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Urbex History – Abenteuer, Freundschaft und Leidenschaft

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Eine gemeinsame Leidenschaft, 250 Videos, mehr als 900.000 Fans. Sie besuchen verlassene und gefährliche Orte voller spannender Geschichten. Drei Freunde: Jakub Stankowski, Łukasz Dąbrowski und Konrad Niedziułka haben einen Abstecher ins Abenteuer gewagt, woraus Urbex History entstand – einer der beliebtesten YouTube-Kanäle, der sich dem Thema Urban Exploration widmet. 

Robert Dethloff [PolenJournal.de]: Wie sahen die Anfänge aus? Woher kommt eure Leidenschaft für die Urban Exploration?

Konrad Niedziułka [Urbex History]: Mit Jakub und Łukasz kennen wir uns seit der Mittelschule. Wir besuchten zusammen ein Technikum mit dem Fachprofil Luftfahrt. Danach studierten wir an derselben Hochschule. Damals kam uns die Idee, das Atomkraftwerk in Tschernobyl zu besuchen. Wir fanden, dass es ein unfassbar interessanter Ort war und sich von der schablonenhaften Touristik unterschied. Wir haben uns im Einkaufszentrum Mokotów getroffen, um uns einen Plan auszudenken. Wir setzten uns im ersten Stockwerk zusammen, wo man etwas essen konnte und haben darüber debattiert, wie wir den Kernreaktor Nr. 4 und Prypjat dokumentieren möchten. Man muss hier anmerken, dass der Atomtourismus vor sechs Jahren noch nicht so entwickelt war, dass man einfach nach Tschernobyl reisen konnte, wie bei einem normalen Ausflug. Wir haben festgestellt, dass bei so einer Reise die Videoaufzeichnungsfähigkeit, die wir nicht beherrschten, erforderlich ist. 

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Unsere Suche nach einem geeigneten ersten Ort, den man aufzeichnen könnte, begann. Und da wir aus Warschau/Warszawa kommen, suchten wir etwas in unserer Region. Die Idee kam ziemlich unverhofft, als ich mit dem Bus nach Hause fuhr. Ich sah durch das Fenster und bemerkte ein altes Prudential-Vorkriegshochhaus, das in einem sehr schlechten Zustand, ohne Dach war. Angeblich begann man das Gebäude zu renovieren, doch die Arbeiten wurden eingestellt. Heute steht dort das sanierte und wunderschöne Hotel Warszawa. Damals war es jedoch eine Bruchbude. Trotzdem entschied ich, dass man es versuchen könnte, ins Gebäude hineinzugehen. Wir verabredeten uns drei Tage später. Am Tag zuvor besuchte ich den Ort mit Łukasz, um das Gelände zu erkunden. Alles war verschlossen. Von einem illegalen Eingang war keine Rede. Wir fragten den Wächter, ob man dort etwas herumspazieren könnte. Er meinte, dass es nicht erlaubt sei, da es dort gefährlich sei. Wir wollten uns jedoch nicht geschlagen geben und überzeugten ihn, dass wir Studenten sind, welche ein Vorkriegsgebäude aufnehmen möchten. Wir erklärten, dass wir es für eine Studienarbeit bräuchten. Zu unserer großen Verwunderung gab er uns eine Zusage. Wir verabredeten uns für den nächsten Tag. Als wir wieder gekommen sind, gab er uns die Schlüssel und begann uns herumzuführen. Er erlaubte uns sogar auf das oberste Stockwerk zu gehen. Das haben wir gemacht und das aufgenommen, was uns interessierte. Zwar war das erste Video von mittlerer Qualität, da wir es mit einer ausgeliehenen Kamera, einer Go Pro 4 und einem Handy aufgenommen haben, aber so hat unser Abenteuer angefangen. 

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Drei Tage später, ungefähr Anfang August, vor dem Tag des Warschauer Aufstandes, wurden wir vom öffentlichen Fernsehen eingeladen, um über dieses Gebäude, das vor dem Zweiten Weltkrieg ein Markenzeichen Warschaus/Warszawa war und heute (also vor 6 Jahren) verlassen und heruntergekommen dastand, etwas zu erzählen. Die Journalisten fragten uns, wie Prudential aktuell aussieht. Es wurden auch Ausschnitte unseres Videos gezeigt. 

Das gefiel uns so sehr, dass wir bald eine Erkundung von Katakomben des Warschauer Kraftwerkes, einer Atomunterkunft in Łomnianki gemacht haben, bis endlich die Zeit für die Reise nach Tschernobyl kam. 

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Du hast erwähnt, dass der Wärter euch vor der Gefahr, welche die Exploration des Gebäudes darstellte, warnte. Was ist also die Grundlage einer guten und sicheren Urban Exploration?

Die Grundlage eines sicheren Urbexings ist auf jeden Fall der gesunde Menschenverstand. Man darf die Kräfte an den Absichten nicht messen. Es ist klar, dass Urbexing ein ziemlich gefährlicher Zeitvertreib ist. Wir konnten es auf verschiedene Arten versuchen, aber in den meisten Fällen stellt ein Besuch eines verlassenen Ortes, der nicht abgesichert ist und der zum alten Eisen gehört, eine Gefahr dar. Es kann immer etwas passieren. Damit meine ich so etwas wie: Ein Ziegel kann jemandem auf dem den Kopf fallen, oder es kann vorkommen, dass man auf einen Nagel tritt. Die Decke kann durchbrechen, wir können irgendwo hineinfallen oder hineingehen und nicht mehr rauskommen. 

Eine gute Vorbereitung vor dem Besuch ist das sich Vertrautmachen mit dem Urbex. Die Überprüfung von schwachen und starken Punkten der Konstruktion sind das A und O. Wir ich bereits erwähnt habe, ist der gesunde Menschenverstand sehr wichtig. Wenn es also nicht möglich ist, irgendwo hineinzugehen oder jemand nicht imstande dafür ist, dann machen wir es nicht. Wir sagen einfach, dass man es nicht kann, darf. Eventuell besuchen wir den Ort noch mal mit einem besseren Equipment, um sicherzustellen, ob es möglich ist. In den meisten Fällen sieht es jedoch so aus, dass wenn einer von uns es nicht will, dann kommt er einfach nicht mit. Bis jetzt hat sich diese Methode bewährt, weil außer ein paar Quetschungen, Nägeln und Glassplittern im Fuß und Schürfwunden uns nichts passiert ist. 


Foto: Urbex History

Wo findet ihr diese interessanten Orte, welche ihr besichtigen wollt? Ist so eine Suche zeitaufwendig?

Anfangs suchten wir interessante Orte im Internet. Damit meine ich Locations nahe am Zuhause, in Warschau/Warszawa und der Umgebung. Dann kam das Thema des Ausfluges nach Tschernobyl, aber wir fuhren nirgendwo weiter entfernt hin. Erst nach einiger Zeit haben wir angefangen, bei jeder Gelegenheit Polen zu bereisen. Urbex ist unsere Leidenschaft, wir mögen es zusammen jede Mußestunde zu verbringen. Später kamen die Freundinnen, Verlobten, Familien, die Arbeit und man kann sagen, dass es unsere Lebensweise wurde. Als der Kreis unserer Zuschauer immer größer wurde, mussten wir selber keine interessanten Orte mehr auffinden, denn Menschen haben uns ihre Vorschläge zugeschickt. Heute bekommen wir tagtäglich auf Instagram und Facebook einige Hundert Nachrichten mit potenziellen Urbex-Locations. Wir schreiben sie auf unsere Weltkarte auf, wo wir die Vorschläge von Fans und anderen YouTubern, mit denen wir Kontakt haben, markieren. Wir legen eine Route fest, wie auch ein paar Back-ups, also Orte, die wir eventuell besuchen könnten, wenn das Hauptziel nicht erreichbar ist. Man muss zugeben, dass wir dank der Zuschauer viele interessante Plätze auf der Karte haben, also haben wir noch einiges zu tun. 

An interessanten Orten fehlt es nicht nur in Polen, sondern in ganz Europa. Seht ihr irgendwelche Unterschiede zwischen den Explorationen in Polen und zum Beispiel in Deutschland? 

Ja. Wir betonen es immer in unseren Videos, dass die Gebäude in Polen leider immer im schlechteren Zustand sind. Ich habe bemerkt, dass in Deutschland eine Graffiti-Kultur existiert. Wenn es einen verlassenen Ort gibt, wo man nicht hinein darf, ist die ganze Ausstattung, wie Möbel, Kühlschränke oder Kabel mit Graffiti bemalt, aber immer noch da. Bei uns ist alles gestohlen. Es bleiben nur kahle Wände, aus denen sogar die Kabel herausgezogen werden. Man kann also sagen, dass die Objekte in Deutschland besser erhalten sind. 

Das beste Beispiel dafür ist das Video aus einer sowjetischen Stadt, das wir zusammen mit Jakub gedreht haben. Als wir das Objekt erkundigt haben, konnte man gleich bemerken, dass es in einem sehr guten Zustand war. Im Vergleich zu Pstrąże/Pstransse, das wir vor vier Jahren exploriert haben, war es ein großer Unterschied. 

Tatsächlich gibt es in Deutschland viel mehr Graffiti als in Polen. Man kann sagen, dass die jungen Menschen dort anders ihre Freizeit verbringen. Anstatt mit einem Bier in der Hand zu feiern, zu rauchen und zu zerstören, nehmen sie ihre Spraydosen und malen. 

Foto: Urbex History

Wenn ihr einen Ort besucht, habt ihr bestimmt irgendwelche Erwartungen. Wie sieht die Realität aus? Seid ihr manchmal enttäuscht? 

Ja, genau. Manchmal kommt es vor, dass die Vorfreude vor einem Besuch bei einem superinteressanten Ort riesig ist, und dann stellt es sich heraus, dass bei unserer Ankunft das Objekt bereits demontiert oder abgerissen wurde. Das ist die größte Enttäuschung. Beispielsweise sind wir letztens nach Lodz/Łódź gefahren und sprachen mit dem Eigentümer eines schönen Herrenhauses. Dort sollten Hochzeiten veranstaltet werden. Er hat das ganze Herrenhaus gebaut und auf einmal den Bau eingestellt. Wir haben seine Kontaktdaten gefunden, ihn angerufen und gefragt, ob wir dorthin kommen könnten. Der Eigentümer meinte, dass wir im Gebäude etwas herumspazieren können, da es sowieso keiner nutzt und er bereits etwas anderes für den Ort in der Zukunft geplant hat. Wir sind also gefahren. Wir rufen an, dass wir am Platz sind und gleich das Objekt betreten werden, um ein Video zu drehen. Dann haben wir die Antwort gehört: “Aber ich habe euch erlaubt, hineinzugehen und etwas umzuschauen, aber nicht zu drehen.” Wir waren überrascht – “wir dürfen nichts aufnehmen?” Der Eigentümer meinte, dass wir uns dort umschauen können, aber aufnehmen nicht. Also sind wir nach Lodz/Łódź gefahren, aber nicht um ein Video zu drehen, sondern um etwas herumzuspazieren… Unser Plan ist gegen die Wand gefahren, schade, da das Herrenhaus wirklich viel hermachte. Wir hatten eine interessante Geschichte und ich denke, dass es eine gute Folge wäre, aber leider konnten wir nichts aufnehmen. Wir waren sehr enttäuscht. 

Viele der Objekte, die wir besuchen, wie z. B. Paläste haben wunderschöne Drohnenbilder, aber in Wirklichkeit stellt es sich heraus, dass uns nach dem Eingang nur kahle Wände erwarten. Dann muss die Geschichte die Hauptrolle spielen. Aber obwohl wir so eine Folge machen, sind wir Fans von Orten, welche wir in Japan gesehen haben, wo alles an seinem Platz liegt. Wenn man ein Haus, Raum, Laden oder irgendwas anderes betritt, kann man sogar Kleingeld in den Kassen finden und das wahre Klima des Ortes fühlen, und nicht nur kahle Wände bewundern. 

An welche Orte erinnert ihr euch gerne? An welche Abenteuer denkt ihr bis heute zurück? 

Vor allem an den ersten Urbex, Prudential. Es ist gut möglich, dass ohne den freundlichen Wächter, der uns hinein lies und erlaubte Bilder zu machen, es keinen Urbex History geben würde. Ich muss sagen, dass die Reise nach Tschernobyl und Fukushima, wo ein paar Folgen entstanden sind, bahnbrechend war. Von den polnischen Orten ist der Torpedowaffenplatz an der Ostsee ein gutes Beispiel. Wir haben den Ort zweimal besucht und sind dabei ein Mal getaucht und ein Mal mit dem Kajak gepaddelt. Für mich war es eins der schöneren Abenteuer. 

Außerdem kann man dazu auch das Abenteuer in Kasachstan zählen. Wir sind dorthin gefahren, um das Land zu besichtigen, und es ist vieles passiert. Wir sind in einen verlassenen Ort Arqalyq gefahren, der sich in der Mitte einer Steppe befindet, 600 km entfernt von Nur-Sultan. Da wir wahrscheinlich die einzigen polnischen Touristen waren, die dorthin gefahren sind, hat uns gleich die Polizei angehalten. Sie dachten, dass wir Terroristen sind, also mussten wir erklären, dass wir in Wirklichkeit Journalisten sind und Videos auf YouTube veröffentlichen. Erst als sie uns das geglaubt haben, haben sie uns zwei Personen, die uns herumgeführt haben, zugewiesen. Man kann sagen, dass es Geheimpolizisten waren, die uns nur das gezeigt haben, was sie wollten, und nicht wirklich das, was wir sehen wollten. Es war eine ziemlich interessante Geschichte. Bei dieser Gelegenheit haben wir die Kultur der Menschen, die in den niedrigen Regionen leben, kennengelernt. Sie waren sehr sympathisch, obwohl sie unter schwierigen Bedingungen leben. 

Zusammengezählt haben wir mehr als 250 Orte aufgenommen, also ist es schwer, sich jetzt an alle zu erinnern, aber jedes Abenteuer hat etwas in sich, was im Menschen eine Spur hinterlässt. 

Du hast zwei Atomkraftwerke erwähnt. Ich muss also fragen. Tschernobyl oder Fukushima? Welcher dieser Orte hat den größeren Eindruck hinterlassen?

Das ist wahrscheinlich die schlimmste Frage, die man gestellt bekommen kann, weil es zwei Orte sind, die man wieder, und wieder besuchen und sogar dort leben könnte. Wenn es um Tschernobyl geht, hat alles, wie bereits erwähnt, dort angefangen, es ist also eine sentimentale Reise. Ein Jahr später waren wir noch in dem weißrussischen Teil der Sperrzone von Tschernobyl, wo wir mit Łukasz einen Turm hinaufgegangen sind, von dem man den Sarkophag und Reaktor Nr. 4 sah. Meine Knie wurden weich, ich hatte alles, was da passiert ist, vor den Augen. Ein nächster Meilenstein war Fukushima, die den Anschein erweckte, als ob die Stadt gerade erst verlassen wurde, und die Katastrophe war doch ganze 9 Jahre her. Einen riesigen Eindruck machte auf uns auch die japanische Kultur. Ich selber mochte Japan besser, aber es ist schwer, zwischen dem einen und dem anderen zu wählen, weil die Orte komplett unterschiedlich sind. Wenn ich nochmals wählen würde, würde ich wieder erst nach Tschernobyl fahren und dann nach Fukushima. Und wahrscheinlich wird es irgendwann so sein, dass wir die Orte nochmals besuchen werden. 

Und gibt es auch Orte, die ihr nie wieder besuchen möchtet?

Gute Frage. Auf jeden Fall hatten wir ein interessantes Abenteuer im Spukwald. Davon ist kein Video entstanden. Wir sind nach Bjelostock/Białystok gefahren und haben angefangen, im Wald zu drehen, der angeblich einer der größten Spukwälder in ganz Polen war. Wir haben uns aufgeteilt: Ich und Jakub befanden uns im Wald und Łukasz ist etwas weiter gegangen. Auf einmal fing er an, uns durch das Kurzwellenfunkgerät zu rufen, dass wir zu ihm kommen sollen, weil irgendwelche Personen ihn gefangen haben. Tatsächlich – er wurde von drei Männern gefasst und gezerrt. Wir fingen an, mit ihnen zu reden. Man kann sagen, dass es Personen waren, mit denen man nicht zur Einigung kommen konnte. Sie dachten, dass wir Scheunen in Brand setzen wollten… Also haben sie die Polizei gerufen. Natürlich durften wir uns dort befinden, da es ein Staatswald war, also haben wir kein Gesetz gebrochen. Nach einiger Zeit kamen die Polizeibeamten. Wir hatten ein paar Unannehmlichkeiten. Schließlich haben die Polizisten uns jedoch gesagt, dass, wenn wir aufnehmen wollen, uns nichts im Wege steht. Doch der Mann, der uns angehalten hat, meinte, dass wir zwar aufnehmen dürfen, doch man weiß nie, ob jemand von uns nicht gleich eine Axt im Rücken spürt. Wir haben also entschieden, dass es nichts bringt, mit solchen Menschen zu diskutieren. Diesen Ort möchten wir bestimmt nicht noch einmal besuchen. 

Es gab auch Reisen, die wir mehr oder weniger mochten. Zum Beispiel der Cholera-Friedhof in der Nähe von Warschau/Warszawa, der sich zwischen Gleisen befindet. Man kann sagen, dass dort einst ein Friedhof war und jetzt sich dort eine Art Denkmal befindet und ein Massengrab. Dort gibt es nichts Weiteres, also war es schwer, ein Video dazu zu drehen. Interessant ist hingegen die Geschichte des Friedhofs. Hier wurden Menschen, die an Cholera in Warschau/Warszawa gestorben sind, beerdigt, doch während des Gleisbaus hat man die Leichen exhumiert und ich glaube auf dem Friedhof im Wohnviertel Brudno begraben. Wenn man vor den Augen nur Gleise, Bäume und ein Denkmal hat, ist es schwer, ein interessantes Material aufzunehmen. Zum Glück ist es uns gelungen. Persönlich mag ich solche Objekte jedoch nicht. Eindeutig finde ich solche Locations, welche ich beschreiben kann, wo viele Sachen sind, die man zeigen kann, besser. 

Ihr habt einen der größten YouTube-Kanäle in Polen, wenn es um die Urbex-Thematik geht. Wie gelang euch so ein Erfolg? 

Schwer zu sagen, aber ich glaube, dass der Erfolg vor allem in unserer Freundschaft und Ehrlichkeit in dem, was wir machen, liegt. Wir haben einen spezifischen Humor und auf den Videos kann man sehen, wie wir uns unterhalten, dabei ist es oftmals sehr lustig. Wenn wir uns etwas Gelassenheit erlauben können, dann versuchen wir auch so zu reden. 

Wenn es hingegen um technische Aspekte geht, dann ist es klar, dass es vor uns andere Urban-Exploration-Liebhaber gab, wie z. B. Sietra, der geradezu der Vater des Urbexings in Polen ist. Wir haben in das Ganze einfach mehr Technik eingebracht, und wenn Fans geschrieben haben: “Hey, der Ton ist schrecklich, macht was damit es besser wird” – dann haben wir neue Mikrofone gekauft. Und wenn sie “Nachts kann man nichts sehen” – geschrieben haben, dann kauften wir uns ein besseres Licht. Wir haben mit drei Kameras aufgenommen, was etwas Neues in der Urbex-Welt war, weil es keiner vorher gemacht hat. Als eine der Ersten außer den Tube Raiders, hatten wir eine Drohne, um coole Bilder zu machen. Anfangs haben wir fast alles aufgenommen. Dann haben wir als eine der Ersten regelmäßig angefangen, Videos hochzuladen. Fans haben sich an die Tatsache gewöhnt, dass sie jeden Freitag um 16.00 Uhr sich eine Pause gönnen und wie eine gute Serie, unser Video sich anschauen können. Es waren also Faktoren, die uns immer mehr Abonnenten garantierten. 

Im Erreichen der Beliebtheit half uns auch das Zeigen von verfluchten Orten, denn früher gab es solche Kanäle in Polen nicht. Wir machten es ein wenig unbewusst. Als Erstes zeichneten wir die Polizeidienststelle in Konstancin auf. Wir sind dorthin gegangen, um die Geschichte von der Geheimpolizei NKWD zu erzählen, welche Menschen folterte. Angeblich sollte es ein Spukhaus sein. Wir wussten nicht, dass die Zuschauer es so sehr mögen werden und auf einmal hob der Film viel, viel schneller als andere unserer Clips ab. Wir sahen also, dass es eine Nische war, die in Polen noch nicht gefüllt wurde. Aus diesem Grund fingen wir an, von Zeit zu Zeit Videos von verfluchten Orten zu veröffentlichen, weil wir versuchen, die Erwartungen unserer Fans, die uns mit Tipps und konstruktiver Kritik anschreiben, zu erfüllen. In Wirklichkeit drehen wir die Videos nicht nur für die Zuschauer, sondern auch für uns selbst, weil wir nicht verheimlichen, dass es unsere Leidenschaft ist. Ich finde, dass wir es deswegen geschafft haben. 

Wie gelingt es euch, Arbeit mit eurer Leidenschaft zu verbinden? Hat der Tag immer weniger Stunden? Teilt ihr die Pflichten bei der Gestaltung eures YouTube-Kanals, der Vorbereitung und Bearbeitung der Videos auf? 

Ja. Jeder von uns hat seine eigenen Pflichten. Jakub bearbeitet die Videos, von ihm kommen also alle unsere Werke. Wenn die Möglichkeit besteht, nehmen wir alle das Material auf. Łukasz und ich arbeiten in Schichten, 5 Tage gehen wir zur Arbeit und die nächsten 5 Tage haben wir frei und können irgendwohin fahren, ohne Urlaub beantragen zu müssen. Bei Jakub ist es etwas Komplizierter, da er von Montag bis Freitag arbeitet, aber wir versuchen uns an ihn anzupassen. Manchmal ist es so, dass nicht alle mitfahren können, also drehen wir zu zweit oder manchmal macht es eine Person. Tatsächlich wird der Tag immer kürzer und wir müssen ihn ausdehnen. Deswegen scherzen wir immer, dass wir schnell schlafen. Unsere Familien stehen uns natürlich zur Seite. Ab einem gewissen Zeitpunkt begann Urbex History selber Geld zu verdienen, dank der ganzen Aufrufe auf YouTube. Manchmal veröffentlichen wir auch ein gesponsertes Video. Wir müssen nicht mehr selber Geld drauflegen. Wir können es uns erlauben, nach Fukushima, Deutschland zu fahren, zu tanken, essen, schlafen, Ausrüstung zu kaufen, also können wir auch etwas für die Zukunft zur Seite legen. Deswegen machen uns unsere Liebsten keine Vorwürfe, dass wir immer älter werden und anstatt an eine Familie zu denken, geben wir all unser Geld für Urbex aus. Dank der Fans, Patrons und allen anderen können wir uns unserer Leidenschaft hingeben, ohne das Haushaltsbudget zu belasten. 

Foto: Urbex History

Wie findest du, kann das Risiko und das Adrenalin süchtig machen? 

Auf jeden Fall! Wenn es um mich und Łukasz geht, macht es süchtig. Wenn man hoch hinaufgehen muss, sogar auf ein Objekt, das nicht historisch reich ist, dann kommt in dem Moment auf dem Türmchen oder riesigen 60 m Bagger Adrenalin und Angst auf. Nachdem man wieder auf dem Boden ist, kommt oftmals ein Lächeln über das ganze Gesicht auf. Ich kann es also bestätigen, dass Adrenalin während eines Urbexes oder Kriechens im Tunnel abhängig macht. Ich sage nicht, dass es vernünftig ist, aber nach 6 Jahren erinnere ich mich am meisten an die Videos, wo ich etwas Extremes gemacht habe. 

Ihr habt bereits zwei Bücher über eure Abenteuer veröffentlicht. Habt ihr vor, weitere rauszubringen?

Wir möchten weitere Bücher herausbringen, denn wie ich erwähnt habe, drehten wir mehr als 250 Videos, also haben wir vieles zu erzählen. Die Realität sieht jedoch so aus, dass wenn es sich für den Verlag lohnt, unsere Bücher herauszubringen, dann macht er es auch. Vieles hängt also vom Interesse der Menschen ab, die unsere Videos schauen und Bücher kaufen. Wenn sie es kaufen, dann verdient dabei der Verlag und möchte, dass wir weiter schreiben. Wenn das Interesse jedoch gering ist, gibt es keinen Sinn, ein weiteres Buch herauszubringen. Es sei denn, wir machen es alleine, aber der Tag ist etwas zu kurz, um sich um alles kümmern zu können. Bald haben wir ein weiteres Gespräch mit dem Verlag zur Veröffentlichung unseres dritten Buches, also, ich will nicht unken, aber es ist sehr wahrscheinlich, dass es herausgebracht wird. 

Du hast erwähnt, dass ihr Geschichten erzählt und manchmal historische Orte besucht. Fühlt ihr euch aus diesem Grund wie ein Sprachrohr der Geschichte oder sogar Geschichtslehrer?

Ja, obwohl man sagen kann, dass wir uns dessen anfangs nicht bewusst waren. Wir kamen auf die Idee, etwas mehr zu machen, als nur verlassene Orte zu besuchen. Wir wollen eine interessante Geschichte erzählen. Auf einmal wurde das zu unserem Markenzeichen und jetzt versuchen wir in jedes Video ein geschichtliches Element zu bringen. Wir sind keine ausgebildeten Historiker und manchmal sagen wir etwas falsch oder haben die falschen Informationen und es gelingt uns alles nicht so, wie wir es möchten. Wir sind uns bewusst, dass nicht jeder perfekt ist. Wir versuchen jedoch alles so gutzumachen, wie wir es können. Es muss wohl gut rüberkommen, weil uns viele Menschen zuschauen. 

Habt ihr Pläne oder Träume, die ihr in der Zukunft realisieren möchtet?

Wir haben viele Träume. Leider hat das Coronavirus viele unserer Pläne gestrichen. Letztes Jahr sollten wir nach Detroit fahren. In den USA gibt es Massen von verlassenen Objekten, wo man etwas Cooles drehen kann. Wir wollten auch ein Projekt namens Buran realisieren, also ein Space Shuttle in Baikonur in Kasachstan aufnehmen, die sowjetische verlassene Stadt Pyramiden der Inselgruppe Svalbard, Patagonien, die Puppeninsel in Mexiko und viele andere Orte besuchen. Leider wurden die Grenzen geschlossen, also mussten wir uns mit Orten, wo man von Polen aus hinfliegen konnte, zufriedengeben. Wir hoffen, dass dieses Jahr alles wieder öffnen wird und es uns gelingt, uns viele Ziele und Träume zu erfüllen. 

Das wünsche ich euch!

Danke! 

 

Dieses Interview stammt aus dem PolenJournal-Magazin (Onlineausgabe 1/2021) 

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