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Auf Spuren der Unsterblichkeit mit Jakub Ćwiek

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Mit über zwanzig Titeln ist Jakub Ćwiek fester Bestandteil der polnischen Fantastik. Sein Loki aus des Serie „Kłamca“ oder die Jungs aus „Chłopcy“ sind vielen Lesern bekannt. Diesmal wird der “Rock’n’roller unter den Schriftstellern” ein wenig nostalgisch, obwohl er es gar nicht beabsichtigt habe.

„Drobinki Nieśmiertelności“ heißt das gute Stück, was auf Deutsch als „Teilchen der Unsterblichkeit“ übersetzt werden kann. Der Umschlag ist recht monoton in Blau-Schwarz gehalten, die Abbildung einer Stadt im oberen Teil, im Unteren – ein Mann mit Rucksack, der sich auf den Weg macht. 

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Jakub Ćwiek hat seine Reise durch die Popkultur schon vor langer Zeit begonnen, sie führte ihn auch zu ihrer Quelle – nach Amerika, wo er zusammen mit Freunden der Spur seiner Idole gefolgt ist. Der nagelneue Erzählungsband spricht nicht über die Abenteuer des Schriftstellers in den Vereinigten Staaten, wurde jedoch von verschiedenen Situationen, die sich dort abspielten, inspiriert. In der Vorrede gibt der Autor dem Leser einen wichtigen Hinweis – die HBO-Serie Sonic Highways, die die Entstehung der neuen Scheibe der Rockband Foo Fighters dokumentiert, hat es ihm angetan. Genauer gesagt, war es die Idee hinter der Platte. So wie David Grohl wollte auch der Pole vor der amerikanischen Kultur seinen Kopf neigen. 

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Mitte September machte sich Jakub Ćwiek auf den Weg durch Polen, um sein neues Werk dem Publikum persönlich vorzustellen. Auf dem Plan war auch ein Autorentreffen in Breslau, welches zahlreich von Fans besucht wurde. Der Schriftsteller hat aber noch ein bisschen Zeit gefunden, um mit mir bei einer Tasse Kaffee über sein neustes Werk, das Verhältnis zur Kultur und auch die polnische Fantastik zu sprechen. Wie sich herausstellte, hatte er viele gute Storys und auch viele Überlegungen auf Lager, was ihn tatsächlich zu einem Erzähler moderner Art macht.

Emanuela Janda: Dein neustes Buch „Drobinki Nieśmiertelności” ist endlich auf den Ladenregalen gelandet. Es ist nicht dein erstes Werk. Bist du noch überhaupt aufgeregt?

Jakub Ćwiek: Seit zwei Jahren bin ich auf der Suche nach einer anderen Art von Aufregung beim Schreiben. Es sind schon über 20 Titel und in diesem Bereich, in dem ich mich bislang bewegt habe… wie kann ich es sagen? Ich meine nicht, dass ich alle Möglichkeiten ausgeschöpft habe, denn das ist unmöglich, aber ich habe angefangen, mich in diesem Bereich so wohl und sicher zu fühlen, dass es automatisch verläuft. Deshalb brauchte ich etwas Neues, etwas, dass mich in eine andere Richtung lenken würde… Ich suchte nach etwas, was mich wieder für das Erfinden einer Story begeistern würde. Aus diesem Grund habe ich zusammen mit meinen Freunden ein Reisebuch geschrieben und „Drobinki Nieśmiertelności“, die eigentlich ein Erzählungsband bilden und mit Fantastik nichts zu tun haben. Ich bin des Werkzeugs losgeworden, das ich ganz gut beherrsche. Ich wollte wissen, wie es ohne ihn geht, ohne Gadgets, ohne diese Art von Absicherung für den Fall – was weiß ich? – einer Handlungswendung. Es ist ein tolles Werkzeug, das man benutzen kann, wenn etwas in der Geschichte falsch läuft, denn dann kann ich mir die Welt selbst ausdenken, selbst ausbauen. Ich kann zum Anfang zurückkehren und die Geschichte mit einem Fantasy-Element ausschmücken. Jetzt hatte ich es nicht. Diesmal war es ganz anders, aber auch gut. 

 

Die phantastischen Elemente sind also für dich eine Art von Absicherung, die dir ermöglicht mehr zu tun?

Auf jeden Fall war es so am Anfang. Ich finde, dass jeder Schriftsteller, der seine Anfänge mit der Fantastik macht und es so tut wie ich, in sehr jungem Alter, benutzt eben diese Elemente als eine Art Absicherung. Wir müssen sie nicht mal benutzen. Der Gedanke, dass wir diese Möglichkeit haben, genügt. Als junge Schriftsteller benutzen wir sie nicht bewusst. Erst mit der Erfahrung lernen wir mit ihnen so umzugehen, wie mit allen anderen Elementen auch – mit Gattungsklischees, Stereotypen, Schemata, um welche herum man seine Handlung bauen kann. Dann kommt aber so ein Augenblick, wenn man diese Elemente gar nicht mehr braucht. So ein Schriftsteller erzählt dann klare realistische Geschichten und sehr oft passiert es, dass er danach zur Fantastik zurückkehrt – aber bereits durch Erfahrungen bereichert. Ich finde, dass es gut ist, wenn die Fantastik der Anfang ist und… ich will nicht sagen „das Ende“ oder „Krönung“… Es ist gut, wenn sie als Werkzeug von einem Erfahrenen Schriftsteller benutzt wird.  

 

Ich habe mir Gedanken bezüglich des Titels gemacht. „Drobinki Nieśmiertelności”, auf Deutsch „Teilchen der Unsterblichkeit“. Es sind Geschichten, Erzählungen, die du niedergeschrieben hast. Macht es sie dadurch unsterblich? War es auch dein Gedankengang oder eher nicht?

Sie entsprangen einem konkreten Text und betreffen etwas, wovon eigentlich Kinder sehr viel haben und die Erwachsenen immer weniger. Es ist eine Moleküle in den Blutadern. Ich mag es mir immer so vorzustellen, wie in der Serie „Es war einmal … das Leben“. Etwas kriecht in unseren Blutadern und diese kleinen Moleküle, goldene Tropfen der Unsterblichkeit, kommen immer wieder vor, wenn wir etwas Unüberwindbares überwinden – aus einem Felsen ins Wasser springen, einem Hund entfliehen. Etwas, wovor wir Angst hatten, wurde überwunden, eine Grenze wurde überquert. Und die Klarheit des Gefühls trägt dazu bei, dass wir uns unsterblich fühlen. Das ist diese Kraft, die wir im Laufe des Heranwachsens verlieren… Aber sie kann wieder auftauchen. Es ist etwas, dass uns hilft den Alltag besser zu meistern und auf der anderen Seite ist es jedes Stückchen, ein kleiner Ziegel, ein Bausteinchen der Unsterblichkeit. Es ist nun so mit den Erzählungen – und auch mit Fotos – wenn sie schon entstanden sind, werden sie zu unseren Anhaltspunkten in einer Story, sie halten uns dort fest. Von Punkt A zu Punkt B, der das Ende ist, liegt die Unsterblichkeit und so wird eine Erzählung zu einem solchen Teilchen. Somit ist deine Interpretation auch korrekt. 

 

Findest du, dass das Anhalten einer Geschichte deine Rolle als Schriftsteller ist?

Ich bin eindeutig mehr ein Erzähler als ein Schriftsteller. Ein Erzähler ist der Beruf, den ich ausüben möchte. Er wurde ein wenig vergessen und nicht verstanden… Ich brauche nicht den Augenblick für sehr lange anzuhalten. Im Gegenteil: Die Geschichte dauert im gegebenen Moment und sollte im gegebenen Moment einer konkreten Person überliefert werden. Manchmal nimmt die Story die Form eines Buches ein, aber der Erfahrungsmoment bedeutet nicht, dass das Buch in der Zeit angehalten wird, weil es niedergeschrieben wurde. Schlüsselhaft ist der Augenblick, in dem die Geschichte vom Autor zum Leser überliefert wird. Zu dieser ersten Erfahrung, zu dem ersten Zusammenstoß und der ersten Erzählung einer Geschichte kann es eben in einem Café kommen oder beim Lagerfeuer. Eine Geschichte, die in einem Moment weiterüberliefert wurde, macht sich auf 

ihren Weg und sie lebt so lange es Menschen gibt, die sie erzählen wollen, so lange sie sie überliefern wollen. Ich musste mit der Zeit zugeben, dass das Schreiben von Büchern für mich eine Übergangsphase war. Ich werde immer Romane schreiben, weil ich es mag, aber es ist nicht etwas worauf ich mich beschränken will. Es gibt Dutzende Möglichkeiten, eine Geschichte anders zu überliefern. Man kann sich eines Films bedienen oder der Musik. Man kann einen Stand-up wählen oder viele andere Formen. Ich will dazu lernen, um in der Lage zu sein, für jede Story die ich habe, das perfekte Medium zu finden. 

 

Wieso hast du mit Büchern angefangen und bist nicht gleich in eine andere Richtung gegangen?

Es war sehr selbstverständlich, denn ich las sehr gerne. Meine Mutter ist Bibliothekarin. Meine Liste von Büchern, die ich kaufen wollte, war immer sehr lang. In meiner Heimatstadt gab es eine Papierfabrik, also hatte ich Zugang zu Comics aus ganz Polen. Ich liebte das Kino, aber ich wusste, dass ich nicht in der Lage bin, ein Film zu schaffen. Ich hatte einfach keine Mittel dazu. Deshalb wandte ich mich in die Richtung, wo alles nur von meinem Fleiß abhing. Meine erste Erzählung entstand sehr sprunghaft. Wenn ich bereits angefangen habe an einem Text zu arbeiten, schrieb ich die ganze Nacht lang und ging morgens zur Schule. Es war eine einfache und natürliche Lösung für mich. Ich suchte darin Erfahrungen und versuchte Kenntnisse zu gewinnen und als ich Erwachsen wurde, hatte ich bereits einen Punkt, wo ich anfangen konnte und dann Möglichkeiten suchen konnte, wie ich andere Medien einbeziehen kann. 

 

Dein literarisches Vorbild, jemand der dich noch mehr in Richtung Literatur bewegt?

Zweifelsohne Stephen King. Stephen King – nicht nur wegen seiner Werke, obwohl ich sie sehr mag. In meiner Top 100 würden sich zahlreiche Romane von King befinden. Wichtiger ist aber sein Verhältnis zur Arbeit, wie er meinte, dass das Erzählen einer Geschichte Hingabe und voller Bereitschaft bedarf. Und wenn jemand sich das spart oder dies erst auf dem zweiten oder gar dritten Platz sieht, dann hat er keine Chance erfolgreich zu werden… Er kann so kein Erzähler werden, denn es gibt nichts wichtigeres als das Erzählen von einer Geschichte. Es gibt einfach nichts. Das Erzählen bedeutet, sich anderen öffnen, es ist der Empfang anderer Menschen, die Kommunikation zu der es kommt, zusammen mit unseren Überlegungen. Es ist also etwas, was die zwischenmenschlichen Verhältnisse aufbaut, etwas was uns ermöglicht, andere zu verstehen, sich selbst auszudrücken. Es handelt sich um unsere Ängste, Sorgen, Freuden – alles. Es scheint mir also, dass es nichts Wichtigeres gibt als Geschichten und wenn wir nicht anfangen dies ernst zu nehmen – das hat mich King gelehrt – dann wird daraus nichts. Ich bin ihm sehr dankbar für diese Erkenntnis.  

 

Du erinnerst viele Menschen an Gaiman. Mythologien, Reisen, Amerika – was bedeuten sie für dich?

Ich schätze Neil Gaiman sehr. Ich finde, er ist ein hervorragender Erzähler – der alten Art. Er ist aber kein tiefgründiger Menschenbeobachter. Er konstruiert nur selten Figuren aus Fleisch und Blut, es sei denn, er bedient sich seinen Bekannten. Gaiman ist aber eine Fundgrube des Wissens. Ich bin der Meinung, dass es Arten von Erzählern gibt und er ist so einer, der für die Kulturgeschichte steht. Es ist ein Mensch, der die Mythen erforscht, er versucht alte Sagen neu zu interpretieren, umzuwandeln, neu zu erzählen, die Geschichte auf den Punkt zu bringen, den Sinn jeder Geschichte zu ergründen. Dafür schätze ich ihn sehr. Ich selbst gehe in eine andere Richtung. 

 

Genau und daher wollte ich gerne wissen, was sind für dich Reisen, Mythen usw.?

Es geht ein bisschen darum, sich selbst zu finden. Ich habe solche Erfahrungen wie Gaiman nicht. Sein größtes Werk „American Gods“ ist eigentlich eine Erfahrung eines Engländers, der zum Emigranten wurde, nicht wahr? Ich machte andere Erfahrungen. Uns verbindet aber die Suche nach sich selbst, die Suche nach sich selbst im Universum. Es ist ein Versuch, den Glauben zu verstehen, der Frage nachzugehen, woher er überhaupt kommt, wozu eigentlich und ob wir ihn mit der ganzen Umhüllung brauchen. Ich finde, dass der Glauben – vor allem der Glauben an übernatürliche Wesen, in Gott – sehr wichtig ist. Wir brauchen es. Jede Religion, jede Mythologie wuchs mit menschlichem Egoismus, mit Ängsten, mit Sachen, die sich die Menschen nicht erklären konnten, und mit Ignoranz um. Die Reflexion nach dem Sinn des Glaubens kann der Anfang von interessanten Dingen sein. All dies ist aber ein Ballast. Es ist so wie mit all dem Dreck, der sich am Schiffsrumpf sammelt und es somit verlangsamt. Ein Schiffsrumpf muss gereinigt werden, dann kann man weitersegeln.

 

Gehen wir mal in diese Richtung weiter. Popkultur und die Aufteilung der Kultur in niedrige und hohe Kultur. Was denkst du darüber?

Ich glaube nicht an ein solches Phänomen. Ich meine, ich finde nicht, dass es solche Aufteilungen überhaupt gibt. Oder anders gesagt, ich glaube nicht, dass „hohe Kultur“ je eine positive Bezeichnung war, denn „hohe Kultur“ bedeutet eine Kultur, die zu hoch ist für jedermann. Es ist eine Form von Snobismus. Wir zeichnen uns nur dadurch aus, dass wir aus irgendeinem Grund – der nicht mal von uns abhängig sein muss – besser als andere sind. Sei es deshalb, dass wir eine bessere Ausbildung genossen haben, weil unsere Eltern es sich leisten konnten… Eine gut eingeleitete und geleitete Massenkultur hingegen ist eine solche, in welcher diejenigen, die mehr Glück hatten, mehr verstanden haben, ihr Wissen mit denjenigen teilen, die dieses Glück nicht hatten. Eine korrekt verstandene Kultur gleicht die Chancen aus. Die Aufteilung in hohe und niedrige Kultur, das Beibehalten dieser Differenzierung führt nur zur Vergrößerung der Kluft. Dies kann verursachen, dass sich dadurch nur ein Prozent herauskristallisiert, der mehr Geld haben wird als die restlichen 99 Prozent der Bevölkerung. Dasselbe kann mit der Kultur passieren, wenn wir den Mythos der hohen Kultur aufrechterhalten, wenn wir Geschichten schaffen werden, die nicht für alle verständlich sein werden. Dann werden wir nicht in der Lage sein, wichtige Werte zu übertragen. Wir werden die Kluft nur vergrößern. Diejenigen, die in der niedrigen Kultur stehen bleiben, die keine interessanten Impulse bekommen, werden schließlich selbst um ihre Unterhaltung sorgen. Sie werden ihre eigene Kultur kreieren, die sehr wahrscheinlich den falschen, primitiven Weg einschlagen wird. Meiner Meinung nach, lautet die Aufgabe jedes Menschen, der die Kultur schaffen will, alle Menschen auf ein hohes Niveau zu bringen. Diejenigen, die diese Etappe schon erreicht haben, sollten den andere Hilfe leisten.

 

Mit der Massenkultur verbinden sich Comic Cons oder der Polcon – Veranstaltungen, die langsam anfangen in Polen Karriere zu machen. Was denkst du, wie wird es sich weiterentwickeln?

Polcon ist schon über dreißig Jahre alt und ist eine Versammlung von Fans, die anderen Fans ihre Errungenschaften zeigen möchten. Zwar versammelt das Event mehrere Tausend Gäste, aber es herrscht dort eine intime Atmosphäre. Es gibt aber noch eine andere Veranstaltung in Polen, deren Prinzip der amerikanischen Comic Con in San Diego ähnelt. Es handelt sich um das Pyrkon. Dieses Event entsprang einer kleinen Fanversammlung und entwickelte sich rasch zum großen Ereignis. Seine Wurzeln blieben aber dieselben – den Antrieb geben stets die Fans. Ich setze die meiste Hoffnung in Pyrkon. Und da gibt es noch in Polen die Comic Con. Ich gehörte der Gruppe an, die die erste Comic Con in Polen veranstalten versuchte, aber wir scheiterten. Unser Anliegen war aber, etwas Ähnliches wie die Comic Con in San Diego auf die Beine zu stellen. Es ging darum Produzenten, Vertreibern, Schauspielern und Autoren, die sich zeigen wollen und Menschen, die etwas sehen wollen, die Gelegenheit zu geben, sich zu treffen. Das ist der Leitgedanke der amerikanischen Comic Con, da zahlt keiner für Extras aller Art, wie zum Beispiel ein Foto mit Unterschrift eines Stars. Es ist die Rolle der Studios, die Menschen zu begeistern. Der Veranstalter ist ein Vermittler, der die Gelegenheiten gibt. Die Warsaw Comic Con hingegen platziert sich in der Tradition europäischer Comic Cons. Genau so funktionieren die Comic Cons in Berlin, Wien oder London. Es sind Veranstaltungen, die zwar an Fans gerichtet sind, aber sie tendieren auch dazu, sehr intensiv Geld von ihnen zu sammeln – zum Beispiel für ein Foto mit einem Schauspieler. Es ist einfach unfair. Ich finde, und das lehrten mich auch meine Idole, mit denen ich ein Paar mal in Berührung kam, dass man Geld für ein Autogramm nur dann verlangen kann, wenn es für wohltätige Zwecke versteigert wird. Andererseits ist es unfair, da die Fans ihrem Idol schon mit ihrer Hingabe, Kinotickets, kaufen und die Bücher zahlen. Deshalb darf man nicht von ihnen Geld für ein gemeinsames Andenken verlangen und sie somit für ihre Hingabe und Treue bestrafen. Es ist eine falsche Richtung, in die die polnische Comic Con geht. Die Veranstaltung hat viel Potential und viele Möglichkeiten. Ich kann nur hoffen, dass sie sich für einen anderen Weg entscheiden wird, dass die Fans den Veranstalter dazu nötigen. Deshalb ist es so wichtig, dass polnische Fans andere Events solcher Art besuchen, am besten wäre es, wenn sie nach Amerika fahren würden. Es ist nicht so leicht, das weiß ich, aber es ist auch nicht unmöglich, wie ich an meinem Beispiel zeigen kann. Wenn jemand einmal die Comic Con in San Diego besucht hat, wird er sehen, wie eine solche Veranstaltung aussehen kann. Das amerikanische Event hat auch seine Schwachstellen, aber bleibt ohnehin eine Feier für alle Nerds, Geeks und Fans und zeigt, dass man auch so feiern kann. 

Du hast die Möglichkeit eines Treffens zwischen Fans und Stars erwähnt. Was denkst du über das Verhältnis Fan-Idol?

Man muss aufpassen, denn einerseits ist es auf jeden Fall schön und gut, wenn ein Idol die Distanz kürzt, die Möglichkeit gibt, ein wenig zu plaudern und schließlich zum Kumpel wird. Andererseits muss man immer daran denken – auch ich beobachte es in meiner Mikroskala – dass wenn man einander zu nahekommt, die Menschen von dir erwarten – und das zurecht – dass sie nicht vergessen werden. Die Idole stehen aber allein dar und diejenigen, die nicht vergessen werden wollen, gibt es Tausende und das bildet ein Problem. Im Verhältnis solcher Art müssen wir immer den Gedanken im Hinterkopf haben, dass wir zusammen mit unserem Idol plaudern können, ein wenig Zeit verbringen, vielleicht auch zusammen etwas unternehmen, aber das war’s – es sei denn das Verhältnis verändert sich in Sachen Freundschaft und so weiter. Wenn dies nicht der Fall ist, müssen wir daran denken, dass eine Grenze zwischen uns und unserem Idol verläuft. Ich bin ein Fan vieler Schriftsteller und Schauspieler und hatte schon mehrmals die Gelegenheit mich mit ihnen zu treffen. Während der ganzen Zeit versuche ich aber, den Abstand nicht zu verändern und zu wissen, wo mein Platz ist. Auf der letzten Comic Con saß ich nicht weit von Andy Serkis entfernt, der in einer Snackbude zusammen mit seiner Familie Frühstück aß. Ich wollte wirklich sehr ein Foto mit ihm haben, wozu es dann auch kam, aber in diesem konkreten Moment wusste ich, dass es ein Mensch ist, der erstens – eben Zeit mit seiner Familie verbringt, jetzt Vater und Ehemann ist, und zweitens, es ist ein Mensch, der gerade sein Frühstück genießt. Ich würde auch sauer sein, wenn jemand vorbeikommen würde und mich beim Essen stören würde. Wir warteten ein bisschen und bekamen schließlich die Möglichkeit, ein Foto zusammen zu schießen, in das Fan-Idol Verhältnis zu kommen. Es hat sich herausgestellt, dass Serkis eine sehr sympathische Person ist. Es kam zu keinen Reibungen, aber ich denke, dass es der Fall sein könnte, wenn ich ihn im falschen Moment angesprochen hätte. Sowohl der Fan, als auch das Idol müssen wissen, wie viel sie sich erlauben dürfen und wie sie sich benehmen sollen. 

 

Man vergisst das sehr oft…

Sehr oft! Es stellt ein wichtiges Problem dar, wirklich. Manchmal ist es so, dass man ein freundschaftliches Verhältnis aufbaut und dann, wenn das Idol etwas sagt, dies einfach vergisst. In solchen Augenblicken verwandelt sich das Idol in eine Autorität und spricht auch als solche. Wenn es flucht, kann der Fan mit Empörung reagieren. Also einerseits – enge Verhältnisse sind super, aber andererseits, man muss immer auf der Hut sein. 

 

Also nicht vergessen, dass wir einen Menschen vor uns haben.

Genau, darum geht es. Wir dürfen nicht vergessen, dass er seine Privatsphäre hat, dass er manche Sachen für sich behalten will oder – was weiß ich – mal sauer wird und eine eigene Meinung hat. Seine Ansichten können kontrovers für uns sein, aber trotzdem bleibt er dieselbe Person, die wir früher geschätzt haben. 

 

Gehen wir zur polnischer Fantastik über. Gibt es etwas, was sie einzigartig macht, was sie von der Literatur dieser Art aus anderen Ländern unterscheidet?

Nein, ich denke, dass es sowas nicht gibt. In jeder regionalen Fantastik finden wir etwas Kolorit, Elemente der uns nahen Mythologien, Bestiarien. Ein gutes Beispiel dafür bilden die Protagonisten von Andrzej Sapkowski, die ein wenig von unserem Kulturraum geprägt sind. Trotzdem ist es eine sehr angelsächsische Geschichte, wie der Schriftsteller oft selbst hervorhebt. Die Erzählweise von Sapkowski ähnelt den westlichen, was sowohl positiv, wie auch negativ zu bewerten ist. Unsere Fantastik unterscheidet sich nicht von der westlichen und östlichen, unsere Schreibweise ist nicht besser und auch nicht schlechter. Wir haben nur das Problem, dass wir uns einer schwierigen und nicht leicht übersetzbaren Sprache bedienen. Wir bilden keine große und einflussreiche Gemeinschaft und deshalb gelangen unsere Geschichten nicht an die Leser im Ausland, außer diejenigen, die in Ländern aus einem ähnlichen Sprachraum, wo Übersetzungen entstehen, leben. Unsere Fantastik schafft es oft nicht über die Grenze hinaus, aber sie bietet eine interessante Literatur. Natürlich finden wir auch sehr viel Schund, aber es geht immer verhältnismäßig. Ein kleiner Anteil bildet immer etwas Besonderes, der Rest ist schematisch und endet mit dem Interesse des Lesers, dessen Geschmack sich stets entwickelt. Wir können nur hoffen, dass der Leser mit der Zeit beginnt, höhere Anforderungen zu stellen und mit größerer Aufmerksamkeit seine Lektüre zu wählen. Wir befinden uns also auf einem hohen Niveau, was die Literatur anbelangt, besonders die Fantastik. Wie ich aber schon gesagt habe, sie zeichnet sich durch nichts Einzigartiges aus. 

 

Ich habe noch drei Fragen von deinen Fans für dich. Die erste lautet: Du schreibst Bücher die sowohl Fantasy- als auch Horrorelemente beinhalten. Siehst du dich mehr als einen Feuilletonisten oder eher einen Kommentator der Wirklichkeit? Oder bildet die Wirklichkeit deine Inspirationsquelle?

Die Wirklichkeit ist immer eine Inspirationsquelle für mich… Ich kann es mir anders nicht vorstellen. Ob ich Fantastik oder eine Reportage schaffe hängt von meinen Absichten gegenüber dem Material ab. Wenn ich mir eher Gedanken machen will, wieso etwas so ist, wie es ist – bleibe ich bei einer Reportage. Wenn ich mir aber die Frage stelle, wieso etwas so und nicht anders aussieht, wie sehen die Konsequenzen aus oder wohin es uns führen mag, woher es kam? – dann entsteht eher Fantastik oder eine alternative Geschichte. Hier stoßen wir schon auf erfundene Elemente, aber die Basis bleibt die Wirklichkeit. Wir beziehen uns die ganze Zeit auf sie, aus ihr schöpfen wir, sie muss die Quelle sein, das Sandkörnchen, ringsherum aus der eine Geschichte entsteht. 

 

Die nächste Frage betrifft die Serie „Kłamca“. „Chłopcy“ i „Kłamca“ bilden zwei Pole, was die Atmosphäre und den Stil angeht. Wo fühlst du dich besser? Was liegt dir näher? Oder anders – wieviel kann man dort vom Autor finden? 

Sehr viel, aber ich würde ihn nicht in dem Protagonisten suchen. Sie stehen nicht für einen Menschen, der ich gerne sein würde bzw. nicht sein möchte, was oft in der Literatur vorkommt. Die Serien entstanden nacheinander, also denke ich, dass man sehr viele meiner Überlegungen darin finden kann, es kommt sogar zum Widerspruch zwischen meinen Ansichten. Dies kommt davon, dass die Meinung sich mit der Zeit verändert, dass ich reifer werde. Die Story hat am Anfang eine andere emotionelle Färbung, eine andere Atmosphäre, weil ich anders war, dann aber viele Dinge verstanden habe und die Geschichte ein wenig anders erzählt habe. In gewissem Sinne ist es eine Dokumentation, die zeigt, wie sich der Autor verändert hat, indem er neue Erfahrungen gesammelt und sein Wissen vergrößert hat. Ich wurde auch ernster, nachdenklicher… Die Diskrepanz kommt mit den Jahren oder, wie es Indiana Jones sagte – es sind nicht Jahre, es sind Kilometer, also geht es mehr um gesammelte Erfahrung. Beide Serien beinhalten sehr viel von mir, es ist aber ein anderes Ich. 

 

Hast du einen Lieblingsprotagonisten?

Aus meinen? 

 

Ja.

Ich versuche, keinen zu haben. Ich habe einige Favoriten, aber ich versuche es so zu arrangieren, dass sie nicht im Vordergrund stehen, sie tauchen eher im Hintergrund auf. Ich gebe mir viel Mühe, um diese Protagonisten irgendwie zu dosieren. Auf dem Schriftsteller lauert immer die Gefahr, eine Mary Sue zu schaffen, also eine Figur mit idealen Eigenschaften. Es ist eine Falle der Literatur und wenn man so etwas tut, bleibt man nicht ehrlich gegenüber der Story, deshalb tue ich mein Bestes, um dies zu vermeiden. 

 

Womit können wir in Zukunft von deiner Seite rechnen?

Schwer zu sagen… Ich arbeite jetzt an einem Spin Off zu „Dreszcz“, die Geschichte über Zawischa den Schwarzen. Ich dachte mir, jetzt ist ein guter Augenblick dies zu schreiben, weil es sich um eine viel mehr satirische Haltung gegenüber dem heutigen Patriotismus handelt. Ich stelle mir die Fragen, was einen Patrioten überhaupt ausmacht und was nicht, wer kann ein Patriot sein und wer das bestimmt. Ich wollte ein wenig spöttisch, aber auch nachdenklich darüber erzählen. Ich will auch in das Universum von „Kłamca“ zurückkehren, aber diesmal aus einer anderen Perspektive schreiben. In gewissem Maße handelt es sich um einen Neuanfang, aber mit Respekt gegenüber dem Teil, das schon entstanden ist. Ich will die Story nicht ändern, sondern aus einem anderen Blickwinkel darstellen. Diesmal wird es eine Geschichte über Schutzengel, ich werde die Ereignisse aus ihrer Perspektive präsentieren. Kłamca wird oftmals auftreten, aber ich will ihn mehr im Hintergrund halten. Er wird oft den Bösen spielen… Auf jeden Fall will ich auch die Serie „Grimm City“ weiterführen, es macht mir viel Freude sie auszubauen und ich fühle den Drang über die Stadt zu erzählen. Ich will auch in andere Richtungen gehen – mich in Gattungen versuchen, die ich noch nicht ausprobiert habe, wie Krimi, Sittenroman, vielleicht sogar Thriller.

 

Jetzt eine Frage aus einem anderen Bereich. Kann ich nach deinen Tatoos fragen?

Ich habe einen bekannten Tätowierer… (Lachen)

 

Was stellen sie dar?

Ich plane noch viel mehr zu machen… Ich bin noch dabei den Tattoos eine endgültige Form zu verleihen und erzähle mit ihrer Hilfe über nichts Neues. Meine Tattoos beziehen sich auf Erzählungen – hier sehen wir Tschernebog, den Kojoten und Raben aus Indianersagen, hier ist Samedi aus Voodoo und noch andere Figuren. Es handelt sich um Trickster und andere nicht eindeutige Figuren, die mal was Gutes tun, mal was Schlechtes. Sie haben aber etwas mit den Menschen gemeinsam und zeigen, wie wir uns selbst in den Mythologien wiedergeben. Ich will auf der linken Hand die alte Popkultur haben, die Mythologie also und auf der rechten – die gegenwärtige Mythologie und hier werde ich auf mehr gegenwärtige Elemente setzen – Stephen King, Comics, Filme. So wie die Serie „Kłamca“ die alten und neuen Mythologien miteinander verbindet, so wird auch mein Körper zu einer solchen Erzählung. 

 

Vielen Dank für das Gespräch.

Danke dir!

 

 

von Emanuela Janda

 

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