In einem früheren Text hatte ich bereits erwähnt, wie meine polnischen Freunde und auch Bekannte, trotz tiefster Zuneigung zu mir, immer wieder aufs Neue überrascht sind und teilweise nicht nachvollziehen können, warum Menschen aus anderen Ländern, und besonders Menschen aus westeuropäischen Staaten, den Weg nach Polen suchen und finden und dabei doch durchaus glücklich und zufrieden wirken. Es zieht immer mehr Menschen nach Polen und diese zahlreichen Gründe möchte ich hier jetzt einmal etwas näher vorstellen, denn auch in Deutschland erkläre ich oft, was mich hierher zog und weiterhin hält.
Warum? Warum? Warum ist doch egal…
Polen ist bei weitem kein Einwanderungsland wie etwa die USA, England oder auch seit mehr als 2 Dekaden Deutschland – und eigentlich schon seit den 1960ern Jahren. Doch seit einiger Zeit ist es vollkommen selbstverständlich, dass man neben Deutsch auch Spanisch auf den Straßen hört, Englisch sowieso, Arabisch und Türkisch schon lange und in den letzten Jahren auch immer mehr Polnisch, und das nicht nur in Berlin oder anderen deutschen Ballungszentren. Polnisch als Sprache und auch seine Sprecher sind ohne Frage überall auf der Welt anzutreffen. Wenn mich in der Vergangenheit auf meinen langen Reisen durch Europa, beruflich wie privat, das Heimweh überkam, fühlte ich mich sofort wie Zuhause, wenn ich wie zum Beispiel in Nordnorwegen 2 Polen hinter mir auf der Straße höre. Komischerweise habe ich diesen Effekt bisher nicht mit der deutschen Sprache erlebt. Aber nicht nur in Norwegen, sondern auch in besonders in Deutschland leben, arbeiten und genießen die Polen. Die Gründe sich für Deutschland zu entscheiden, scheinen denen, wie sich für Norwegen zu entscheiden, ähnlich – kurz gesagt: ein besseres Leben. Deutschland bietet da klimatisch bessere Vorzüge als Norwegen, vielleicht aber nicht monetäre. Einen entscheidenden Vorteil hat Deutschland allerdings – es liegt sehr nah, sodass es auch viele Polen gibt, die täglich zu ihrer Arbeitsstelle in Deutschland von Polen aus pendeln. Auch für mich war das einer der Gründe nach Polen überzusiedeln, obwohl meine ersten geplanten Ziele Singapur und Argentinien waren, aber warum so weit in die Ferne, wenn das Glück doch so nah liegt. Sobald mich jemand fragt, warum ich mich für Polen entschieden habe, würde ich nie die Nähe zu Deutschland als Grund erwähnen.
Über den Autor: Geboren 1986 im damaligen Ost-Berlin, hat er sich schon früh für die weite Welt interessiert. Nach zahlreichen beruflichen Stationen, u.a. in einer Kunstgalerie, im Casino sowie in einem Hotel oder als Reiseleiter, fand er nach dem Studium der Geographie und Anglistik in Potsdam seine Berufung als Sprachlehrer im Ausland. Nach einem Halt in Budapest ging es 2015 nach Polen, wo er glücklich und zufrieden lebt und von Łódź aus das Land entdeckt.
Meine erste Reaktion auf die Frage: Warum Polen? entgegnete ich mit: Warum nicht? Das zeigt eigentlich ganz gut, dass fast jedes Ziel auf der Welt als neue Heimat dienen kann, es kommt darauf an, was man sucht. Das hatte ich schon das ein oder andere Mal erwähnt und möchte jetzt darauf etwas genauer eingehen.
Goldgräberstimmung & unbegrenzte Möglichkeiten
In einem früheren Artikel in meinem Blog hatte ich die boomende Wirtschaft in Polen angesprochen, die sich unbeeindruckt von der Weltwirtschaftskrise vor mehr als 10 Jahren zeigte und selbst wenn die Mehrheit der Handelspartner Polens aus der Eurozone stammt, konnte auch die Eurokrise der letzten Jahre der polnischen Wirtschaft kaum etwas anhaben und sie wächst und wächst, in den letzten Jahren teilweise mit bis zu fast 5 % pro Jahr, auch wenn sich dieser Trend derzeit etwas abschwächt. Das starke Wachstum mag zum einen daran liegen, dass Polen entwicklungstechnisch gesehen einen enormen Aufholbedarf hatte, andererseits ziehen die (noch) günstigen Produktionskosten und zahlreiche Sonderwirtschaftszonen im Land eine Vielzahl von internationalen Firmen an. Diese treffen in Polen auf ein Heer von sehr gut ausgebildeten jungen, motivierten Menschen mit ausgezeichneten Sprachkenntnissen. Denn Polen hat es verstanden, das Geld klug in die richtigen Bereiche zu investieren und zwar in den Ausbau der Infrastruktur sowie in die Wissenschaft und Forschung. Das schafft attraktive Arbeitsplätze, aber natürlich können die Löhne noch nicht so ganz mit denen in Westeuropa mithalten, aber was zu bemerken ist, dass immer weniger Menschen das Land verlassen und die meisten bleiben und viele kehren auch zurück. Es werden immer Menschen auswandern, aber nicht mehr aus Gründen der Armut oder Perspektivlosigkeit sondern eher aus Interesse, für das Studium oder schlicht Fernweh, wie auch in meinem Fall. So finden auch viele Expats in Polen schnell eine gute Position, denn die Schar an internationalen Firmen braucht auch ein international ausgerichtetes Personal, mit Auslandserfahrung, anderen Wurzeln oder Sprachkenntnissen. Dort kam ich ins Spiel, auch mit ein wenig Glück, denn ich habe es mir nicht ausgesucht in Deutschland geboren zu werden und habe nun aktuell überall in Europa wie auch in Polen eine schier unendliche Auswahl an Jobs, da ich Deutsch als Muttersprache spreche, und diese Sprache auf dem europäischen Arbeitsmarkt aktuell mehr als denn je gefragt ist. Das beste in Polen ist, dass man nicht unbedingt Erfahrung in einer gewissen Branche mitbringen muss, Hauptsache man ist engagiert, lernwillig und spricht neben Englisch auch noch Deutsch oder eine andere weit verbreitete Sprache. In Deutschland war und ist es immer wichtig gewesen, ob man auch berufliche Erfahrung mit dem entsprechenden Zertifikat vorweisen kann, wenn man in einem gewissen Bereich tätig sein möchte. In Polen verhält es sich ein wenig wie in Amerika, wo es unwichtig ist, was man vorher gelernt oder gemacht hat, Hauptsache man interessiert sich dafür. Das eröffnet jedem in Polen viele Möglichkeiten. Falls man dann gerade nicht Deutsch spricht, kann man sich auch jederzeit als Sprachlehrer versuchen, denn die internationalen Firmen suchen mehrsprachiges Personal, welches auch dementsprechend ausgebildet werden muss. So zieht dieses Land jedes Jahr Menschen aus der ganzen Welt an, und weil die Universitäten so einen guten Ruf besitzen und man im Herzen Europas ist, kommen auch mehr und mehr Menschen zum Studieren nach Polen.
Ein märchenhafter Aufstieg
Besonders der Fakt, dass Polen im Herzen Europas liegt, und nicht wie oft angenommen im Osten, hat zu Polens rasanter Entwicklung in den letzten 3 Dekaden geführt. Selbst Wirtschaftsexperten waren überrascht, wie schnell sich der postkommunistische Wandel vollzogen und Polen sich mit einem enormen Tempo von einer zentralistischen Planwirtschaft zu einem Musterbeispiel für den modernen Kapitalismus gewandelt hat. Selbstverständlich war das nicht immer leicht und es gab auch Menschen, die zurückblieben, aber heute hat Polen eine gesunde Wirtschaft, überschaubare Schulden und bietet vielen Menschen Arbeitsplätze, denn auch die Arbeitslosenquote ist in den letzten Jahren fast stets rückläufig. Das sah nach dem Fall des Eisernen Vorhangs wahrlich anders aus. Wie auch in der ehemaligen DDR war der Transformationsprozess hart, schmerzlich sowie auch steinig. Nach Anfänglichen Schwierigkeiten und einer Reihe von Reformierungsprozessen ist Polen heute ein wirtschaftlicher Musterschüler der Europäischen Union. Schon heute kann man in Warschau ähnlich viel verdienen wie in einigen Regionen in Deutschland. Sowie so war der Beitritt zur EU im Jahr 2004 für die wirtschaftliche Entwicklung ein Segen. Egal was man auch über Europa denken mag, aber nach Jahrhunderten des Krieges haben es die europäischen Staaten ab der Hälfte des 20. Jh. geschafft, einen dauerhaften Frieden in Europa herzustellen, der vielen Menschen Wohlstand, Bildung und Freiheit bietet. Im Zuge dieses Integrationsprozesses in die EU hat Polen viel Geld erhalten, welches sinnvoll eingesetzt wurde und heute auch ein Grund für den rasanten Aufstieg des Landes ist, und das in einem Ausmaß, dass Polen heute selbst zum Einwanderungsland wird. Immer mehr Menschen aus dem Ausland kommen aus zahlreichen Gründen nach Polen. Einige ziehen weiter aber viele bleiben auch. In den letzten Jahren gleicht sich das Lebensniveau der Polen an das der westlichen Länder mehr und mehr an. Selbstverständlich werden auch schlechtere Tage kommen, aber auf die wird Polen mit seinen Menschen vorbereitet sein und weiterhin Leute aus der ganzen Welt begrüßen und empfangen, sei es nun als Tourist oder neuen Bürger, denn es gibt viele Gründe nach Polen zu kommen und hier auch für längere Zeit zu bleiben. Die Welt ist so groß und ich selbst habe kein Gefühl der Verbundenheit zu einem bestimmten Land oder Kultur und ich weiß nicht, wo es mich noch hinziehen wird, aber ich kann mir gut vorstellen in Polen alt zu werden.