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Spitzen an der Weltspitze

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Koniakau/Koniaków ist ein verlockendes Dorf, das in der Woiwodschaft Schlesien liegt. Der auf den ersten Blick ruhige Ort ist in der Modewelt sehr geschätzt. Warum eigentlich? Wegen der Koniakauer Spitze!

 

Geschichte

“Häkeln ist eine Tradition, die vor über 120 Jahren von einer Bewohnerin Koniakaus ins Leben gerufen wurde. Es war die Frau des Bürgermeisters – Zuzanna Wałach. Am Anfang hat man nur Hauben gehäkelt – ein Element der traditionellen Tracht, das verheiratete Frauen auf dem Kopf getragen haben. In damaligen Zeiten waren Hauben sehr populär unter Ehefrauen. Um nicht in das 15 km entfernte Jablunkau/Jabłonków zu laufen und um Geld zu sparen, vor dem man damals nicht viel hatte, haben sie die Hauben einfach selbst gemacht. In den Schulen gab es ein spezielles Fach, wo die Mädchen die Häkeltechnik gelernt und später sogar diese Technik weiterentwickelt und verschiedene Muster hergestellt haben. So hat sich die Tradition der gehäkelten Koniakauer Spitze entwickelt. Sie ist bekannt für die Vielfalt der Blumen- und Pflanzenmotive, die immer symmetrisch und sternförmig verteilt sind. Kreisförmige Tischdecken, die aus der Koniakauer Spitze gemacht sind, enthalten so genannte “Blumen”. Das von Generation zu Generation weitergegebene Motiv, ist von der Natur inspiriert und in Kreisen organisiert, die sich von innen nach außen vergrößern. 

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In den 20er Jahren haben die Bewohnerinnen von Koniakau Tischdecken in Wisła / Weichsel – einem touristischen Kurort, verkauft. In den 50er Jahren haben sie Sachen für Cepelia – einer zentralen Gewerkschaft der handwerklichen Genossenschaften gehäkelt und das bis zur Schließung der Institution. Außer verschiedenen Formen von Tischdecken (runde, ovale, quadratische) hat man auch Blusen, Kleider, Handschuhe und Kragen gemacht.‘‘ – erzählt Lucyna Ligocka-Kohut, Volkskultur Managerin.

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Riesen-StringTanga-Skandal

Es gab auch Zeiten, wo die Koniakauer Spitze an ihrer Popularität verloren hatte. Auf den Markt kamen chinesische Produkte, die nicht nur billiger waren, aber auch mit ihrer äußerlichen Erscheinung die Kunden anlockten. Die Handarbeit geriet deswegen ins Abseits. Das wollte sich Małgorzata Stanaszek nicht gefallen lassen und kam auf eine originelle Idee, wie man die Tradition retten könnte und sie häkelte den ersten String-Tanga! Mit dem, was später passierte, hat jedoch niemand gerechnet. Ein Riesenskandal ist ausgebrochen und erreichte wortwörtlich ein globales Ausmaß. Korrespondenten aus Moskau, Japan und den Vereinigten Staaten sind nach Koniakau gekommen und hängten die Sache an die große Glocke. Sogar die BBC hat darüber berichtet. Wieso ist aber die Affäre überhaupt ausgebrochen? Vor allem die älteren Damen waren empört. Für sie war es eine große Beleidigung und Zerstörung des Rufs und Bildes der Koniakauer Spitze, denn diese kam auf den Altar, hat das Messegewand von Bischöfen geschmückt und auf einmal verzierte sie die Schokoladenseite verschiedener Leute. Małgorzata Stanaszek musste nicht nur viel Kritik, sondern auch Beleidigungen wegstecken. Sogar vor der Kirche wurde sie Beschimpfungen ausgesetzt. Sie zeigte Charakter, hat nicht aufgegeben, denn sie wusste, dass es eine Gruppe von Menschen gibt, die sie unterstützen. Später als die Tangas immer beliebter wurden, haben sogar die größten Gegnerinnen der Idee Stanaszeks, angefangen String-Tangas zu häkeln und somit war die Koniakauer Spitze wieder voll im Trend. 

Foto: Lucyna Ligocka-Kohut 

 

Nicht nur Slips

Noch heute werden Tischdecken gehäkelt. Die Häklerinnen orientieren sich an den aktuellen Trends und erfinden die ganze Zeit neue Muster. Damit ist aber längst nicht Schluss. In Koniakau werden verschiedene Weihnachtsdekorationen und sogar, besonders in der letzten Zeit immer populärer, Traumfänger gemacht. Hier entsteht wunderschöner Schmuck von Mariola Wojtas und Bilder, die aus Spitze von Beata Legierska gemacht sind, die eine Meisterin im Häkeln ist. Ihre Werke sind aus einem ganz dünnen Faden, den man nur durch eine Brille sieht, gemacht. Immer häufiger wird auch Kleidung aus Spitze gekauft. Durch den String-Tanga-Skandal besorgen sich viele sehr gern Unterwäsche. Von Małgorzata Stanaszek, der Besitzerin des Geschäfts Koni-Art, die sich hauptsächlich mit Brautkleidern beschäftigt, erfahren wir, dass sie zum Beispiel Hochzeitshandschuhe, originelle Strumpfbänder und auch Sachen, die nicht mit einer Hochzeit verbunden sind, wie zum Beispiel zweifarbige Schals, Ponchos mit Fransen, Westen oder lange Röcke, fertigt und verkauft. Verblüffend ist die Tatsache, dass auch Männer gerne Sachen aus der Koniakauer Spitze kaufen. Meistens bestellen sie ärmellose Shirts, Fliegen z. B. zweifarbige, aber manchmal auch Krawatten oder Boxershorts. Doch letztens bekam Małgorzata Stanaszek eine ungewöhnliche Bestellung. Ein Niederländer hat sich einen offen String-Tanga gewünscht. Die Bestellung wurde natürlich fertiggemacht, denn die Besitzerin von Koni-Art zählt zu diesen Häklerinnen, für die es nichts Unmögliches gibt.

 

Muster und Trends

Wo suchen die Häklerinnen Inspirationen? Małgorzata Stanaszek gibt zu, dass sie sich davon inspiriert lässt, was sie sieht. Inspirierend kann zum Beispiel, während eines Filmabends, die Bluse der Schauspielerin sein. Nach dem Film versucht Stanaszek das Muster nachzumachen. Alte Zeitungen sind für sie auch eine Inspirationsquelle. Einen sehr großen Einfluss auf die Spitze haben aktuelle Trends, denn dank ihnen entstehen neue Muster und Sachen. Interessant ist, dass die Koniakauer Spitze immer beliebter im Ausland ist. Die Vereinigten Arabischen Emiraten, Ägypten oder Afrika sind Orte, aus denen schon öfters Bestellungen eingetroffen sind. Diese Kunden kaufen am liebsten Badeanzüge.

 

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Steigende Popularität

Die Koniakauer Spitze sorgt auch für großes Aufsehen unter Promis und Stars. Von der Koniakauer Spitze sind Fernsehmoderatorinnen, Bankdirektorinnen und sogar Prominente wie Beyonce oder Britney Spears fasziniert. In Koniakau wurden sogar Kostüme für Victoria’s Secrets Fashion Show gehäkelt! Die Spitzen wurden auch für die japanische Modedesignerin Rei Kawakubo hergestellt. Sie hat sie in ihrer Frühlingskollektion verwendet und auf der Paris Fashion Week 2018 gezeigt. Für die Koniakauer Tradition haben sich auch Fernsehsender interessiert – letztens hat Discovery in Koniakau eine Folge von „How do they do it‘‘, in der sie zeigen, wie die Koniakauer Spitze gemacht wird, gedreht. 

 

 
Foto: Lucyna Ligocka-Kohut

Versteckter Ruhm

Viele Sachen werden für andere Firmen gemacht, die der Künstler dann noch verarbeitet und weitergibt. Die Häklerinnen wissen während des Häkelns eines Kleides oder Unterwäsche, dass diese bei einer Modenschau gezeigt werden, doch ein weltbekannter Künstler fügt das Muster in seine Kollektion hinzu und somit wird es als sein Werk anerkannt. Małgorzata Stanaszek und andere Häklerinnen können bewundern, wie sich ihre Kreationen z.B. im Fernseher präsentieren, aber sie dürfen nicht sagen, dass das ihre Werke sind. Letztens kam ein bekannter polnischer Modemacher zu Besuch, der sofort gesagt hat, dass er die gewünschten Sachen bezahlt, also darf keiner erfahren, dass sie sie gemacht hat und nicht, wie es später erzählt wird, er.

 

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Tradition

Für die Bewohner von Koniakau, besonders für Frauen, ist die Tradition des Häkelns ein wichtiger Teil ihres Lebens. Sie wird fast in jedem Haus gepflegt. Mütter bringen es ihren Töchtern bei und Omas ihren Enkeltöchtern. Es ist eine Tradition, die letztes Jahr auf die Nationale Liste des immateriellen Kulturerbes hinzugefügt wurde. Leider sinkt die Anzahl der Häklerinnen. Die Spezifik des Koniakauer Häkelns ist charakteristisch, weil die Geheimnisse und die Art des Ausführens zu Hause gelernt werden. Die Häklerinnen wachsen in der Tradition auf, die mündlich übertragen wird, deswegen ist es für die Menschen von Außen schwer diese Technik zu beherrschen. Auf den ersten Blick scheint es so, dass jeder in der Lage ist, wenn nicht eine Reproduktion, dann wenigstens etwas Ähnliches zu häkeln. In der Praxis kann solche Kompositionen und Muster, die in Koniakau entstehen, kein anderer nachmachen. 

 

Guinness Rekord

Auf die Idee, den Guinness Rekord zu brechen, kam Lucyna Ligocka-Kohut, die seit 12 Jahren die Spitze fördert, in dem Gemeindekulturhaus in Istebna arbeitet und dieses Jahr die Stiftung der Koniakauer Spitze gegründet hat, um noch stärker die Häkeltradition zu verbreiten. Ihr Ziel war es, die Menschen aufzuklären, was Häkeln ist. Der String-Tanga-Skanfoto: Lucyna Ligocka-kohut #Stories 33 dal hat für großes Aufsehen um die Koniakauer Spitzen gesorgt. Es entstanden Artikel, Fernsehprogramme, aber man hat sich nur mit Unterwäsche beschäftigt, deswegen wussten die Menschen nicht, dass ursprünglich wunderschöne gehäkelte Servietten gemacht worden sind und das wollte Lucyna Ligocka-Kohut ändern. Sie wusste, dass um das Interesse der Menschen zu wecken, es in den Medien gezeigt werden muss. Der Plan, den Guinness Rekord zu brechen, schien ideal dafür geeignet zu sein. Dank ihres Engagements gelang es nicht nur Geld vom Ministerium für Kultur und Nationales Erbe zu besorgen, sondern auch 5 Häklerinnen zu finden, die 2013 sich dieser Aufgabe gestellt haben. Das Ergebnis ihrer 5-monatigen Arbeit ist eine Serviette,die 8000 Motive und einen Durchmesser von 5 Metern hat. Dank Lucyna Ligocka-Kohut ist die Serviette auf eine Tournee quer durch Europa gegangen und wurde nicht nur in Warschau, sondern auch in Prag, Budapest und Bratislava bewundert.


Zespół Regionalny Koniaków / Foto: Mirosław Czepczor

Sehenswürdigkeiten zum obligatorischen Besuch

Jedes Jahr finden am 15. August in Koniakau, die Tage der Koniakauer Spitze statt, also ein Fest der Spitze. Es ist aber nicht die einzige Möglichkeit die Werke aus Spitze zu sehen. Man kann sie von Juni bis September im Gemeindekulturhaus in Istebna, wo sich die Ausstellung der Volkskunst befindet, bewundern. Wenn man in Koniakau ist, sollte man das Spitze-Museum, also die Stubenausstellung zur Erinnerung an Maria Gwarek besuchen. Dort werden großartige Tischdecken und Gardinen präsentiert, die die Schirmherrin der Stube angefertigt hat. Die größte Attraktion ist die nicht beendete Serviette, die Königin Elisabeth II. bekommen sollte. Das Projekt wurde nie beendet, weil während der Arbeiten Maria Gwarek verstorben ist. Es lohnt sich auch die Galerie von Tadeusz Rowiecki zu besuchen. Dort kann man Skulpturen, Gemälde und natürlich die Koniakauer Spitze betrachten. Die Hauptattraktion sind aber die Trembita, also traditionelle Hirteninstrumente, die aus einer zylindrischen Holzröhre, die zwei bis fünf Meter lang ist, bestehen. Der Eigentümer der Galerie stellt sie selbst her und kann sogar auf ihnen spielen. Eine traumhafte Ausstellung findet man auch in der Galerie Kukuczka, wo man die Werke von Beata Legierska, also Bilder aus Spitze, bewundern kann. Im April eröffnet Lucyna Ligocka-Kohut in Koniakau ein Zentrum der Koniakauer Spitze, wo sich ein Museum der Spitze und ein Geschäft befinden werden. Dort werden auch Workshops für Kinder und Erwachsene veranstaltet. 

Die Koniakauer Spitze ist eine Tradition, die sich die ganze Zeit weiterentwickelt. Sie fasziniert mit ihrer Originalität, die nicht nur die Bewohner, sondern auch Ausländer zu schätzen wissen. Der Skandal hat ihr die Tür zum Ruhm und der Modewelt geöffnet. Manchmal kann auch die kontroverseste Idee ein Volltreffer sein, so wie es in Koniakau mit dem String-Tanga war.

 

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