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Kunst, Gegenwart, Gesellschaft

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Breslau lockt mit seinem wunderschönen Ring und den um ihn herumliegenden Straßen an. Dabei bezaubert die Stadt auch mit modernen Bauten, deren Zahl ständig steigt. Wenn man nach einiger Zeit zurückkommt, entdeckt man gleich die Veränderungen. Dies beraubt Breslau nicht von der einzigartigen Atmosphäre einer Stadt, die aus den Trümmern wiedererstanden ist und stets dazu bereit ist, sich für seine Bewohner zu verändern und ihren Wünschen entgegen zu kommen. Es lohnt sich, das Zentrum hinter sich zu lassen und den Strzegomski-Platz zu besuchen. Hier befindet sich der historischer Luftschutzbunker mit der monumentalen Pleinair-Skulptur von Andrzej Jarodzki – Pociąg do Nieba (dt. Zug zum Himmel) in naher Nachbarschaft.  

Interessanter Platz für Kunst

„Było, jest, będzie” („Es war, es ist, es wird”) – lauten die Worte auf der Fassade des 1942 von Richard Konwiarz entworfenen Bunkers. Der Ausschnitt aus dem Werk des Breslauer Künstlers Stanisław Dróżdż, Gründers der Konkreten Poesie, wird in diesem Stadtteil besonders viel Gewicht verleiht. Die Stadtviertel Szczepin und Popowice wurden während des Zweiten Weltkriegs dem Erdboden gleichgemacht. Grund dafür war die Bombardierung des Bunkers, der während der Schlacht um Breslau als Lazarett für rund Tausend Verwundete, und nach dessen Evakuierung als Versteck für 80 Nationalsozialisten diente. „Rundherum wurde alles zerstört. Den Menschen ist es nicht bewusst, dass die jetzige architektonische Form des Stadtteils die Folge dieser Ereignisse ist. Die Bebauung wurde vernichtet, sie hat die Bombardierung nicht überstanden, der Bunker aber schon,“ sagt im Gespräch mit PolenJournal.de Małgorzata Miśniakiewicz, die Kuratorin der Sammlung des Zeitgenössischen Museums Wrocław (Muzeum Współczesne Wrocław, MWW), das sich ab 2011 in diesem Gebäude befindet und bereits zu den wichtigsten meinungsbildenden Institutionen Polens, die gegenwärtige Kunst präsentieren, zählt. Nach dem Fall der Festung Breslau richtete man in dem Bunker wieder ein Krankenhaus ein und Ende der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts befanden sich hier Großläden und Supermärkte. Später wurde der Bunker zum wichtigen Treffpunkt von Jugendlichen.

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Mit über 1 Meter dicken Wänden und ohne Fenster zählt das zylinderförmige Gebäude mit sechs Etagen bestimmt zu den originellsten Plätzen Breslaus, wo man Zeit mit der Kunst verbringen kann. Hinter der Eingangstür wartet auf den Gast ein Labyrinth, ohne Zugang zur Außenwelt. Hier wird er von dem Unruhe weckenden Innenraum eingezogen, der ihn dazu veranlasst, sich die verschiedensten Fragen zu stellen. Man findet hier keine typischen Ausstellungsräume, denn in der Mitte des Bunkers wurde der Aufzugsschacht eingebaut. Was übrig bleibt, ist das Herumirren durch die Korridore und das langsame Kennenlernen des Gebäudes, was eine interessante Art und Weise für die Entdeckung der Kunst bietet. Die Fahrt mit dem Lift fühlt sich an wie eine surrealistische Reise durch unterschiedliche Dimensionen. „Das Gebäude ist bestimmt eine Herausforderung für die Gäste”, meint Małgorzata Miśniakiewicz. „Das Fehlen von Fenstern und Sonnenlicht, und die kreisförmigen Räume tragen dazu bei, dass die Besucher sich in den Raum wiederfinden müssen. Der Bunker ist auch ein sehr schwieriger und anspruchsvoller Raum für die Kuratoren und Kunst. Für viele großformatige Werke sind die Decken zu niedrig, also wurden sie an manchen Stellen durchgestoßen, was die Konstruktion und Ausstellungsrezeption beeinflusst. Der kreisförmige Raum, in welchem sich der Gast auf bestimmter Art und Weise bewegen muss und wo es unpassierbare Distanzen gibt, ist bestimmt nicht neutral. Das Gebäude ist heute gut dazu vorbereitet, um hier Kunstwerke aufzubewahren. Wir arbeiten sehr hart, damit sie die besten konservatorischen Bedingungen haben – Luftfeuchtigkeit, Temperatur… Hygrometer standen nicht im Mittelpunkt beim Entwerfen des Bunkers,“ erklärt die Kuratorin und fügt hinzu: „Paradoxerweise führt der Raum dazu bei, dass manche Aspekte der Ausstellungen besser akzentuiert werden und kraftvoller auf die Rezipienten wirken. Nehmen wir zum Beispiel die aktuelle Ausstellung Szczurołap (dt. Ratenfänger), die auf zivilisatorische Bedrohungen hinweist, über die Risikogesellschaft spricht und den Einfluss von sozialen, politischen und technologischen Faktoren auf das Individuum präsentiert. Dieses Gebäude, das Baumaterial und der zentrale Plan heben diese Narration noch mehr hervor.“


Zeitgenössisches Museum Wrocław Foto: Muzeum Współczesne Wrocław

Die Architektur und die ehemalige Bestimmung des Gebäudes regen zum Nachdenken über die Sicherheit und Lage der heutigen Welt an. Hinter diesen Wänden scheint die Kunst sehr gut geschützt zu sein, es entsteht aber die Frage, ob es doch nicht eigenartig ist, dass Werke, die die neusten Ereignisse kommentieren, vollkommen von der Außenwelt getrennt sind? Das Programm des Museums ist es bestimmt nicht. Die stets wachsende Besucherzahl zeugt von großem Interesse mit diesem Platz, obwohl er sich nicht auf der touristischen Route der Stadt befindet. „Wenn uns jemand besucht, dann wissen wir, dass es kein Zufall ist. Diese Menschen mussten sich auf den Weg zu uns aus dem Zentrum machen“, erklärt die Pressesprecherin des Zeitgenössischen Museums, Magdalena Skrabek. Um an den Strzegomski-Platz zu gelangen, muss man 20 Minuten für einen Spaziergang vom Ring aus reservieren oder man nimmt einfach die Straßenbahn und ist nach drei Haltestellen, also fünf Minuten, am Ziel. Die Entfernung sollte bestimmt kein Problem bilden, aber, wie die Kuratorin Małgorzata Miśniakiewicz erklärt, handelt es sich um eine mentale Barriere: „Ich denke, dass Breslau eng mit dem historischen Zentrum verbunden ist. Das Museum befindet sich an seiner ehemaligen westlichen Grenze.“  

Ein Museum, das die Grenzen zwischen Kunst und Leben überschreitet  

Abgesehen davon, ob die Lage des Gebäudes ein Problem darstellt oder auch nicht, muss man zugeben, dass das Museum zahlreiche Gäste anzieht. Im vorherigen Jahr wurde es von über 43 300 Personen besucht. „Das Interesse wächst ununterbrochen“, sagt Magdalena Skrabek. „Wir beobachten es anhand der jährlichen Besucherzahl. Von Jahr zu Jahr besuchen uns immer mehr Gäste – es handelt sich um 2 Tausend Besucher mehr pro Jahr. Vom Interesse an dem Museum zeugen auch die Followerzahlen in Social Media – auf Facebook oder Instagram. An den Lehrveranstaltungen, Vorlesungen und Vernissagen nimmt eine feste Besuchergruppe teil, aber je nach der Thematik der präsentierten Ausstellung, sind auch neue Gesichter zu sehen, was uns jedes Mal sehr freut. In die Besucherzahl werden sowohl Personen gezählt, die sich die Ausstellungen ansehen, wie auch Teilnehmer der Vernissagen und anderen Events. Wir wissen auch, dass das Gebäude selbst viele Menschen durch seine Architektur anzieht und die Ausstellungen nur nebenbei besucht werden. Wir betrachten es aber nicht als Nachteil. Im Gegenteil – wir sind stolz, dass wir das Gebäude so gut für Aufnahme von Gästen und Präsentieren von Kunst vorbereitet haben“.

Beeindruckend ist auch das Museumsprogramm, das in drei Teile gegliedert ist – den wissenschaftlichen Teil und den Ausstellungsteil, den Bildungsteil und den sozialen Teil. Auf den zweit erwähnten fallen u. a. Workshops für Vorschul- und Schulkinder, Jugendliche, Erwachsene und Senioren. „Unsere Museumspädagogin hat die niedrigste Altersgrenze auf vier Jahre gestellt“, erklärt die Pressesprecherin. „Wir können annehmen, dass die obere Grenze bis 104 Jahre reicht, denn bei uns gastieren oft Senioren. Wir sind zurzeit die erste Institution in Breslau, die ein reguläres Workshopprogramm für ältere Personen führt. Nach über einem Jahr versammeln wir ein festes Publikum, mit dem wir uns zwei Mal im Monat treffen und über Themen, die mit den aktuellen Ausstellungen verbunden sind, sprechen. Wir sind auch offen auf Kindergartenkinder, Schulkinder und Jugendliche. Wir nehmen an dem Programm „Szkoła w mieście” (dt. „Schule in der Stadt”) teil, in dessen Rahmen der Kunstunterricht bei uns stattfindet. Auch Studenten besuchen uns sehr oft.

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Das soziale Programm wird rund um die aktuellen Ausstellungen gebaut, aber als Inspiration dienen auch die gegenwärtigen Fragen und Themen, die wichtig für die Bewohner Breslaus sind. Dazu zählen Debatten, Vorlesungen, Filmprojektionen (im Kino na Dachu oder Kino Schron), Autorentreffen und Konferenzen. Das Museum sucht die Grenze zwischen der Kunst und Leben zu verwischen und die Menschen sozial zu engagieren. „Im Namen des Museums finden wir das Wort „Kunst“ nicht. Es ist kein Zufall. Damit ist unsere Vorstellung vom Museum, seiner Funktion und was es sein kann, ausgedrückt. Die sozialen Events und das Überschreiten von Kunstgrenzen – unterschiedlich verstanden – sind für uns sehr wichtig“, sagt Małgorzata Miśniakiewicz.

Das Museum überschreitet die Grenzen auf verschiedene Art und Weise, indem es auf die Bedürfnisse der Besucher antwortet und für alle zugänglich sein will. In dem Bildungsangebot sind Führungen für Personen mit Behinderung vorgesehen. In vergangenen Monaten fanden Lehrveranstaltungen für Sehbehinderte statt – „Es ist eine Herausforderung für unsere Pädagogin und zugleich eine sehr bereichernde Erfahrung für sie. Für Blinde ist die Architektur selbst und die sich wiederholende Formen sehr wichtig. An anderen Workshops nahmen Personen ohne Sehprobleme zusammen mit Sehbehinderten teil. Ihnen wurden die Augen zugedeckt, damit sie auch das fühlen konnten, was die Blinden“, erzählt die Kuratorin der Sammlung. Ein anderes Beispiel für das Entgegenkommen den Bedürfnissen der Gesellschaft ist die Vorbereitung des Angebots für die nach Breslau kommenden Ukrainer. „In unserem Museum sind alle Informationen ins Englisch übersetzt. Wir wollen aber auch die ukrainische Sprache in Betracht nehmen, um an Personen zu gelangen, die sowohl in Polnisch, wie auch in Englisch sich nicht wohlfühlen. Im Herbst wollen wir mit dem Projekt Polen-Ukraine beginnen – einen Führungs- und Workshopzyklus für die ukrainische Gesellschaft – der zurzeit größten Minderheit in unserer Stadt. Das Projekt soll uns helfen, mehr über unsere östlichen Nachbarn zu erfahren, wie auch ihnen die Möglichkeit geben, sich besser in den neuen Kontext einzuleben und sich in seinem Rahmen wohlzufühlen. Nach den Sommerferien kommen wir wieder zum Programm „Rozrusznik bez Barier” (dt. „Barrierefreier Schrittmacher“) zurück, der den Geistesbehinderten gewidmet ist. Die Workshops sind besonders an Personen mit außerordentlichen Bildungsbedürfnissen gerichtet – Schulgruppen und Erwachsene, für welche die plastische Ausdrucksmöglichkeit einen natürlichen therapeutischen Prozess bildet.


Małgorzata Miśniakiewicz, Kuratorin der Sammlung des Zeitgenössischen Museums Wrocław, Foto: polenjournal.de

Das Engagement der Besucher wird im Bereich des sog. Selbstbedienungsmuseums auf der zweiten Etage besonders gefördert. Dieser Raum ist seit den Anfängen des Museums für die interaktiven Ausstellungen, die von der Künstlerin der Breslauer Akademie der Bildender Künste Patrycja Mastej entworfen werden, reserviert. Sie bestehen sehr oft aus beweglichen Elementen, die man beliebig umstellen kann und auf diese Weise eigene Kompositionen schaffen. „Das Selbstbedienungsmuseum (pl. Samoobsługowe Muzeum) ist ein Raum, der der Interaktion mit der Kunst gewidmet ist und wo die Besucher von der in Museen geförderten expressiven Zurückhaltung befreit werden. Aus diesem Grund ist dieser Bereich sehr beliebt bei den kleinen, aber auch erwachsenen Rezipienten. Er deckt auch das Teilnahmebedürfnis an der Kunst bei Personen mit motorischen und intellektuellen Behinderungen. Ziel der interaktiven Installationen ist die Ermutigung zum Kunsterfahren und Mitgestaltung von Kultur und zeitgenössischer Kunst durch Kinder und Jugendlichen – auch aus Integrationsinstitutionen und therapeutischen Einrichtungen,“ erzählt die Pressesprecherin. Die interaktiven Ausstellungen werden einmal pro Jahr gewechselt, jetzt kann man schon die 10. Auflage bewundern. Diesmal finden die Besucher, nachdem sie den Aufzug verlassen einen einzigartigen Wald auf der zweiten Etage, wo sie sich auf einem der mit Moos bewachsenen Steinen hinsetzen können und nach Herzenslust die magnetischen Elemente bewegen können. Die Ausstellung Duchy Lasu (dt. Waldgeister) ist noch bis Ende Oktober offen und ist bereits jetzt bei den Kindern sehr beliebt. Man muss auch hinzufügen, dass die interaktiven Ausstellungen für alle abgesehen von dem Alter und in Öffnungszeiten des Museums kostenfrei zugänglich sind.

Duchy Lasu ist die leichteste Ausstellung, die man zurzeit in dem Zeitgenössischen Museum Wrocław sehen kann. „Aktuell ist unser Angebot intellektuell und emotional sehr anspruchsvoll“, sagt Małgorzata Miśniakiewicz. „Szczurołap stieß auf sehr positive Kritik. Das Museumsprogramm ist sehr abwechslungsreich. Ein wichtiger Teil unserer Tätigkeit bildet die Neoavantgarde und die konzeptuelle Identität Breslaus und der Region. Bislang veranstalteten wir zahlreiche Ausstellungen, die den Konzeptualismus und der Kunst der 60er und 70er Jahre gewidmet waren. Wir haben auch die tschechische, slowakische, kroatische und lokale Kunst präsentiert. Grundsätzlich ist für uns die Dynamik zwischen dem regionalen, internationalen und globalen künstlerischen Milieu, wo das Museum neben den Breslauer Traditionen auch auf zahlreiche Verbindungen, Synchronisationen und Analogien, die nicht nur in Polen, sondern auch international stattfinden, hinweist“.

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So profiliertes Programm unterscheidet das Zeitgenössische Museum Breslau von der Filiale des Nationalmuseums, also des in der Nähe der Jahrhunderthalle liegenden Vier-Kuppel-Pavillon – dem Museum für Zeitgenössische Kunst. Worin unterscheiden sich diese Institutionen genau? Im Vier-Kuppel-Pavillon sind viele Dauerausstellungen zu finden, die die moderne Kunst präsentieren. Im MWW sind es hingegen nur zwei Ausstellungen, die Jerzy Ludwiński und Stanisław Dróżdż gewidmet sind und sich zu der nähesten Gegenwart beziehen. Aus diesem Grund konzentriert sich das Museum nicht auf Malerei und andere traditionellen Medien.

Breslau unter dem Zeichen der Neoavantgarde

Die Sammlung des Zeitgenössischen Museums Breslau entsteht seit 2011. Das Museum ist außerdem im Besitz der Sammlung der Niederschlesischen Gesellschaft zur Förderung der Schönen Künste, die mehrere hunderte Objekte zählt. „Unsere Sammlung basiert auf vier Leitlinien“, erzählt die Kuratorin. „Die erste bildet die Sammlung des Stadtarchivs, also das Erbe der polnischen, Breslauer Avantgarde. Das ist die lokal-historische Linie. Die zweite konzentriert sich auf die breit gefasste Visegrád-Gruppe, die auch außerhalb dieser vier Länder reicht. Hier wird die Problematik rund um die Identität der postkommunistischen Region akzentuiert. Die dritte Linie richtet sich nach dem Individuum und seiner Identität. Im Vordergrund stehen die Themen Geschlecht, das Verhältnis der Menschen zur Umgebung und verschiedene Faktoren, die das menschliche Dasein und Selbstdefinition determinieren. Zu diesem Bereich zählen auch die künstlerischen Autopräsentationen, also Selbstbildnisse und  die Reflexion der Künstler über ihre Rolle. Die vierte Linie bildet „Obecne nieobecne“ („Anwesend Abwesend”), wo die Geopolitik, das Individuum im Verhältnis zur Welt, Ausgrenzungen, Entfremdung und der Einfluss der Geschichte auf das Schaffen und auf die Zivilisation im Mittelpunkt stehen“. Die Grenzen der gegenwärtigen Kunst sind jedoch verschwommen: „Beim Kauf der Werke stellen wir uns natürlich die Frage, in welche Kategorie wir sie zuordnen, aber sie können sich auch vermischen. Es handelt sich vielmehr um Themenbereiche, die ineinandergreifen, und nicht fest präzisierte Kategorien“.

Einen besonderen Moment in der Geschichte der Breslauer Kunst bildet das Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre, der mit dem Aufbau der polnischen Kultur auf den wiedergewonnenen Gebieten. Nach 1945 kamen zahlreiche Künstler nach Breslau und versuchten ihren Platz in der zerstörten Stadt zu finden. „Man muss in Erinnerung behalten, dass Breslau eine Ruine war und die Künstler nach einer Art Wilden Westen gekommen sind. Das war nicht Krakau mit seinen Jahrhunderten von Tradition… Hier versuchte man vom Neuen die polnische Identität zu schaffen“. Interessierte es die Künstler wirklich? Man kann den Eindruck haben, dass viele von ihnen zur Aufbau der polnischen Kultur beigetragen haben. Man kann aber auch zu der Feststellung kommen, dass die Künstler eher damit beschäftigt waren, ihre eigene Ideen ins Leben zu rufen und nicht sehr viel von der Regierung gehalten haben. Das künstlerische Symposium Breslau ’70 zählt zu den wohl wichtigsten Events in der Geschichte der Stadt vor allem wegen der starken Präsenz des Konzeptualismus. „Mit einem Augenzwinkern haben die Künstler die damalige Situation zu ihren Zwecken genutzt. Die Wende zwischen den 60er und 70er Jahre ist der Augenblick, wo Breslau einen beispiellosen Einfluss auf die Entstehung der polnischen Gegenwartskunst hatte. Manche Kunsthistoriker sind der Meinung, dass die Entfernung zu Warschau diese Atmosphäre begünstigte“, sagt Miśniakiewicz.


Archiwum Jerzego Ludwińskiego, Dauerausstellung foto: Małgorzata Kujda © Muzeum Współczesne Wrocław, 2013

Die Entstehung der Gruppe Luxus ist ebenfalls eine sehr wichtige Episode in der Kunstgeschichte Breslaus. Ihre Teilnehmer scherzten, dass ihre Tätigkeit eigentlich rein gesellschaftlicher Natur ist und die Ausstellungen nur dies rechtfertigen sollten. „Man muss zugeben, dass Luxus die einzige Gruppe ist, die in den 80er Jahren entstanden und bis heute tätig ist. Vor einigen Jahren haben wir ihr eine große Ausstellung gewidmet. Luxus ist etwas Typisches für Breslau und sehr wichtig für MWW“, gibt die Kuratorin zu und erzählt gleich weiter: „Das nächste Kapitel der Kunstgeschichte der Stadt bildet die Orange Alternative, der absolut verrückte Moment der 80er Jahre. Es wurden die Grenzen des Happenings überschritten, Hunderte von Menschen kamen auf die Straßen mit orangefarbenen Mützen auf den Köpfen… Dieses Absurdniveau und die Fähigkeit, ihn auszulachen, ist sehr wichtig für die künstlerische Identität Breslaus. Ironie und Augenzwinkern. Hier handelte es sich auf gar keinen Fall um hohe Kultur“.

Wenn man Breslau von der künstlerischen Seite kennenlernt, fällt es schwer nur über die ernste Kunst zu sprechen, obwohl man diese hier auch bewundern kann. Es handelt sich aber um eine vollkommen andere Atmosphäre, die Breslau ausmacht und die eben durch die gegenwärtige Kunst gebildet war und wird. „Ja, es war nicht Krakau der Vorkriegszeit mit seinen Koloristen und dem Mythos des Künstlers mit einer Baskenmütze auf dem Kopf und Pinsel in der Hand. Hier trug der Künstler der 70er Jahre eher eine Schlaghose statt eine Baskenmütze“, scherzt Miśniakiewicz.

Der Bunker auf dem Strzegomski-Platz ist bestimmt ein einzigartiger Platz für die Kunst. Es lohnt sich, die beliebte Altstadt zu verlassen. Die Kuratorin erinnert aber: „Es ist ein schwieriger Raum und man verlässt das Museum eher frappiert und mit der Frage, was überhaupt während des Besuchs passiert ist? Wir beschäftigen uns nicht mit leichter und angenehmer Kunst. Bei uns ist sie anspruchsvoll. Die Anstrengung lohnt sich aber – wir bekommen viel auf dem Weg“.

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