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Posener Bamberger: Eine lebende Tradition

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“Es gibt keine Gegenwart ohne Vergangenheit” – und genauso gäbe es das heutige Posen/Poznań ohne die Posener Bamberger nicht. In diesem Jahr wird das 300-jährige Jubiläum der Ankunft der ersten Siedler gefeiert. Wer sind sie und warum haben sie Anfang des 18. Jahrhunderts ihr Leben aufgegeben, um sich an der Warthe anzusiedeln? Was haben sie für die Kultur und Tradition der Stadt Posen/Poznań, der Region und für Polen geleistet? Ein Gespräch mit den Vertretern des Vereins der Posener Bamberger.

Robert Dethloff, PolenJournal.de: Welchen Ursprung hat die Bezeichnung Bamber und warum bezeichnete man so im 18. Jahrhundert alle Einsiedler, die in die Posener Dörfer eingewandert sind, obwohl sie nicht aus derselben Region stammen? 

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“Bamber” dient als Bezeichnung der ersten Siedler aus Bamberg und der Umgebung. Ob alle von ihnen von den Neuankömmlingen aus Oberfranken stammen? Schwer zu sagen. Bei den ersten war dies sicher der Fall. Wahrscheinlich kamen sie auch aus Württemberg, Schwaben, Ostpreußen und sogar aus Schlesien. Sie sprachen Deutsch und wurden alle gleich bei der Ansiedlung behandelt. Das verursachte, dass man die ganze Gruppe als “Bamberger” bezeichnete. Das Bewusstsein, dass die Ansiedler aus verschiedenen Orten stammen, ist im Laufe der Zeit selbst in ihren Erinnerungen fast vollkommen verwischt.

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Wurde der Aufruf zur Ansiedlung im 18. Jahrhundert nur nach Bamberg oder nach ganz Deutschland gerichtet?

Auf diese Frage geben die Dokumente keine klare Antwort. Der Tradition zufolge hat die Siedler entweder der Bischof Michał Bartłomiej Tarło oder der Bischof Krzysztof Antoni Szembek angeworben. Bei einem Besuch beim Bamberger Bischof haben sie von der Überbevölkerung der Region erfahren. Nach der Rückkehr überzeugten sie die Posener Stadtverwaltung, um Aufrufe dorthin zu schicken. Sowohl das Datum als auch der Inhalt dieses Appells sind nicht bekannt. Im Jahr 1719 kamen aber die ersten Siedler aus Bamberg, also musste man ihn erlassen haben.

 

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Was trieb die Bamber dazu, dass sie sich auf einem neuen Gebiet und in einem fremden Land niedergelassen haben?

Damals war Bamberg ein hervorragend bewirtschaftetes und reiches, aber ein überbevölkertes Land zugleich. Darüber hinaus war es damals rechtlich verboten, das väterliche Erbe unter den Geschwistern zu teilen. Das verursachte, dass ein Teil der Bevölkerung in Armut lebte. Dieser Teil nahm gerne die Einladung aus dem Aufruf entgegen. Diese armen, aber sehr fleißigen Menschen, die mit der Landwirtschaft verbunden waren, erhofften sich mit der Auswanderung nach Posen/Poznań ihr Schicksal zu verbessern.

Wieso löste die Ankunft der Siedler keinen Widerstand seitens der Einheimischen aus? Sie konnten nämlich keine Sonderrechte im Gegensatz zu den Ankömmlingen in Anspruch nehmen.

Anfangs wurden die Bamberger angeblich von der polnischen Bevölkerung nicht freundlich empfangen, was auf die besseren Bedingungen für die Ansiedler zurückzuführen war. Im Laufe der Zeit schritt die Abschaffung des Frondienstes voran, bis dieser ganz aufgehoben und mit demselben Ackerzins, wie bei den Bambergern, ersetzt wurde. Das hat die Ungleichheiten beseitigt. Es sind auch keine Informationen über Zwiste zwischen den damaligen polnischen und deutschen Einwohnern Posens zu finden. Die Neuankömmlinge waren ruhige und fleißige Menschen, was man auch von den Polen behaupten konnte. Sie haben sich assimiliert, denn sie wollten sich im Dorf nicht fremd fühlen. Es war auch ein Ausdruck von Wertschätzung an den Platz, den sie als ihren Wohnort wählten. Gemeinsam mit den polnischen Nachbarn haben sie ihn wieder aufgebaut.

Es ist wichtig vor den Augen zu haben, wie Posen/Poznań damals aussah. Die Dörfer, die seit dem Jahr 1253 zur Stadt gehörten, waren eine der Haupteinnahmequellen. Die Entwicklung und der Reichtum der Stadt waren somit stark von ihnen abhängig und die Behörden haben dies nicht unterschätzt. Der Livländischer Krieg in der Zeit von Sigismund II. August traf Großpolen schwerer als andere Landteile. Posen/Poznań und seine Umgebung sind stark verfallen. Dem Kriegsunglück folgte die Pest, die zwischen 1708 und 1710 und vor allem 1709 die Bevölkerung dezimierte und die demografische Katastrophe vervollständigte. Die Posener Dörfer wurden zu Ruinen. Die Wirtschaft existierte praktisch nicht. Das Handwerk und der Handel sind zusammengebrochen, der Warentausch wurde eingestellt. Das Ackerland und die Saat wurden vernichtet. Die Kirchen wurden zugemacht. Der Stadt und den Dörfern drohte der endgültige Untergang. Es herrschte pure Verzweiflung, die durch das allgemein herrschende Chaos verstärkt wurde. Die Durchmärsche von Armeen brachten Raub und Konfiskation. Die Region ging in Anarchie unter. Das Ausmaß an Entvölkerung verdeutlichen die demografischen Daten – Ende des 17. Jahrhunderts bezifferte man die Bevölkerung Posens/Poznańs auf 14.000 Menschen. Nach dem Krieg und der Pest waren es wiederum nur 4.000. Wenn man das aus der Sicht der Stadt betrachtet, sollten die Dörfer schnellstens wieder aufgebaut werden. Die Bauern sind so selten zurückgekehrt, dass man aus Notwendigkeit andere Siedler holen musste. Ein geläufiges Mittel dazu waren Aufrufe, die zu Übersiedlung auf das jeweilige Gebiet anregen sollten. Die Behörden hatten hauptsächlich über deutsche Siedler nachgedacht, die bereits früher in kleineren Gruppen, Familien oder individuell nach Polen strömten.

Wenn man sich dieses Bild des damaligen Posens/Poznańs ansieht, kann man feststellen, dass die deutschen Siedler eine Rettung für die Stadt waren. Hätte es nicht die Bamberger gegeben, dann wäre Posen/Poznań nicht die Stadt geworden, die sie heute ist. Es könnten z.B. Oborniki sein, also eine Ortschaft, die heute rund 18.000 Einwohner zählt und 30 Kilometer von Posen/Poznań entfernt ist, denn dort wollten sich die Menschen ansiedeln.

Ein Rechtssystem, das die Einwanderung begünstigte, Steuernachlässe am Anfang, Geld für die erste Bewirtschaftungsphase sowie Bauholz und Körner für die Saat – das alles verursachte, dass die Siedler schnell die in Ruinen getriebenen Dörfer wieder aufbauen konnten und diese konnten der Stadt zwar nur langsam aber immerhin Einnahmen bringen. So hat sie sich weiterentwickelt und alle haben davon profitiert.


Foto: ZVG. von dem Verein der Posener Bamberger

Mit welchen Problemen mussten sich die Bamberger, nach dem sie nach Polen gekommen sind, messen?

Das Hauptproblem hat die Sprachbarriere dargestellt – sie kannten die polnische Sprache nicht, aber mit der Zeit haben sie sie erlernt.

Was haben die Bamberger für die Kultur und Tradition von Posen/Poznań und der Region geleistet? Welche Rolle spielten sie bei der Entwicklung der Stadt?

Sie haben hauptsächlich die Dörfer, die heute die Posener Stadtteile darstellen, aufgebaut. Die Bamberger haben neue Methoden aus dem Bereich der Agrarkultur eingebracht und die bereits unter der polnischen Bevölkerung bekannten, haben sie verstärkt und weiterverbreitet. Neben der Landwirtschaft, haben sie sich auch der Zucht, dem Obstanbau sowie dem Gemüseanbau gewidmet. Ihnen wird auch die Verbreitung des Kartoffelanbaus zugeschrieben. Dieser war damals viel beliebter in Deutschland als auf den polnischen Landgebieten. Wenn es um die Kleidung geht, haben sie eine einzigartige Mode und ein eigenes weibliches Schönheitsideal geschafft. Die Bamberger Männerkleidung hat sich nicht erhalten, denn die Posener Bamberger haben den Kleidungsstil der polnischen Bauer übernommen. Die Bekleidung der Bamberinnen wurde wiederum von den Dorfbewohnerinnen übernommen und im Laufe der Zeit, vor allem Anfang des 20. Jahrhundert, konnte man nach der Kleidung einheimische Polinnen von den Frauen mit Bamberger Herkunft nicht unterscheiden. Die sehr reiche und fast spektakuläre Bekleidung wurde zu einem wunderschönen Kulturelement. Dank ihrer Fleißigkeit, Vorsorglichkeit sowie Sparsamkeit, Landwirtschaftkenntnissen und handwerklichen Fertigkeiten haben sie sich schnell eingelebt, wurden reich und haben Wurzeln geschlagen.

 

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Wie ist die Bamberger Tracht entstanden?

Das Kleidungsstück, das als ein Element der Bamberger Kultur gilt, wurde nicht aus Bamberg mitgebracht, sondern von den Siedlern in den Posener Dörfern entwickelt. Die Einflüsse aus der Landkleidung, die in Oberfranken, Sachsen sowie der Niederlausitz und bis zum Lebuser Land getragen wurde, vermischten sich mit der bürgerlichen Biedermeiermode und der Landkleidung aus dem 19. Jahrhundert, die damals in Kleinpolen getragen wurde. Die sich aus mehreren aufeinander angezogenen Kleidern zusammensetzende Tracht war prall und imposant und sollte vom Reichtum zeugen.

Erwähnenswert ist auch der Einfluss der Kirche auf die Assimilierung und Polonisierung der Bamberger. 

Die einzige Bedingung, die den Siedlern gestellt wurde, war die römisch-katholische Konfession. Die Bamberger als streng gläubige und praktizierende Menschen, wollten die Kirche besuchen, aber in den Pfarrkirchen wurden die Messen in polnischer Sprache gehalten und dieser waren sie nicht mächtig. So wurde ihnen die Franziskanerkirche zugeteilt, wo die Zeremonie in deutscher Sprache gefeiert wurde. Es war aber eben nicht die Pfarrkirche. Sakramente, wie z.B. Eheschließung in der Franziskanerkirche, bedingte einer Genehmigung seitens der Pfarrei und doppelten Gebühren, die man in die Kirchenkassen einzahlen musste. Das gefiel den sparsamen Bambergern nicht. Eifrig besuchten sie die Pfarrkirchen und das erforderte polnischer Sprachkenntnisse. 

Ist die Bamberger Tradition immer noch in Posen/Poznań lebendig?

Ja! Die Posener haben die Bamberger nicht vergessen und die Geschichte der Siedler ist gleichzeitig die Geschichte der Stadt. Diese kann man im „Museum der Posener Bamberger“ kennenlernen.

Die heutigen Nachkommen der Posener Bamberger fühlen sich eher als Polen oder Deutsche?

Wer sind wir, Polen oder Deutsche, wie fühlen wir uns? Wir haben uns in Posen niedergelassen, weil die Bedingungen hier günstiger als in Bamberg waren. Wir waren Bauerknechte  und wurden zu Landwirten. Wir waren Untertanen vom polnischen und preußischen König sowie dem deutschen Kaiser, aber wir leben hier in Posen/Poznań seit nun mehr als 300 Jahren. Wir sind einfach Einheimische, alte Posener “pyry”. 

Wer kann also dem Verein der Posener Bamberger beitreten?

Ein Verwandter, ein Angeheirateter aber auch ein Sympathisant.

 

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