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Ein Hoch auf das Leben zu zweit – Auf einer polnischen Hochzeit mit unserem Max

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Der Herbst ist da und mit ihm endet eine jedes Jahr aufs Neue wiederkehrende, magische Zeit und zwar die Hochzeitssaison. Allerdings muss gleich zu Beginn festgehalten werden, dass dieses Jahr aufgrund der Umstände selbstverständlich kein normales Jahr war und somit die alljährliche Hochzeitssaison im Schatten der Pandemie stand. Nichtsdestotrotz gab es trotzdem wieder genug Menschen, die sich das Ja-Wort gegeben haben, auch wenn die Feierlichkeiten etwas anders abliefen als sonst. Darum soll es aber in diesem Artikel nicht gehen und deswegen zieht es uns in dieser Ausgabe in die Welt des Zaubers, der Glückseligkeit und Euphorie, wenn zwei Personen sich darauf einigen, den Rest ihres Lebens miteinander zu verbringen. Dazu gehören neben einer romantischen Trauung, einem überschwänglichen Fest sowie unzähligen kostbaren Erinnerungen und Momenten aber auch eine lange Planung, viel Stress und die ein oder andere Enttäuschung und am Ende auch eine Menge Geld.

Das muss man einmal erlebt haben

Als erstes gibt es einen kleinen Abriss, wie eine polnische Hochzeit im Allgemeinen abläuft. Am Tag der Hochzeit geht es zuerst in die Kirche. Wenn das Brautpaar in seinem schicken Wagen vorfährt, bewegen sich die in der Regel großen Massen an Gästen in die Kirche, suchen sich einen Platz und warten bis das Paar die Kirche betritt, den Gang zum Altar hinunter schreitet und letztendlich am Ende Platz nimmt. Es folgen 45 Minuten mit Singen, Beten, Predigten sowie der abschließenden Zeremonie, an dessen Ende das Paar den heiligen Bund der Ehe eingegangen ist. So weit so gut. Nun folgt das eigentliche Spannende und es soll an dieser Stelle auch immer wieder auf die Unterschiede zu Hochzeiten in Deutschland hingewiesen werden. Vor der Kirche versammeln sich alle Gäste und jeder, wirklich jeder möchte der oder die erste sein, die dem frisch vermählten Paar Gratulationswünsche überreichen. Es kommt somit zu einem riesigen Gedränge und neben den üblichen Floskeln übergibt man dem Paar auch immer eine Flasche Alkohol, die sofort an den Trauzeugen weitergereicht wird, damit er sie verstauen kann. Sobald dem neuen Ehepaar die Glückwünsche überbracht wurden, geht es auch schon schleunigst zur Hochzeitslocation, wo das große Fest steigt. Um offiziell als verheiratet zu gelten, bedarf es, wie in den meisten Ländern auf der Welt einer Trauung, die kirchlich oder aber auch standesamtlich stattfinden kann. Aber meiner Ansicht nach ist das Wichtigste bei einer Hochzeit die Party mit der Familie und den Freunden. Man zelebriert bei gutem Essen, sehr viel Alkohol, abwechslungsreichen Spielen und Musik die Liebe sowie das Versprechen von zwei Menschen ihr Leben teilen zu wollen und das bis der Tod Sie scheidet und dies tut man mit den wichtigsten Menschen. So ein Fest dauert im besten Fall bis 6.00 Uhr morgens und geht nach dem Aufstehen und Frühstück auch gleich weiter. So weit der organisatorische Rahmen einer polnischen Hochzeit. Jetzt soll es darum gehen, was im Speziellen passiert.

100 Jahre wünschen wir Euch… sowie etwas Bitteres

Nachdem ich ab 2013 mehr Zeit in Polen verbracht habe, wurde ich auch sobald zu einer Hochzeit eingeladen. Ich hatte zuvor auch schon viel gehört und wollte es nun mit meinen eigenen Augen erleben. Mein Polnischlehrer in Berlin hatte immer von polnischen Hochzeiten geschwärmt und pflegte stets zu sagen: Das muss man einmal erlebt haben. Man muss aber auch beachten, dass jede Hochzeit immer sehr beeindruckend und ein hoch interessantes Event ist, aber seit ich auf mehr als 8 polnischen Hochzeiten war, kann ich mich der Aussage meines Lehrers nur anschliessen. Der Unterschied zu deutschen Hochzeit sind einmal die Personenanzahl, aber auch der gesamte Ablauf sowie einzelne Programmpunkte wie auch das Essen und Trinken. Ich möchte nicht falsch verstanden werden, da es bei einem besonderen Anlass wie einer Hochzeit nicht primär darum geht sich zu betrinken. Aber wenn man langjährige Freunde, die Familie sowie Wegbegleiter der letzten Jahre bei einer Feier um sich hat, auf der die Liebe und das Leben zelebriert werden, dann gehört neben unterhaltsamer Musik und fabelhaftem Essen einfach auch Alkohol dazu. 

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Dies beginnt auch gleich bei der Ankunft in der Hochzeitslocation mit einem interessanten Brauch. Die Gäste warten bereits mit einem Glas Champagner oder Sekt auf das frisch vermählte Brautpaar, nachdem man nach Überbringen der Glückwünsche vor der Kirche sich schnell auf den Weg gemacht hatte. Das Paar wird von seinen Eltern mit Brot und Salz empfangen, erhält ebenfalls ein Glas und muss es mit einem Schluck leeren und das Glas hinter sich werfen. Der Brauch ist, dass beide Gläser auf dem Boden zerbrechen müssen, andernfalls wartet Unglück auf das Paar, und das möchte natürlich niemand. 

Danach geht es an die Tische, wo bereits die Suppe wartet. Den ganzen Tag und Abend wird regelmäßig Essen aufgetischt, wobei es kein Tellergericht oder Büfett gibt, sondern die Portionen werden auf den Tischen platziert und man muss sich ein wenig wie Zuhause beim Mittagessen im Kreise der Familie gegenseitig die Teller mit Kartoffeln, Gemüse und Fleisch reichen. Auf den Tischen stehen neben alkoholfreien Getränken und Weinen auch Wodka. Dieser wird im Laufe der Veranstaltung wie bereits erwähnt reichlich konsumiert, aber nicht einfach nur so und ohne Grund. 

Hierbei kommen wir auch schon zum nächsten Unterschied zu einer deutschen Hochzeit. Dort wird meist viel Bier konsumiert, wie auch Spirituosen. In Polen wird hingegen wenig bis kaum Bier getrunken, es sei denn auf dem stół wiejski, dem Tisch mit regionalen Spezialitäten, steht neben Wurst, Käse und anderen Leckereien aus der Umgebung auch Bier. Auf einer polnischen Hochzeit wird Wodka konsumiert, und das nicht zu knapp. Bei einigen kommt vielleicht die Frage auf, wie man es konditionell übersteht, die ganze Nacht nur harten Alkohol zu konsumieren. Durch das viele Essen und ausreichendes Tanzen gibt es allerdings einen weiteren Grund, weshalb den Polen nach einer Hochzeit nicht der Kopf platzt und man am nächsten Tag noch angemessen weiterfeiern kann. Wir kommen also zu einem weiteren Unterschied, und zwar zur popita. Hierbei handelt es sich schlicht um nichts Anderes als ein alkoholfreies Getränk, welches man im Anschluss an ein Gläschen Wodka hinterher trinkt, denn popita oder popitka, manchmal auch zapita oder zapitka,  beschreibt schlicht, dass man etwas nachtrinkt, wie bei der Einnahme von Tabletten oder in diesem Fall nach einem Wodka. In der Regel sind das alkoholfreie Getränke wie Limonaden, Säfte oder Wasser. So banal es scheint, so wirksam ist es gegen den berüchtigten Kater am nächsten Morgen und des Weiteren erhöht es die Fähigkeit mehr trinken zu können. So schafft man es eine polnische Hochzeit unbeschadet zu überstehen, auch wenn man kein geübter Trinker ist. 

Vielleicht stellt sich jetzt bei dem einen oder anderen die Frage, wann man denn nun während der Hochzeitsfeier Wodka trinkt. In der Regel wird der Wodka zum Anstoßen oder Prosten benutzt, also um auf etwas zu trinken. Dazu finden sich auf einer Hochzeit genügend Gründe. Oft wird es während der Feier dazu kommen, dass alle im Saal zusammen anstoßen und trinken. Dazu kommt es gleich zu Beginn des Festes, wenn das typische Lied für Geburtstage, aber auch Hochzeiten von der Band angestimmt wird, und dies ist: Sto Lat, Sto Lat. Kurz gesagt, geht es darum jemandem viel Glück und Gesundheit zu wünschen. Sto Lat bedeutet 100 Jahre, womit also dem Geburtstagskind sowie auch dem vermählten Paar ein langes Leben gewünscht wird. Einen weiteren Anlass, um die gesamte Hochzeitsgesellschaft zum gemeinsamen Trinken zu animieren, gibt es, wenn jemand oder mehrere Personen lautstark und wiederholt das Wort gorzko rufen, was so viel heißt wie sauer oder bitter. Damit wird das Brautpaar dazu aufgefordert, sich zu küssen. Weshalb dieser Akt als etwas Bitteres bezeichnet wird, darf sich an dieser Steller jeder selbst ausmalen. Allerdings darf dieses Ereignis nicht begangen werden ohne dabei zu trinken. In anderen Regionen des Landes, wird aber auch einfach nur beim Tanzen gorzko gerufen, damit sich das Paar küsst, das geht dann auch ohne Alkohol. Zu späterer Stunde wird es noch mehr Gelegenheiten geben, den ein oder anderen Wodka zu trinken, ob einfach nur so, in einer Gruppe von Freunden oder im Rahmen eines der zahlreichen Spiele dieses Abends. 

Dabei gibt es zum Teil dieselben Spiele wie in Deutschland, aber auch Traditionen, die mir bis dato nicht bekannt waren. Bei einem dieser Bräuche werden dem Bräutigam sowie der Braut die Schuhe entwendet. Jede Person die einen Schuh ergattern konnte, muss eine Aufgabe erfüllen. Dies kann alles Mögliche sein, wie binnen einer Minute alle Frauen oder Männer im Raum zu küssen, eine bestimmte Anzahl vorher festgelegter Gegenstände bei den Gästen einzusammeln oder 20 Liegestütze zu machen. Wenn die Aufgabe erfolgreich absolviert wird, gibt es ein Geschenk, meistens, wie überraschend, eine Flasche Wodka. So geht der Abend heiter mit mehr Essen, Tanzen und anderen Aktivitäten in die Nacht über. Bis es zu einem der Höhepunkte kommt. 

Aus Liebe, Tradition oder doch für das Geld

Wie auf den meisten Hochzeiten wird auch in Polen der Brautstrauß geworfen, woraufhin eine der unverheirateten weiblichen Gäste ihn fangen und der Tradition nach als nächstes heiraten wird. Allerdings gibt es in Polen im Vergleich zu Deutschland noch eine Erweiterung zu diesem Brauch. Denn auch bei den Männern wird dieses Ereignis durchgeführt, in diesem Fall mit der Fliege oder Krawatte des Mannes. Es gibt diverse Ausführungen dieses Aktes, aber in der Regel sitzen die Braut und der Bräutigam abwechselnd auf einem Stuhl und im Kreis darum stehen die Damen oder Herren. Dabei wird der Strauß oder die Fliege respektive Krawatte in die Luft geworfen, aber ohne etwas zu sehen, denn der Partner verdeckt dem jeweils Anderen die Augen. Somit werden zwei Auserwählte erkoren, die dann im Anschluss einen Tanz ausführen, sei es auf der Tanzfläche oder auf einem Stuhl, was dazu führt, dass man sich doch sehr nahe kommt. So erging es mir und meiner Begleiterin auf meiner ersten polnischen Hochzeit im Mai 2014. Allerdings gehe ich heute davon aus, dass dies so von den anderen Gästen geplant wurde, denn heute ist diese Person meine Verlobte und bald auch meine Frau. Dieser Brauch nennt sich oczepiny und markiert den Beginn des zweiten Teil der Hochzeit, da der offizielle Teil beendet ist, nachdem auch die Dankesreden an die Eltern des Brautpaares gehalten wurden. 

Nun geht es weiter zum Kuchen und selbstverständlich zur Übergabe der Umschläge mit Geld. Normalerweise wird dem Brautpaar zum Start ins neue Leben Geld mit auf dem Weg gegeben, und üblicherweise nicht wenig. Der Grund liegt darin, dass man sich früher mit diesem Geld die erste eigene Wohnung gekauft hat und somit aus dem elterlichen Hause ausziehen konnte. Typischerweise hat man in der Vergangenheit früher geheiratet als man es vielleicht heute tut, womit man eventuell schon sein eigenes Geld verdient und sich sogar schon eine eigene Wohnung gekauft hat. In meinem Fall wird die Hochzeit von mir und meiner Frau bezahlt und das Geld wird dazu verwendet unsere Auslagen auszugleichen. Bei anderen Paaren zahlen die Eltern die Hochzeit und das gesamte Geld geht an das Brautpaar. Das ist aber von Paar zu Paar unterschiedlich und variiert. Aber unabhängig davon freut man sich natürlich über die Geldgeschenke. Bald wird auch der Kuchen serviert und dann wird einfach nur noch getanzt, die Nacht genossen und weiter gegessen oder getrunken bis es hell wird. 

Am nächsten Morgen wartet dann das Frühstück und dann folgt ein weiterer Brauch, der als poprawiny bekannt ist. Darunter versteht man eine Afterparty, sozusagen die Fortsetzung der Hochzeitsfeier mit Freunden und der Familie. Dabei kann man wunderbar die Reste des Abends konsumieren und in Erinnerungen an das gelungene Fest schwelgen. Aber nicht auf allen Hochzeiten auf denen ich anwesend war, wurde ein solches Fest am nächsten Tag organisiert oder man hat sich nach dem doch überschwänglichen Fest gesagt, dass man der poprawiny lieber fern bleibt. In den Tagen danach werden dann die Geschenke gesichtet, das restliche Essen an die Familie verteilt und selbstverständlich das Geld gezählt. Im Anschluss geht es in die Flitterwochen und ein paar Wochen oder Monate später treffen sich einige Paare mit dem Fotografen in einem netten Ambiente mit einer besonderen Szenerie in der Natur oder in der Stadt und machen Fotos im Hochzeitsoutfit. 

Zum Abschluss muss angemerkt werden, dass es je nach Region, Familie oder Tradition andere Abläufe bei einer Hochzeit geben kann. So habe ich es bisher auf den Hochzeiten in der Region Łódź erlebt, aber auch zum Teil in anderen Regionen. Aber in Schlesien laufen Hochzeiten komplett anders ab. Alles in allem hat sich an den Traditionen nicht viel verändert, der einzige Unterschied ist nur, das die Hochzeitspaare älter werden, wenn sie heiraten, wohingegen in Deutschland immer seltener geheiratet wird, und dann auch meist im kleineren Rahmen mit 50 – 70 Personen. In Polen können es 100 Personen oder auch schon einmal mehr sein, das hängt immer davon ab, was man möchte und bereit ist zu zahlen. Bei unserer Hochzeit im nächsten Jahr kommen 120 Personen. Wir hätten gern mehr eingeladen, aber der Saal lässt es nicht zu; und wer weiß, wie viele Menschen überhaupt im nächsten Jahr teilnehmen können. Jedenfalls merkt man, dass immer noch viele Paare sich in Polen das Ja-Wort geben, ob nun wegen der Tradition, einfach der Romantik wegen, der Erlebnisse oder des Geldes. Meine Verlobte meinte einmal, dass ich sie heiraten müsse, wenn ich mit ihr eine Familie gründen möchte. Außerdem erwähnte sie einmal, dass sie schon viel Geld auf vielen Hochzeiten als Geschenk gelassen hat. Eine Hochzeit wäre also eine gute Gelegenheit, das ganze Geld wiederzubekommen. Eine sehr pragmatische und hoffentlich nicht ganz ernst gemeinte Begründung. 

 

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Maximilian Broy

Zum Autor:

Geboren 1986 im damaligen Ost-Berlin, hat er sich schon früh für die weite Welt interessiert. Nach zahlreichen beruflichen Stationen, u.a. in einer Kunstgalerie, im Casino sowie in einem Hotel oder als Reiseleiter, fand er nach dem Studium der Geopgraphie und Anglistik in Potsdam seine Berufung als Sprachenlehrer im Ausland. Nach einem Halt in Budapest ging es 2015 nach Polen, wo er glücklich und zufrieden lebt und von Łódź aus das Land entdeckt.

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