Immer mehr Gemeinden in Polen diskutieren über ein nächtliches Alkoholverkaufsverbot. Eine aktuelle Umfrage zeigt, dass die Bevölkerung überraschend einig ist. Die Ergebnisse werfen ein neues Licht auf gesellschaftliche Einstellungen in Polen und regen zum Nachdenken an.
Laut einer repräsentativen Umfrage des Instituts IBRiS für die Polnische Presseagentur (PAP) sprechen sich fast 70 Prozent der Befragten für ein Verkaufsverbot von Alkohol zwischen 23 Uhr und 6 Uhr morgens in ihrer Gemeinde aus. Von den insgesamt 1069 Befragten stimmten 40,2 Prozent „definitiv dafür“ und 27,8 Prozent „eher dafür“.
Ablehnend äußerten sich 28,3 Prozent, wobei 14,3 Prozent „eher dagegen“ und 14,0 Prozent „definitiv dagegen“ votierten. 3,7 Prozent gaben an, keine feste Meinung zu haben. Die Befragung fand am 19. und 20. September 2025 statt. Städte mit bereits bestehendem vollständigem Verkaufsverbot wurden aus der Analyse ausgeschlossen.
Frauen und junge Menschen besonders zustimmend
Die Zustimmung ist stark demografisch geprägt. Frauen unterstützen das Verkaufsverbot mit 80,1 Prozent deutlich häufiger als Männer, die nur auf 57,8 Prozent Zustimmung kommen. Männer lehnen es zudem öfter kategorisch ab, 19,7 Prozent gaben „definitiv nicht“ an, während dieser Wert bei Frauen lediglich 7,4 Prozent beträgt.
Auch die Altersgruppen zeigen interessante Unterschiede. Den höchsten Wert erreicht die Gruppe der über 70-Jährigen mit 81,1 Prozent Zustimmung. Doch auch junge Erwachsene zwischen 18 und 29 Jahren äußerten sich zu 73,2 Prozent zustimmend, was nur geringfügig unter dem Wert der Seniorinnen und Senioren liegt.
Unterschiede zwischen Städten und Bildungsschichten
Neben Geschlecht und Alter spielt auch der Wohnort eine Rolle. In Kleinstädten mit bis zu 50.000 Einwohnern liegt die Zustimmung für das Alkoholverkaufsverbot bei 74,4 Prozent. In Großstädten mit mehr als 250.000 Einwohnern beträgt sie 69,6 Prozent. Deutlich niedriger fällt das Ergebnis in Mittelstädten mit 50.000 bis 250.000 Einwohnern aus, dort sprechen sich lediglich 58,5 Prozent für das Verbot aus.
Ein ähnliches Muster zeigt sich beim Bildungsniveau. Personen mit Grund- oder Berufsausbildung äußern mit 77,9 Prozent die stärkste Unterstützung. Mit zunehmendem Bildungsgrad sinkt die Zustimmung, bis hin zu 63,1 Prozent unter Hochschulabsolventinnen und -absolventen.
Sicherheit als entscheidendes Argument
Laut IBRiS-Kommunikationsdirektor Kamil Smogorzewski geht es bei der Debatte nicht um Ideologie, sondern um praktische Überlegungen. Weniger nächtlicher Alkoholverkauf bedeutet weniger Konflikte, mehr Sicherheit und eine ruhigere Umgebung.
“Besonders junge Erwachsene überraschen mit ihrem hohen Maß an Zustimmung, da ihnen oft eine Vorliebe für liberale Veränderungen zugeschrieben wird. Ihr Votum zeigt jedoch Pragmatismus und Verantwortungsbewusstsein. Auch für Frauen ist Sicherheit der ausschlaggebende Faktor. Die negativen Folgen des unbegrenzten Verkaufs wie Gewalt, Lärm und Unsicherheit im öffentlichen Raum werden von ihnen besonders stark wahrgenommen”, meinte er.
Pilotprojekt in Warszawa / Warschau
In Warszawa / Warschau wurde die Einführung eines stadtweiten Verkaufsverbot in der vergangenen Woche abgelehnt. Der Stadtrat beschloss jedoch, ein Pilotprojekt in zwei Bezirken zu starten: Śródmieście (Stadtmitte), und Praga-Północ (Praga-Nord). Dort soll der Verkauf in Geschäften und Tankstellen nachts eingeschränkt werden.
Bereits in städtischen Bürgerbefragungen hatten sich über 80 Prozent der Warschauerinnen und Warschauer für ein solches Verbot ausgesprochen. Auch das sogenannte „Warschauer Barometer“ zeigte, dass mehr als 60 Prozent der Bevölkerung die Einführung einer nächtlichen Verkaufsbeschränkung befürworten.
Wachsende Zahl von Gemeinden mit Verkaufsstopp
Der Trend zum nächtlichen Alkoholverkaufsverbot setzt sich landesweit fort. Zwischen 2018 und 2024 führten rund 180 Gemeinden in Polen entsprechende Regelungen ein. Allein im Sommer 2025 kamen mehrere Städte hinzu. Giżycko / Lötzen beschloss ein saisonales Verbot im Juni, Słupsk / Stolp folgte im Juli, Szczecin / Stettin Anfang August und Gdańsk / Danzig Anfang September.
Alles deutet darauf hin, dass weitere Gemeinden diesem Beispiel folgen werden – getragen von einer gesellschaftlichen Mehrheit, die Sicherheit und Ruhe höher bewertet als uneingeschränkte Konsummöglichkeiten.
Quelle: onet
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