Hier trifft sich die Vergangenheit mit der Gegenwart, Kunst mit der Musik, Jung und Alt – und das über ein Dutzend Meter unter der Erdoberfläche. Egal ob für Besichtigungsanfänger oder erfahrene Touristen – hier lohnt es sich einfach vorbei zu schauen und das Museum für sich zu entdecken.
Emanuela Janda, PolenJournal.de: Ist das Schlesische Museum das beste Museum Polens?
Alicja Knast, Direktorin des Schlesischen Museums: Die Bewertung unserer Tätigkeit überlassen wir den Besuchern. Wie die Ergebnisse einer Umfrage, die im Januar 2018 durchgeführt wurde, zeigen, sind wir das bekannteste Regionalmuseum Polens. Unser neue Sitz wurde 2015 eröffnet und entstand auf dem ehemaligen Bergwerkgebiet. Wir sind Teil der sog. Kattowitzer Kulturzone und somit haben wir Raum sowohl für die Tätigkeit des Museums, Debatten über die Region, Bildungsinitiativen, wie auch für Filmprojektionen, Musikfestivals, Spaziergänge für die ganze Familie und Erholung.
Was macht das Schlesische Museum aus? Warum ist es so einzigartig?
Wir lassen sich von dem Erbe Schlesiens, seinen intellektuellem und künstlerischem Gut und reicher Tradition der Multikulturalität inspirieren. Die Lage des Museums – verbunden mit dem Bergbau – erinnert uns die ganze Zeit, wie wichtig die Wirtschaft für diese Region ist. Die ehemalige Kohlengrube haben wir in eine einzigartige Kulturgrube verändert und zeigen sehr interessante Ausstellungen 14 Meter unter der Erdfläche. Unsere Sammlungen, deren Anfänge bis 1929 reichen, sind ein Beweis für die Transformation dieser Region.
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Museen werden mit langweiligen verstaubten Objekten, obligatorischer Stille und Verbot, Fragen zu stellen, oftmals assoziiert. Was unternehmen Sie, um mit diesem Stereotyp zu brechen?
Wenn wir die Ausstellungen vorbereiten, denken wir an den breiten und unterschiedlichen Besucherkreis. Ich meine hier den Aufbau der Aussage durch Szenografie oder Texte, die in bestimmter Art und Weise formuliert werden müssen, wie auch die Ergonomie der Ausstellung. Der Ausstellungsraum „Na tropie Tomka“ (dt. „Auf der Spur von Tomek“) ist ein Beispiel einer innovativen Herangehensweise, die sowohl Erwachsene, wie auch Kinder ansprechen soll. Außerdem organisieren wir Veranstaltungen, die die Ausstellungen begleiten – Workshops für Klein und Groß, Vorlesungen, Bildungsinitiativen und Treffen mit Künstlern. Letztes Jahr war unseres Museum unter den Top 5 der besten interaktiven Museen Polens, wobei ich hervorheben muss, dass wir die Besucher nicht nur durch den Einsatz von Multimedia, sondern auch durch Möglichkeit aktiver Teilnahme an der Kultur, engagieren. Dies ist wohl der beste Beweis dafür, dass das Museum sich entwickelt und Interesse der Besucher wecken will.
Alicja Knast, Direktorin des Schlesischen Museums, Foto: Schlesisches Museum
Das Museum bietet sowohl Dauer- wie auch Zeitausstellungen an. Welche erfreuen sich größter Beliebtheit und bei wem? Wir können uns auf das Jahr 2017 beschränken.
Großes Interesse genießt die Ausstellung „Światło historii. Górny Śląsk na przestrzeni dziejów” (dt. „Die Geschichte Oberschlesiens”). Es ist die größte interaktive und zugleich die modernste Ausstellung zum Thema Oberschlesien. Mit großem Sentiment besuchen sie Personen, die in der Vergangenheit mit dem Bergwerk verbunden waren.
Die Kinder besuchen am liebsten die Ausstellung „Na tropie Tomka“, die von Tomek Wilmowski, den Hauptprotagonisten den von Alfred Szklarski niedergeschriebenen Abenteuern, inspiriert ist. Der interaktive Ausstellungsraum lässt weit entfernte Kulturen kennenlernen, lässt der Fantasie der Kinder freien Lauf und bringt ihnen bei, wie man in einem Team, das aus mehreren Generationen zusammengesetzt wird, zusammenarbeiten soll.
Für diejenigen, die an auserwählte Aspekte des kulturellen Erbes interessiert sind, war die Ausstellung „Wszystko osiąga się przez nadzieję…” („Alles erzielt man durch die Hoffnung…“) gedacht. Sie präsentierte die Rolle der Protestanten in Entstehung des breit gefassten kulturellen Erbes Oberschlesiens und ihren heutigen Einfluss auf die Region.
Foto: Schlesisches Museum
Das Highlight des Museums?
Viele Besucher werden von der gewaltigen Galerie eines Kunstwerks angezogen. Der Ausstellungsraum an sich hinterlässt einen großen Eindruck. Er wird aber lebendig durch die Künstler. Bislang haben wir die Werke von Leon Tarasewicz, Carole Benzaken und Dani Karavan präsentiert. Jetzt kann man die Installation von Mirosław Bałka erleben. „Erleben“ in diesem Sinne, dass sie in kompletter Dunkelheit wahrgenommen wird. Die Galerie ist bestimmt eine große Inspirationsquelle für alle Liebhaber der ortsspezifischen Gegenwartskunst.
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Wie viele Menschen haben das Museum im vergangenen Jahr besucht? Waren unter ihnen auch Besucher aus dem Ausland?
Insgesamt wurde das Museum von 481 375 Personen besucht, dazu gehören diejenigen, die sich die Ausstellungen angesehen haben (211 239) und solche, die nur das Museumsgelände besucht haben (270 136). Unter ihnen befanden sich Gäste aus insgesamt 76 Ländern. Aufgrund der geografischen Lage bildeten die Besucher aus Deutschland die Mehrheit.
Was interessiert die Gäste aus dem Ausland am meisten?
Die schon erwähnte Ausstellung „Światło historii” ist die beliebteste sowohl bei den Besuchern aus Polen, als auch aus dem Ausland. Großer Beliebtheit erfreut sich auch der Aussichtsturm des Schachts „Warszawa II“.
Foto: Schlesisches Museum
Sie haben es schon angesprochen – das Angebot des Museums ist nicht nur auf reines Besichtigen zu begrenzen. Was können wir noch darin vorfinden?
Wir führen sehr viele Lehrveranstaltungen nicht nur für Kinder, aber auch für Erwachsene. Wir veranstalten Filmprojektionen, Theateraufführungen und Debatten. Bei uns ist fast an jedem Tag etwas los. Über die Neuigkeiten informieren wir auf unserer Homepage. Das Museum kann man nur besuchen, um Kaffee zu trinken oder sich Kattowitz aus dem Aussichtsturm anzusehen. Im Sommer kann man an kostenfreien Yoga-Kursen teilnehmen oder sich einfach im Schatten des Schachts erholen.
Das Schlesische Museum bringt nicht nur Generationen zusammen, wir sprechen hier auch von einer Tätigkeit auf der Schnittstelle verschiedener Kulturen. Was ist die größte Herausforderung dabei?
Wir versuchen das Museumsangebot an Familien, Kinder, Jugendliche und ältere Menschen anzupassen. Wir denken an Menschen mit Behinderungen und sind auch für Autisten da, indem wir für sie eine Beruhigungszone eingerichtet haben. Es ist wirklich schwer, Gemeinsamkeiten zu entdecken, den roten Faden zwischen allen diesen Verschiedenheiten und dem Charakter nicht zu verlieren, denn nur so können wir unseren Dienst erfüllen also die lokale Gemeinschaft auf den unterschiedlichsten Ebenen aufbauen – angefangen von Nachbarverhältnissen bis zur Bindung zwischen den Schlesiern, die nicht in der Region leben, auch zwischen denen aus Deutschland. Wir haben einen Vertrag über die Zusammenarbeit mit dem Oberschlesischen Landesmuseum Ratingen unterschrieben. So können wir uns gegenseitig die Sammlungen ausleihen und den Wissenszugang erleichtern.
Ist das Museumsangebot auch für die deutschsprachigen Gäste zugänglich?
Wir versuchen soweit es geht die Sprachbarriere zu minimalisieren. Alle unsere Flugblätter, die die Ausstellungen beschreiben, wurden ins Deutsche übersetzt. Behilflich ist auch das Museumspersonal. Gruppen können eine Führung in deutscher Sprache vereinbaren.
Foto: Schlesisches Museum
Welchen Einfluss hat das Museum auf die Wahrnehmung von Kattowitz? Ich meine, die Stadt verändert langsam ihr Image…
Einer der Hauptgründe, wieso der neue Museumssitz entstanden ist, war die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Stadtraums. Dies sollte durch die Entwicklung der Kulturinfrastruktur möglich sein, denn es trägt zur Erhöhung der Investitionsattraktivität und des Tourismus in der Woiwodschaft Schlesien bei. Der neue Sitz des Schlesischen Museums bildet zusammen mit dem Internationalen Kongresszentrum, dem Sitz des Nationales Symphonieorchester des Polnischen Rundfunks und Spodek die Kulturzone. Hier finden die wichtigsten kulturellen Events der Woiwodschaft statt. Die Kulturzone zusammen mit dem Schlesischen Museum gelten jetzt als die Visitenkarte nicht nur von Kattowitz, sondern Schlesien als Region.
2017 brachte dem Museum einige wichtige Preise und Auszeichnungen.
Einer der wichtigsten Preise war EMYA 20017. Die Jury lobte das Museum für „das Engagement bei der Darstellung und Deutung der komplizierten Geschichte der Region, die die Erfolge und Niederlagen, wie auch Träume und Tragödien vieler Generationen der Schlesier widerspiegelt“. Im Wettbewerb Europäisches Museum des Jahres 2017 wurden 46 Museen aus vielen Ländern nominiert und das Schlesische Museum war die einzige Institution aus Polen, die eine Auszeichnung bekommen hat.
Ist das Schlesische Museum ein obligatorischer Punkt auf dem Ausflugsplan nach Kattowitz?
Es wäre toll, wenn jeder Tourist so denken würde. Es machte uns viel Freude zu hören, dass unsere Bemühungen um das Wohlfühlen jedes Besuchers – abgesehen von seinem Wissen über die Geschichte und Kultur Oberschlesiens – wahrgenommen wurden. Wir möchten, dass jeder sich hier wie zu Hause fühlt.
Foto: Schlesisches Museum
Wie steht es mit den Plänen für 2018?
Auf die Gäste warten zahlreiche Treffen, Lesungen, Lehrveranstaltungen und vor allem Ausstellungen. „Perspektywa wieku dojrzewania“ (dt. „Perspektive der Entwicklungsjahre“) wird die Werke von dem Maler Andrzej Wróblewski (1927-1957), der Bildhauerin Alina Szapocznikow (1926-1976) und des Filmregisseurs Andrzej Wajda (1926-2017) präsentieren. Die Ausstellung, vorbereitet von Anda Rottenberg, wird am 23. Juni eröffnet und dauert bis 30. September 2018.
Im Juli findet die Vernissage der Ausstellung „Męska rzecz” (dt. „Männersache“) statt. Hier wird das Thema der stereotypischen Männerdarstellung in polnischer Tradition und Kultur behandelt. Die Ausstellung zeigt, wie dies sich im Laufe der Zeit entwickelte und wie sich der Begriff der Männlichkeit in der Kunst, gegenwärtigen Vorstellungen und öffentlichen Raum veränderte.
Fans der gegenwärtigen Kunst werden sich bestimmt von der Ausstellung angesprochen fühlen, die die Ergebnisse des wohl einflussreichsten gemeinpolnischen Events, der der Grafik gewidmet ist, präsentieren wird. Gemeint ist hier das „Triennale der Polnische Grafik“ (26.10.2018–27.01.2019). Ziel der Veranstaltung ist es, die aktuellen und interessantesten Trends in der Grafik festzuhalten.
Was würden Sie einem Touristen sagen, der vor dem Museumsgebäude steht und sich fragt, ob er reingehen soll, in der Zwischenzeit aber auf dem Smartphone prüft, was in der Gegend sehenswerter sein mag?
Kommen Sie herein, Sie brauchen gar nicht viel zu überlegen. Hauptsache, Sie haben bequeme Schuhe an. Die Ausstellungsräume zählen insgesamt acht Tausend Meter – gezählt zusammen mit den neu revitalisierten Gebäuden des ehemaligen Bades und Schreinerwerkstatt. Sie können aber auch nur kurz vorbeischauen und sich die berühmte „Jüdin mit den Orangen“ von Gierymski ansehen.