Polnischen Landwirte verschenken Obst und Gemüse

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Polnische Landwirte laden zu Selbstpflückaktionen ein und beklagen große Verluste. Viele von ihnen betonen, dass es seit Jahren nicht mehr so schlecht stand wie jetzt. Die Ursachen liegen in der Überproduktion und in den extrem niedrigen Preisen, die von Zwischenhändlern geboten werden. 

Für viele Bauern lohnt es sich nicht mehr, Erntehelfer zu beschäftigen, die Ernte einzubringen und sie dann fast verschenkt zu verkaufen. Hinzu kommt der umfangreiche Import von Obst und Gemüse aus dem Ausland. Der Landwirtschaftsminister hat deshalb die Wettbewerbs- und Verbraucherschutzbehörde (UOKiK) um eine Intervention gebeten.

Selbstpflücken statt Vernichtung der Ernte

In Polen erlebt das Selbstpflücken derzeit ein unerwartetes Comeback. Anfang des Monats sorgte ein Landwirt aus der Region Trebnitz/Trzebnica (Woiwodschaft Niederschlesien) für Aufsehen, nachdem ein unzuverlässiger Kunde ihn auf 11 Tonnen Pflaumen sitzen ließ. Der Schaden hätte ihn bis zu 36.000 Zloty kosten können, doch zahlreiche Menschen eilten zu Hilfe und kauften innerhalb kürzester Zeit das gesamte Obst auf.

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Ein weiterer Fall betrifft einen Paprikaproduzenten aus der Woiwodschaft Heiligkreuz, der erklärte, dass sich die Ernte für ihn nicht lohne, und deshalb Interessierte einlud, das Gemüse direkt vom Feld „gegen eine freiwillige Spende“ zu pflücken. Die Reaktion kam sofort: Menschenmengen erschienen, um beim Ernten zu helfen. Auch ein Ehepaar aus Niewirków bei Zamość (Region Lublin) lud zu einer Selbstpflückaktion, diesmal für Tomaten, ein. „Man darf pflücken, so viel man will“, schrieben sie in ihrer Anzeige.

Das Überangebot an Produkten, die niedrigen Preise und das geringe Interesse der Aufkäufer bringen viele Landwirte in eine schwierige Lage. Sie wissen schlicht nicht, was sie mit ihren Erträgen anfangen sollen, die auf den Feldern liegenbleiben.

Rekordinteresse an Selbstpflückaktionen

In diesem Herbst ist das Interesse an Selbstpflücken so groß wie nie zuvor. „Jedes Angebot eines Landwirts ruft Hunderte von Kommentaren und tatsächliche Reaktionen hervor“, erklärte Mirosław Biedroń von der Stiftung Zielona Przystań, Gründer der Plattform MyZbieramy.pl.

Schwierige Situation und Suche nach Lösungen

Der Landwirtschaftsminister Stefan Krajewski räumte bei einem Treffen mit Landwirten in Neusalz an der Oder/Nowa Sól ein, dass die Lage ernst sei. Am 16. Oktober sollen daher Gespräche mit Vertretern aller landwirtschaftlichen Organisationen im Ministerium stattfinden.

„Einerseits haben schwierige Wetterbedingungen viele Produzenten getroffen, andererseits verzeichnen wir eine Überproduktion bestimmter Sorten und einen Mangel an langfristigen Verträgen, die stabile Preise garantieren würden“, sagte der Minister. Viele Landwirte hätten keine Abnahmegarantien und keine Verträge, die ihnen Planungssicherheit bieten.

Ein Beispiel seien Kartoffelproduzenten. Nach ersten Schätzungen des Statistischen Hauptamtes (GUS) ist die Kartoffelproduktion im Vergleich zum Vorjahr um 15% gestiegen und liegt nun bei über 6,8 Millionen Tonnen. Die guten Erträge führten zu einem deutlichen Preisverfall. Die Landwirte fordern daher Stabilisierungsmaßnahmen, etwa staatliche Aufkäufe oder Zuschüsse zur Lagerung.

In der vergangenen Woche lag der Großhandelspreis für Kartoffeln auf dem Warschauer Markt Bronisze zwischen 0,60 und 0,80 Zloty pro Kilo. Das ist rund 40 Prozent niedriger als im Vorjahr. Laut Andrzej Przepióra von der Landwirtschaftskammer Großpolen wirkt sich der Großhandelspreis kaum auf den Endpreis im Laden aus. Denn dort kommen zusätzliche Kosten für Energie, Transport und Zwischenhandel hinzu. Der Anteil des Rohprodukts am Endpreis beträgt lediglich etwa 11%.

„Jeder kämpft um seine Marktposition, jeder kämpft ums Überleben“, betonte Minister Krajewski im Interview mit dem Radiosender RMF FM. Gleichzeitig verwies er auf die langen Lieferketten: „Oft sind es die Zwischenhändler, die auf Kosten der Produzenten verdienen. Sie bieten extrem niedrige Einkaufspreise an, während wir im Laden nicht sehen, wer wirklich profitiert.“

Laut Jakub Olipra, Ökonom bei Credit Agricole Bank Polska, habe das aktuelle Überangebot mehrere Ursachen: „Der Sommer war in ganz Europa tourismusschwach, aber landwirtschaftlich gesehen sehr produktiv. Dazu kommen die hohen Erntekosten durch steigende Löhne und Arbeitskräftemangel. Doch vor allem war es eine klassische Ernteschwemme.“

„Skandalös niedrige Preise“ und Forderungen nach Transparenz

Der Verband der Obstbauern der Republik Polen kritisierte kürzlich, dass „die meisten Handelsketten, darunter auch polnische, die Obstlieferanten zu skandalös niedrigen Preisen zwingen, oft unter einem Zloty pro Kilo Äpfel. Währenddessen kostet das gleiche Kilo im Laden 5 bis 6 Zloty. „Das bedeutet, dass die Geschäfte bis zu 3 Zloty pro verkauftem Kilo verdienen“, heißt es in der Stellungnahme. Der Verband schlägt vor, ein Gesetz nach französischem Vorbild, EGalim 2, einzuführen, das die Händler verpflichtet, den Einkaufspreis gegenüber den Konsumenten offenzulegen.

Reaktionen der Politik

Der ehemalige stellvertretende Landwirtschaftsminister Michał Kołodziejczak, Gründer der Bewegung Agrounia, bezeichnete die Selbstpflückaktionen als „Akt der Verzweiflung“. „Man muss den Menschen danken, die den Landwirten helfen, denn das ist echte Unterstützung“, sagte er im Gespräch mit Fakt. Gleichzeitig warf er der Regierung vor, keine strategische Agrarpolitik zu entwickeln und keine starken Marken polnischer Lebensmittel aufzubauen.

„Das Ministerium sollte Soforthilfen bereitstellen, damit die Landwirte bis zur nächsten Saison überleben können. Wenn in den nächsten Tagen keine Vorschläge kommen, werde ich selbst Lösungen vorstellen“, kündigte Kołodziejczak an.

Verdacht auf Preisabsprachen

Minister Krajewski erklärte außerdem, dass es Hinweise auf mögliche Preisabsprachen auf den Agrarmärkten gebe. Er habe daher den Präsidenten der UOKiK gebeten, entsprechende Untersuchungen einzuleiten.

Bereits zuvor hatte sich das Ministerium an die Behörde gewandt, nachdem der Verdacht auf Preisabsprachen beim Ankauf von Beerenfrüchten aufkam. Die Ermittlungen ergaben, dass fünf Unternehmen in der Woiwodschaft Großpolen die Preise untereinander abgestimmt haben könnten. Es liegen Beweise vor, dass sie Preislisten austauschten und diese dann gegenüber den Lieferanten anwendeten.

Für die Teilnahme an einem solchen Kartell droht eine Geldstrafe von bis zu 10% des Jahresumsatzes. Natürlichen Personen, die direkt an der Absprache beteiligt waren, können Strafen von bis zu 2 Millionen Zloty auferlegt werden.

Quelle: money

Foto: Freepik

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