und Schlagsahne. Jetzt bestellen immer mehr Kunden einen Espresso oder doppelten Espresso, einen Cappuccino oder den so bekannten Flat White,“ zieht die Baristin den Vergleich. „Und auf jeden Fall nichts Süßes. Es hat sich in eine guten Richtung entwickelt – von milden Milchkaffees zu kräftigeren und vollmundigen Kaffees. Es entzückt mich jedes Mal, dass die Menschen so sehr ihre Gewohnheiten geändert haben.“
Diese Veränderung bemerkte auch die britische Cafékette Costa Coffee. Aus den Untersuchungen des Giganten geht hervor, dass die Kunden in Polen immer öfter an klassischen Kaffees interessiert sind. Nach dem Flat White, der noch nicht lange in Polen präsent ist, greifen die Menschen genauso oft, wie nach dem gut bekannten Latte oder Cappuccino. Großer Berühmtheit unter den Cafébesuchern erfreuen sich auch der schon erwähnte Espresso und Cafè Americano.
Einen interessanten Trend bilden die Eiskaffees, für welche sich die Polen immer öfter entscheiden. Laut Nielsen betrug ihr Verkaufswert ab Juli 2018 bis Juli 2019 über 60 Mio. Zloty. Das Interesse mit diesen Kaffeesorten ist streng von der Jahreszeit abhängig. In der kalten Version wählen die Kunden vor allen einen Cappuccino, Cafè Latte oder Macchiato.
Die Polen wurden von den Cafés verwöhnt – davon zeugt das steigende Interesse an Kaffeemaschinen und Bohnenkaffee. 2019 wurde fast eine halbe Million Kaffeemaschinen verkauft und Bohnenkaffee kauft man in 30% aller Haushalte – lesen wir auf dem Branchenportal portalspożywczy.pl. Das bedeutet, dass immer weniger Personen sich für den Instantkaffee entscheiden – obwohl er weiterhin in Polen sehr beliebt ist – genau wie für den gemahlenen Kaffee.
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„Und wenn die Zeit kommt, sind die Cafés überfüllt…“
„…An die Fenster, voller Sterne, | In die Gassen großer Städte, sind wir herangezogen“ – lauten übersetzt die Worte aus dem bekannten polnischen Lied „Kawiarenki“ (dt. die Cafés) gesungen von Irena Jarocka. Obwohl das Lied vor vielen Jahren entstanden ist, hat sich am Thema der Cafés nichts viel verändert. Früher galten sie als Treffpunkte von Philosophen, Literaten und Künstlern, Entdeckungsorte junger Talente und Orte, an denen der ein oder andere Aufstand geplant wurde. Heute ziehen sie in Polen immer mehr Menschen an. Die Polen trinken immer öfter ihren Kaffee unterwegs. Für die lokalen Cafés entscheidet sich über die Hälfte der Kundschaft, für Caféketten 13% und für Caféclubs 7%. Diese Plätze haben nichts an ihrer gesellschaftlichen Rolle verloren – hier trifft man sich mit den Freunden und Bekannten.
„Der Cafémarkt in Polen wächst sukzessiv seit 20-30 Jahren. Gemeint ist das Kaffeetrinkern außerhalb des eigenen Haushaltes. In den vergangenen 10 Jahren betrug der Marktzuwachs 6-8%” – gibt die Gründerin von Coffeemoment zu. „Große Unternehmen wie Starbucks wussten ganz genau, wo sie ihre Cafés öffnen sollen. Es handelt sich hier um Städte mit mindestens 200 Tsd. Bewohnern. Green Cafè Nero, Starbucks, Costa Coffee und viele anderen haben in Polen Hunderte Standorte.“ In Polen findet man den Kaffee in fast allen Gastronomiepunkten. Aber wo trinken die Polen ihren Kaffee am meisten? Wie sich herausstellt, sind es nicht nur Plätze, die diesem Getränk gewidmet sind, denn er funktioniert weiterhin als Beilage zu einem süßen Dessert oder als Mahlzeitkrönung. „Der Kaffeemarkt Polens ist ziemlich gut in großen und mittelgroßen Städten entwickelt. Das Angebot ist sehr abwechslungsreich. Wir haben Bäckereien mit einem Kaffeestand und Konditoreien mit einer Kaffeeecke. Es gibt auch die klassischen Cafés mit Bedienung und vielseitigem Menü, mit Alkoholgetränken, Essen und Eis,“ listet die Baristin auf. „Und schließlich haben wir solche Kaffeebars wie Coffeemoment oder Starbucks mit einem klaren Businesskonzept, das hauptsächlich auf dem Espresso aufgebaut wurde. Leider gibt es in kleineren polnischen Städten nur wenige solche Kaffeebars, in welchen der Kaffee an der ersten Stelle steht. Viel berühmter sind die Konditoreien und Eisdielen. Es handelt sich um zwei andere Geschäftsideen. In beiden haben wir eine Kaffeemaschine, aber in einem ist der Kaffee König, und in dem anderen – ein Zusatzelement.“
Bedeutet es, dass man die unabhängigen Cafés in Polen nicht schätzt? Ganz im Gegenteil – sie entstehen die ganze Zeit und werden von ihrer Kundschaft mit einen konkretem Lifestyle verbunden. Genau wie früher, versammeln die Cafés eine gesellschaftliche Gemeinschaft und werden zu einem Teil von ihnen. Aleksandra Czarnecka hat schon mehrere kulturelle Events in ihre Kaffeebar aufgenommen. „Nicht alle Cafébesitzer verstehen, dass sie zu einem Teil der lokalen Gemeinschaft werden und dass es in diesem Business um etwas mehr geht, als nur den Kaffee. Eine kulturbildende und integrierende Funktion ist immer vom Vorteil für solche Unternehmen. In Oppeln/Opole genehmigen viele Cafés die Veranstaltung verschiedener Events in ihren Mauern“ – erzählt die Besitzerin von Coffeemoment. Die Bewohner oder die Nichtregierungsorganisationen kommen selbst mit interessanten Initiativen. „Darf ich in ihrem Café meine Bilder oder Fotos aufhängen? Darf ich Menschen einladen, die meine Gedichte hören möchten? Könnten wir eine Kunstwerkstatt veranstalten? Dürften wir hier zusammen singen, über unsere Reise erzählen, eine Sprache lernen, ein Interview durchführen…? Es geht nicht um eine einfache Geburtstagsparty. Ein Kunde, der Kaffee trinkt, ist auch in anderen Bereichen tätig, kreiert etwas. Und er muss es irgendwo zeigen.“
Ein Kaffee an der Tankstelle
Obwohl die Cafés im Trend liegen, trinken die Polen ihren Kaffee am meisten… an der Tankstelle. Die Tankstellenkette Orlen wird am häufigsten mit Kaffee assoziiert, weiter werden McDonald’s und Starbucks genannt. Die populärste Kaffeeecke ist hingegen Stop Café. „Durch das Interesse an Kaffee entstanden überall Kaffeevollautomaten wie Costa Express“ – gibt die Baristin zu. „Wo es viele Autofahrer gibt, gibt es auch viel Kaffee. Das beobachten wir auch in Polen. Ich finde, dass es von Vorteil für die Autofahrer ist. Besser, wenn sie einen Kaffee trinken statt eines Energydrinks.”
Wenn wir Convenience-Geschäfte unter die Lupe nehmen, ergibt sich nur ein einziges in Polen vom großen Wert – Żabka. Anderen wird nicht viel Interesse geschenkt. Das Kaffeetrinken in Polen hat eine lange Tradition, obwohl jeder die Vorteile dieses Getränks auf eigene Art und Weise genießt. Das Entdecken neuer Geschmäcker, Aromen und Brühmethoden ist für viele ein Abenteuer, andere hingegen bleiben bei den traditionellen Lösungen. Eins steht aber fest – es ist unmöglich, sich Polen ohne Kaffee vorzustellen.