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„Der Wunsch der Wirtschaft ist die Pflicht der Bildungs- und Hochschuleinrichtungen”

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Dr. Jarosław Bogacki

Dr. Jarosław Bogacki (Foto: P. Walecko / PolenJournal.de)

Deutsch als Wirtschaftssprache ist zum Aushängeschild der Woiwodschaft Oppeln und Schlesiens geworden. Das wissen auch Investoren aus dem Ausland zu schätzen. Doch von Nichts kommt nichts. Damit Deutsch weiterhin ein Markenzeichen der Region bleibt, muss man das sprachliche Potenzial stets fördern. 

Die deutsche Sprache als Markenzeichen

Die Woiwodschaft Oppeln und Schlesien sind bekannt für die Zweisprachigkeit und die hervorragenden Deutschkenntnisse der Bewohner. Die wirtschaftliche Entwicklung, welche die Region in den letzten Jahren durchgemacht hat, zeigt auch, wie wichtig die Sprachkompetenz für die Wirtschaft und Gesellschaft ist. Ausländische Unternehmen wählen Opole / Oppeln im Gegensatz  zu anderen Standorten und investieren in der Region. Doch von Nichts kommt nichts. Die Sprachkompetenz muss kontinuierlich gefördert werden und das auf vielen unterschiedlichen Ebenen. Ansonsten verliert der Standort seinen wohl größten Trumpf und damit auch neue Investoren.

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Dabei kommt dem Zusammenspiel zwischen Wirtschaft, Selbstverwaltung, Deutscher Minderheit und Bildung bzw. Wissenschaft eine Schlüsselrolle zu. Der „Runde Tisch”, welcher vom Lehrstuhl für deutsche Sprache und dem Lehrstuhl für deutschsprachige Literatur an der Philologischen Fakultät der Universität Oppeln organisiert wurde, verdeutlichte, dass am Wirtschaftsstandort Oppeln und Schlesien noch eine Menge Potenzial steckt. Nun ist es an der Zeit, dies durch die Förderung der deutschen Sprache und des Deutschunterrichts von Seiten der Bildungs- und Forschungseinrichtungen, der Selbstverwaltung sowie der Unternehmen freizusetzen. 

„Das Potenzial ist da” – ein Interview mit Dr. Jarosław Bogacki

Die aktuelle wirtschaftliche Lage in der Region, mit Blick auf die Sprachkompetenzen, Abläufe zwischen allen Parteien, Zukunftsaussichten sowie wertvolle Schlussfolgerungen aus dem „Runden Tisch” schildert im Interview mit PolenJournal.de Dr. Jarosław Bogacki, der die Debatte koordinierte und moderierte. 

[Piotr Piela, PolenJournal.de]: Wird Deutsch als Wirtschaftssprache unterschätzt?

[Dr. Jarosław Bogacki, Universität Oppeln]: Es kommt darauf an, wen wir danach fragen. Fragen wir Vertreter der Wirtschaft, kommt sofort die Antwort, dass die Deutschkenntnisse als eine der wichtigsten Schlüsselkompetenzen in unserer Region, aber auch in anderen, bedeutenden Wirtschaftsstandorten wie Breslau, Kattowitz und dem ganzen oberschlesischen Ballungsgebiet, Krakau, Lodz, Danzig, Warschau, Allenstein und Stettin wahrgenommen wird. Man schreibt dieser Kompetenz einen wesentlichen Stellenwert zu und der Grund dafür ist, dass Deutschland der größte Handelspartner Polens ist. Hinzu kommen noch Österreich und ein Teil der Schweiz. Jede Zusammenarbeit basiert auf der Kommunikation und damit diese reibungslos und effektiv verläuft, braucht die Wirtschaft in Polen und insbesondere in Schlesien Menschen, die mit deutschen Geschäftspartnern in deren Muttersprache kommunizieren.

Fragen wir jedoch einen durchschnittlichen Bürger danach, scheint dieser sich dessen nicht besonders bewusst zu sein. Die Konsequenz dessen ist, dass die Bedeutung der deutschen Sprache für die Wirtschaft unter der Bevölkerung generell unterschätzt wird. Diese Tatsache kommt selten in öffentlichen Diskursen vor und das wollen wir ändern.

Sie haben das Stichwort reibungslose Kommunikation erwähnt. Wieso bietet gerade die Woiwodschaft Oppeln oder Schlesien als Ganzes mit Blick auf die deutsche Sprache eine gute Kombination für Unternehmen? Was können Wirtschaftsinstitutionen und Organisationen sowie die Selbstverwaltung und die Bildung bzw. Wissenschaft tun, um den Wirtschaftsstandort Opole zu fördern?

Deutsch als Unterscheidungsmerkmal der Region Schlesien trägt dazu bei, dass die Wirtschaft über ein Potenzial verfügt, das wir nirgendwo anders in Polen, in Europa, aber auch in der Welt finden können. Dank diesem Merkmal sind der Wirtschaftsstandort Opole und generell Oberschlesien in mehreren Sektoren konkurrenzfähiger gegenüber anderen Standorten. Im BPO-Sektor (Business Process Outsourcing) und in der SSC-Branche (Service Solutions Center) gibt es zum Beispiel keinen weiteren Standort außerhalb von Deutschland, wo man die sprachlichen Kompetenzen auf einem so hohen Niveau anbieten kann. Nicht zu übersehen ist auch der quantitative Aspekt, d. h. es gibt wohl keine weitere Region in Europa, wo so viele Personen so gut Deutsch sprechen. Dazu kommt noch, dass ein großer Teil von diesen Personen deutschstämmig und bilingual ist, d. h. Deutsch ist ihre Muttersprache. Das haben bereits einige internationale Unternehmen und globale Organisationen erkannt und ihre Niederlassungen in Opole gegründet. Auch die Produktionsbranche profitiert davon, denn Geschäftsverhandlungen mit deutschen Geschäftspartnern und Kunden verlaufen sicherlich viel besser, wenn beide Parteien nicht nur Deutsch sprechen, sondern auch die gleichen Denkmuster dabei verwenden.

Damit jedoch dieses sprachliche Potenzial in Schlesien erhalten bleibt und die schlesische Wirtschaft durch diese Kompetenz weiterhin so erfolgreich unterstützt werden kann, müssen gewisse Entscheidungen getroffen werden. Der „Runde Tisch”, der an der Universität Opole stattgefunden hat, zeigte deutlich, dass die Entwicklung vieler Unternehmen geplant ist, dass weitere Hunderte von neuen Arbeitsplätzen in der Region entstehen können, wenn Arbeitgeber nur genug Personen mit sehr guten Deutschkenntnissen finden. Ich bin der Meinung, dass der Wunsch der Wirtschaft die Pflicht der Bildungs- und Hochschuleinrichtungen ist, zumal davon die ganze Region profitiert.

Die von Ihnen erwähnten Arbeitsplätze müssen die Unternehmen mit Mitarbeitern mit einem entsprechenden Profil besetzen. Wie werden in diesem Sinne die Fertigkeiten und Kompetenzen der zukünftigen Absolventen von der Oppelner Universität gestaltet oder geformt, sodass sie bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt nach dem Studium haben und attraktiv als potenzielle Mitarbeiter für Arbeitgeber sind?

Die Oppelner Germanistik bietet neben dem traditionellen akademischen Fach Germanistik zum ersten Mal einen praxisorientierten Studiengang Deutsch in der Wirtschaft und in der öffentlichen Kommunikation an. Die Kandidaten mit den Deutschkenntnissen auf dem Niveau A2-B1 studieren zuerst vier Semester lang und erhöhen diese Kompetenzen, auch im Bereich der Fachsprachen. Dann machen sie Praktika im Unternehmen, die ihnen das fachliche Know-How vermitteln. Vier Tage pro Woche, zwei Semester lang werden die Studierenden in Kontakt mit erfahrenen Mitarbeitern der Partnerunternehmen am Erwerb praxisorientierter Kompetenzen arbeiten. 

Das Fachpersonal der Oppelner Germanistik hat das neue Studienprogramm zwei Jahre lang vorbereitet, um den Herausforderungen der sich dynamisch entwickelten Realität und Anforderungen der Hochschulbildung Rechnung zu tragen. Viele Fächer werden in Form von Projekten realisiert. Wir sind uns dessen bewusst, dass die Künstliche Intelligenz die Arbeit der Zukunft ändern wird. Deswegen haben wir vor, unseren Studierenden auch die Anwendung von KI-gestützten Tools beizubringen. Die exzellenten Sprachkenntnisse und die während der Praktika erworbenen Fachkompetenzen werden die Absolventen dieses Studiengangs zu begehrtem Personal vieler Arbeitgeber machen.

Ändern wir einmal die Perspektive aufs Studentische. In welchem Ausmaß nehmen die Arbeitgeber bzw. die Unternehmen in der Woiwodschaft Oppeln sowie in ganz Schlesien Einfluss auf das Interesse an Studiengängen in der Oppelner Germanistik? 

In erster Linie beeinflussen sie das Interesse an germanistischen Studiengängen dadurch, dass sie hier in der Region vertreten sind und jungen Menschen mit guten und sehr guten Deutschkenntnissen attraktive Arbeitsbedingungen anbieten. Sie gestalten die Studienprogramme mit und bieten den Studierenden im Rahmen des Studiums Workshops und Vorträge an. Das Wissen darüber, dass solide Arbeitgeber um Absolventen der Oppelner Germanistik beinahe ringen, verbreitet sich und laut den neuesten Informationen wird sich der Gruppe dieser Arbeitgeber ein neuer Investor, ein ernstzunehmender Arbeitsmarktspieler, schon bald anschließen. Als Oppelner Germanistik sind wir im Stande viel mehr Absolventen als bisher auf den Arbeitsmarkt zu bringen, vorausgesetzt wir bekommen genug Kandidaten. Wie man ihre Anzahl erhöhen kann, haben wir auch bei unserem „Runden Tisch” diskutiert. 

Skizzieren die Arbeitgeber konkrete Anforderungen bezüglich der Hochschulabsolventen, sodass diese nach dem Studium auf eine Stelle hoffen können?

Grundsätzlich erwarten sie hohe sprachliche Kompetenzen – Deutsch C1 oder C2, Englisch min. B2. Um gut oder sehr gut Deutsch zu sprechen, braucht man einige Jahre. Andere Kompetenzen kann man innerhalb von einigen Monaten erwerben. Es gibt jedoch auch Arbeitgeber, die etwas mehr von Kandidaten für eine Arbeitsstelle erwarten. Generell versuchen wir unseren Studierenden beizubringen, dass man das ganze Leben lang lernen muss. Das erfordert von uns das Zeitalter, in dem wir leben.

Wie wichtig für die wirtschaftliche Entwicklung der Region ist eine funktionierende Zusammenarbeit aller Beteiligten, also der Unternehmen, Bildungseinrichtungen, Hochschulen, Selbstverwaltung sowie Wirtschaftsinstitutionen?

Die Antwort kann man in einem Satz formulieren: Gemeinsam kann man mehr bewegen! Beim „Runden Tisch” ging es darum, alle Räder des Wirtschaftsmechanismus miteinander zu verzahnen. Wir wollten auch deutlich zeigen, dass ohne die Unterstützung seitens der Bildungseinrichtungen – der Schulen und der Schulaufsichtsbehörde – sowie deren klugen und für die Wirtschaft der Region enorm wichtigen Entscheidungen, der Mechanismus – mindestens in einigen Branchen – zu stottern anfängt. Bereits der Informationsaustausch zwischen den Akteuren in der Woiwodschaft und in der Region hat einen Mehrwert. Das größte Problem ist, wie man die Eltern der Kinder und Schüler sowie diese selbst davon überzeugen kann, dass sie Deutsch anstatt Spanisch oder Französisch lernen. Wie können wir ihnen die deutsche Sprache attraktiver machen? Das können meiner Ansicht nach am besten die Vertreter der Wirtschaft tun, indem sie den Deutschlernern eine Beschäftigung in den modernsten Unternehmen Europas hier in Schlesien in Aussicht stellen. Nicht zu unterschätzen ist hier auch die Rolle der Medien, die diese Botschaft vermitteln könnten. Die Unterstützung der Politiker, der Selbstverwaltung haben wir, die Deutsche Minderheit als Wert der Region an sich tut schon sehr viel dafür.

Die Oppelner Germanistik, die heute aus zwei Lehrstühlen besteht, sieht sich als Koordinator der Idee der Entstehung eines „Sprachlichen Hubs” in der Woiwodschaft Opole, d.h. eines Raumes, der über ein exzellentes Potenzial verfügt, die Wirtschaft mit Hilfe der deutschen Sprache zu unterstützen. Der „Runde Tisch” gab uns sehr viele Denkanstöße. Die Idee und die Methoden ihrer Realisierung müssen noch mit Experten aus der Region genauer konsultiert werden. Die bereits konzipierten Tools zur Schaffung des „Sprachlichen Hubs” sind vielversprechend. Bei so viel Unterstützung und dem guten Willen aller Akteure kann eher nichts schief gehen.

Sind weitere Debatten geplant?

Sicherlich ja! Wir wollen uns in einem Jahr wieder treffen, um über den aktuellen Stand der Dinge zu diskutieren. Wie bereits erwähnt, planen wir jedoch mehrere Treffen mit einzelnen Experten(gruppen), um Details der zu unternehmenden Maßnahmen zu besprechen.

Was konnten die Beteiligten aus dem ersten Runden Tisch mitnehmen?

Dank der Vielfalt der Aspekte, die am „Runden Tisch” durch unterschiedliche Akteure präsentiert wurden, mussten die Teilnehmer, die sich eventuell dessen nicht bewusst waren, zur Erkenntnis kommen, dass Deutsch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in der Woiwodschaft Opole, in Schlesien, aber auch bei unseren tschechischen Nachbarn im Troppauer Land ist. Darüber hinaus ist an diesem Tisch sehr klar geworden, dass die Entstehung von weiteren Hunderten oder sogar Tausenden von Arbeitsstellen in der Region in Aussicht steht, wenn hier die deutsche Sprache auf einem hohen Niveau weiterhin gelernt wird. Ich hoffe auch, dass alle Teilnehmer, die in ihren Fachgebieten Entscheidungsträger sind, zu der Überzeugung kamen, dass sie die Wirtschaftsentwicklung unserer Woiwodschaft durch ihre auf die deutsche Sprache bezogenen Entscheidungen fördern können.

An der Gesprächsrunde haben viele Gäste teilgenommen, womöglich Vertreter von allen Einrichtungen, welche real die Wirtschaftspolitik sowie die Entwicklung der Region gestalten. Ist dies ein Beleg dafür, dass die deutsche Sprache ein Aushängeschild der Region ist?

Ja, davon bin ich fest überzeugt! Ich hatte die Möglichkeit, mit mehreren Investoren in der Phase der Vorortanalyse des Standortes Opole zu sprechen und alle betonten, dass hier das beste Deutsch von allen in Frage kommenden Standorten in Europa und außerhalb von Europa gesprochen werde. Und jedes zweisprachige Ortsschild eine Werbung für die Region und deren Potenzial sei!

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