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Globaltica – die ganze Welt an der Ostsee

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Das Gdynia World Cultures Festival wird bereits zum 14. Mal veranstaltet. Wer etwas Neues Entdecken will, sollte ein paar Tage an der polnischen Ostseeküste einplanen. Vom 25. bis 29. treffen sich hier Künstler aus unterschiedlichsten Regionen der Welt. Piotr Pucylo, der Veranstalter von Globaltica, nahm sich ein bisschen Zeit, um mit PolenJournal.de ein wenig über das originelle Event zu sprechen.

Die 14. Auflage des Festivals bringt wieder außergewöhnliche Musik, interessante Menschen und vor allem viel positive Energie an die Ostsee. In dem pittoresken Park Kolibki in Gdingen werden nicht nur Konzerte stattfinden, aber auch Autorentreffen, Workshops, Filmprojektionen und vieles mehr.

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Emanuela Janda, PolenJournal.de: Auf der Festivalhomepage sind folgende Worte zu lesen: „Nur Musik kann uns vereinigen“. Glauben Sie daran?

Piotr Pucyło, Direktor des Festivals Globaltica: Klingt banal, aber in heutigen Zeiten, mit all den Konflikten sowohl mit politischen, wie auch religiösen und nationalen Hintergründen, muss man einen Ausweg aus dieser Lage suchen. Die Politik scheitert, es lohnt sich aber, nach der Musik zu greifen.

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Ist demnach die Musik die universellste Sprache auf der Welt oder ist es die Kunst allgemein?

Die Kunst war schon immer eine Art Katalysator, obwohl man auch Fälle nennen kann, in welchen sie zum Konfliktausbruch beigetragen hatte. Kunst scheint einerseits universell zu sein, andererseits schöpft sie aus einer konkreten Tradition, die nicht immer für alle verständlich ist. Ihre Universalität ist manchmal bestritten. Die Musik bildet aber diesen Kunstbereich, der am meisten den Menschen anspricht, seine Sinne beeinflusst und Gefühle hervorruft. Im Falle von Musik aus einem fremden Kulturkreis, in dem wir nicht aufgewachsen sind, ist ein wenig Wissen erforderlich, um sie vollkommen zu verstehen, obwohl sie uns sowieso glücklich oder traurig machen kann.

Duo Arvvas aus Lappland schöpf interessante Kompositionen, die in Saami und English vorgesungen werden. 
Foto: Globaltica/Pressematerialien

Wie haben die Anfänge des Festivals in 2005 ausgesehen? Hat sich etwas verändert?

Das Festival hat einen langen und an manchen Stellen verworrenen Weg hinter sich. Die erste Auflagefand im Klub Ucho in Gdingen statt und unterschied sich sehr von der heutigen Form. Damals handelte es sich eher um ein intimes Treffen von den leidenschaftlichsten und damals recht wenigen Fans der Weltmusik. Das Budget war klein und die Wissens- und Erfahrungsmängel in Veranstaltung solcher Events machten sich bemerkbar. In darauffolgenden Jahren veränderte sich die Vision, Lage und Form des Festivals. Sogar die Organisatoren änderten sich. Die Veranstaltung überlebte seine Höhen und Tiefen. Schließlich, vor ungefähr neun Jahren, hat Globatica begonnen, in eine klar präzisierte Richtung zu gehen und sich auf diesem Weg zu entwickeln. Rückblickend lässt sich sagen, dass es eine gute Richtung ist.

Ist Multikulturalität in heutigen Zeiten ein Segen oder eher eine Verdammung?

Ich denke, dass es keinen Sinn hat, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Wir leben in solchen und nicht andere Zeiten. Die Multikulturalität wurde zur unvermeidlicher Norm. Jeder von uns hat das Recht und Möglichkeiten dazu, in nur wenigen Stunden einen anderen Fleck auf der Erde zu besuchen. Es kann nur eine Reise sein, es kann aber auch für länger sein. Man kann dort arbeiten, studieren, leben. Die Multikulturalität bildet den Preis, den wir für diesen Privileg zahlen. Wir müssen lernen, zu koexistieren, sich gegenseitig zu respektieren und zu verstehen. Dabei haben wir die großartige Möglichkeit andere Traditionen kennenzulernen und eigene Kultur vorzustellen.

Wie sollte die Definition des Wortes „global“ aussehen? Es weckt oftmals negative Konnotationen.

Die Frage kommt wegen den Festivalnamen? Dieses Wort verlor leider seine ehemalige Bedeutung. Ich versuche es zu meiden, denn es ruft negative Konnotationen hervor. Die Globalisierung ist ein Prozess, der seit mehreren Jahren im Gange ist und ich finde, dass man ihn nicht stoppenkann. Schwer zu sagen, ob es in eine gute Richtung geht und was eigentlich die „gute Richtung“ ist. Ich bin stets auf der Suche nach Vorteilen dieses Phänomens. Die Definition dieses Wortes für meinen Eigenbedarf weckt positive Konnotationen hervor, aber die Politik hat dazu beigetragen, dass ich es schon unter anderem Gesichtspunkt betrachte. Als ich mir den Festivalnamen durch die Verbindung von „Global“ und „Baltica“ ausgedacht hatte, habe ich nicht damit gerechnet, dass die Bedeutung des ersten Teils sich so verändern wird. Jetzt würde ich nicht mit solcher Idee kommen. Damals war es aber für mich selbstverständlich – die ganze Welt an einen Ort, an der Ostsee. Die Globalisierung muss nicht schlecht sein, aber das hängt in großem Maße von uns selbst ab. Die Schlüsselfrage lautet: Werden wir in der Lage sein, unsere eigene Tradition in Erinnerung zu behalten, wenn wir anderen Kulturen begegnen? Zu politischen und ökonomischen Angelegenheiten will ich mich nicht äußern.


Sofiane Saidi &  Mazalda aus algerien weiß genau, wie man traditioneller Musik einen modernen Touch gibt.
Foto: © Aurore Vinot / Globaltica

Wie vereinigt Globaltica die Unterschiede?

Während des Festivals versuchen wir, Musik aus aller Welt zu präsentieren. Hier treffen sich Künstler aus Europa, Asien, Süd- und Nordamerika und Afrika. Jeder von ihnen stellt seine Kultur vor. Damit kann er entweder ganz nah an den Wurzeln bleiben oder sich nur von seiner Kultur inspirieren lassen und etwas neues schöpfen. Während den „Kulturdialogen“ treten die Küstner zusammen auf und – indem sie spontan improvisieren – öffnen sie sich auf sich gegeneinander. Neben der Musik werden Workshops veranstaltet. Es stellt sich heraus, dass die Andersartigkeit und Vielfältigkeit viele Menschen anspricht – Personen, die offen, neugierig und wohlwollend sind. Wir brauchen solche Menschen in heutigen Zeiten und eben solche besuchen Globaltica.

Manchmal hört man, dass Polen zwei Gesichter hat – einerseits ist es ein sehr gastfreundliches Land, andererseits verhält man sich hier gegenüber dem Fremden mit Distanz oder sogar Feindlichkeit. Wie sieht es nach ihrer Erfahrung aus?

Geht das nur Polen an? Ich denke, dass man solche Paradoxe auch in anderen Ländern Europas oder auch international, vorfinden kann. Mangelndes Wissen und das fehlende Verständnis des „Anderen“ sind die häufigsten Gründe dafür. Der Mensch ist von Natur aus gut. Unsere Tradition bringt uns die Gastfreundlichkeit bei, aber wir haben Angst vor dem Fremden und Unbekannten, also reagieren wir mit Feindlichkeit. Man darf es aber nicht verallgemeinern, denn so entstehen Stereotypen und ich versuche mit Vorurteilen jeglicher Art zu kämpfen. In Polen – wie überall anders auf der Welt und in jeder anderen Kultur auch – gibt es gute und schlechte Menschen.

Kann man durch Musik eine Kultur kennenlernen?

Auf jeden Fall. Es ist aber ein längerer Prozess, der nicht mit einem musikalischen Werk enden darf (lacht). Die Musik widerspiegelt in gewisser Art und Weise die Tradition: das wehmütiges Fado gibt den Charakter der sentimentalen Portugiesen wieder, Flamenco steht für den feurigen Temperament der Andalusier und das emotionelle Qawwali erinnert an den Mystizismus des sufistischen Pakistans. Die traditionelle Musik bildet einen unzertrennlichen Element der Kultur, der für uns zum Schlüssel ihrer Entdeckung werden kann. Die Beschäftigung mit anderen Kulturen kann unsere Augen auf unsere Wurzeln richten. Nach langer „Reise“ kann man etwas finden, was von Anfang an auf Handweite war, wir es aber früher nicht gesehen haben.

Sprechen wir über die Künstler, die während des Festivals auftreten werden. Man kann hier außergewöhnliche Musik hören, die wir bestimmt nicht im Radio vorfinden können.

Das Programm ist unser Markenzeichen – keiner kennt die Künstler, die bei uns auftreten, aber alle wollen sie sehen und hören (lacht). Es ist nicht ganz ernst gemeint, aber in gewissem Grade sieht es so aus. Die World-Music-Szene in Polen ist nicht sehr stark, was dazu führt, dass sogar namhafte Künstler hier unbekannt sind. Macht nichts, dass sie auf größten Festivals der Welt spielen, in besten Konzertsälen auftreten und Tausende Platten verkaufen… Sie gehören nicht zum internationalen Mainstream, also sind nicht in Medien vertreten – sei es bei uns oder in anderen Ländern. Das ist auch ein der Ziele des Festivals – das Teilen der Schönheit der Musik mit denjenigen, die nicht in der Lage sind, ihr im Alltag zu begegnen.

Gili Yalo aus Äthiopien verführt mit lebhaften Melodien und außergewöhnlicher Stimme.
Foto: Michael Topyol / Globaltica

Gibt es bessere und schlechtere Musik?

Die Beurteilung ist subjektive Sache – besonders, wenn es um Kunst geht. Das besondere in Musik ist ihre Vielfältigkeit. Auf der Welt gibt es die unterschiedlichsten Musikrichtungen und jede von ihnen kann andere Hörer ansprechen. Ich will nicht urteilen, welche Genre besser ist und welche schlechter. Was Globaltica angeht, beabsichtigen wir eben, die musikalische Vielfalt darzustellen. Es fällt schwer zum Beispiel die kolumbianische Cumbia oder den Son Cubano mit Musikklängen des Fernen Ostens oder klassischer arabischen Musik zu vergleichen. Es sind total andere Welten. Ein erfahrener Zuhörer kann aber ohne Zweifel innerhalb einer Genre feststellen, was auf hohem – sowohl technischen als auch künstlerischen – Niveau liegt und was Laienmusik ist.

Wonach richten Sie sich bei der Wahl der Künstler für das Festival?

Die Vorbereitung des Programms ist ein langer und komplizierter Prozess. Wir wollen nichts dem Zufall überlassen. Jede Künstlerwahl ist gut durchdacht und motiviert. Natürlich spielen dabei auch die finanziellen und logistischen Möglichkeiten eine Rolle. Vor allen sorgen wir für hohes künstlerisches Niveau. Es gibt aber noch weitere Bedingungen, die wir erfüllen wollen. Wir laden nicht Jahr für Jahr Künstler aus denselben Ländern ein. Wir versuchen Vertreter aus unterschiedlichen geographischen und musikalischen Richtungen zu versammeln. Wir stellen sowohl traditionelle, wie auch gegenwärtige Musik dar, die von der traditionellen inspiriert worden sei. Abhängig von der jeweiligen Bühne, sind unsere Konzerte intim oder voller Energie. Für mich ist aber das Wichtigste, dass wir das Festival für das Publikum veranstalten. Bei der Künstlerauswahl richte ich mich nicht nach meinen musikalischen Interessen, ich stelle mir viel mehr die Frage, ob der jeweiliger Künstler oder die jeweilige Musik dem Publikum Freude bereiten wird. Wird er in der Lage sein, es zu Tränen zu bringen oder etwas Wertvolles auf dem Weg geben? Nicht selten bin ich unsicher, aber ich muss zugeben, dass ich mich mit meiner Wahl nur ein oder zwei Mal verfehlt habe – und wir sprechen von knapp 80 Künstlern, die bei uns aufgetreten sind. Ich sorge dafür, dass unser Publikum – das uns seit mehreren Jahren sein Vertrauen schenkt und das zum unseren Festival kommt, fest davon überzeugt, dass es hier etwas neues und interessantes entdeckt – nicht enttäuscht nach Hause zurückkehrt. Das ist meine Aufgabe.

Während der 13-jährigen Geschichte des Festivals ist bestimmt viel passiert.

Ganz genau. Es gab fröhliche und traurige Geschichten. Es gab Autounfälle, Überflutungen, ausgefallene Flüge, Krankenhaus- und sogar Gefängnisaufenthalte (lacht). Die Einzelheiten über die Geschehnisse hinter den Kulissen behalten wir aber für sich.

Wie kann man sich für das Festival am besten vorbereiten?

Die Teilnahme an Globaltica bedarf keinen speziellen Vorbereitungen. Es reicht, mit positiver Einstellung zu kommen und die Zeit mit außergewöhnlicher Musik zu genießen. Es ist eine musikalische „Reise um die Welt“ in nur wenigen Tagen – in 4-5 Stunden wechseln sich Kontinente, Länder, Religionen und Klänge. Für Konzerte in der Alten Wagenschuppen (Pol. Stara Wozownia) lohnt es sich Tickets früher zu kaufen, denn die Gästezahl ist beschränkt und die Auftritte werden als exklusive Events angesehen. Für den Hauptteil des Festivals braucht man sich keine Sorgen um die Tickets zu machen und diese vor dem Eintritt kaufen. Der Park Kolibki ist ein wunderschöner, umgangener mit unverwechselbaren Atmosphäre Platz. Die ersten Konzerte bekommen einen außergewöhnlichen Picknick-Charakter, es lohnt sich also eine Decke mitzunehmen. Ein Regenschirm ist auch empfehlenswert.

Bleiben wir noch eine Weile bei den Besuchern. Wen zieht Globaltica am meisten an? Oder richtet sich das Programm an eine bestimmte Teilnehmergruppe?

Das Programm ist so konzipiert, dass jeder etwas für sich finden kann. Wir sind offen sowohl gegenüber Senioren, wie auch Menschen um die 40. Wir werden von jungen Menschen und ganzen Familien mit Kindern besucht. Globaltica hat einen familiären Charakter. Neben dem lokalen Publikum haben wir auch immer mehr Gäste aus anderen Teilen Polens und aus dem Ausland. Das Festival wird als Marke immer besser erkennbar und die Vielzahl von Konzerts, Workshops, Filmprojektionen und anderen Aktivitäten machen aus Globaltica ein interessantes Event für alle, die ihre Zeit auf ungewöhnliche Weise verbringen möchten.

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