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Liebe geht durch den Magen

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Als Deutschlehrer in Krakau und Lodz war es mir immer wichtig, dass meine Schülerinnen und Schüler jederzeit viel Sprechen und das geht am besten, wenn man über Themen spricht, die einen auch interessieren und dabei noch aktuell sind. Wie so oft gibt es Themen über die man sehr leidenschaftlich und auch lang diskutieren kann, aber das sind oft auch kontroverse Themen, an denen sich die Geister scheiden und wodurch eine sachliche Diskussion schnell eskalieren kann. Jeder möchte seine Meinung zu diesem bestimmten Thema äußern, was definitiv wünschenswert, aber aus Sicht der Kursteilnehmer nicht immer erwünscht ist, da es sich meistens um besonders persönliche Themen handelt und ein Beitrag von einer anderen Person aus dem Kurz schnell als Ratschlag, Kritik oder sogar als Angriff betrachtet sowie gewertet werden kann. Aber bei einem Thema kann sich die Lehrkraft entspannt zurücklehnen und sich sicher sein, dass alle Anwesenden gern eine relativ harmlose, aber trotzdem spannende Unterhaltung führen werden, und zwar über das Essen. Jeder Mensch isst gern, jeder Mensch muss essen, und wenn der Mensch nicht gern kocht, dann muss er oder sie sich trotzdem darum kümmern, irgendwie an Nahrung zu gelangen. 

Typisch Deutsch, typisch Polnisch

Je nach Sprachniveau kann man einfach nur darüber sprechen, was man gern zum Frühstück isst, über Lieblingsgerichte bis hin zu ausgefallenen und raffinierten Rezepten für Desserts. Spannend wird es dann, wenn man sich über die Lieblingsgerichte der jeweiligen Person unterhält oder aber auch über landestypische sowie regionale Spezialitäten. Besonders zur Weihnachtszeit ist das immer sehr interessant, aber auch nicht sehr überraschend, da in Polen doch immer die gleichen Gerichte auf den Tisch kommen, anders als in Deutschland. Immer wenn ich gefragt werde, was denn typisch für ein Weihnachtsessen in Deutschland sei, sind die Menschen von der Antwort: Kartoffelsalat und Wiener Würstchen doch immer sehr verwundert, auch wenn das nicht für das gesamte Land gilt, aber eine typische, religiös inspirierte Tradition für das Mahl am Heiligabend wie in Polen, kennt man in Deutschland in der Regel nicht. In Polen hingegen gibt es das ideale, typische Weihnachtsessen mit 12 Gerichten, ohne Fleisch und natürlich mit Pierogi. Die Idee, Speisen in einen Teigmantel zu packen ist nicht neu und in der ganzen Welt verbreitet, aber mit keinem anderen Land als mit Polen würde man diese Köstlichkeit eher verbinden. Es gibt eine unendliche Variation an Rezepten und Möglichkeiten Pierogi herzustellen sowie zuzubereiten. Besonders beliebt sind sie daher auch nicht zu Weihnachten, sondern eigentlich das ganze Jahr hindurch und es gibt sehr wenige Menschen in Polen, die keine Pierogi in der Tiefkühltruhe haben, und dazu zählen nicht nur junge Studenten. Meine Schwiegermutter ist immer sehr darauf bedacht, dass sich zu jederzeit Pierogi tiefgefroren in unserem Haus befinden und sobald sich Besuch ankündigt, wird Nachschub produziert und ich muss sagen, dass es wirklich schlimmere Traditionen als diese gibt. Besonders im Winter ist es sehr bequem zu wissen, das sich zu jeder Zeit etwas Essbares im Haus befindet, auch wenn ich hier erwähnen muss, dass ich nicht der größte Fan von Pierogi bin, ich Sie aber zu schätzen weiß. 

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Die nationale Küche als Kulturgut

In meiner Arbeit als Sprachenlehrer haben ich und meine Kursteilnehmer uns auch regelmäßig mit der Frage beschäftigt, warum man eigentlich ins Ausland geht. Neben den erwartungsgemäßen Antworten wie ein besonderes Erlebnis zu haben, seine beruflichen Karrierechancen zu vergrößern oder einfach seine sprachlichen Kompetenzen zu erweitern, wurde auch sehr oft die Esskultur und kulinarische Abenteuer als Grund genannt, ins Ausland zu gehen. Ich könnte jetzt nicht behaupten, das dies für mich der Hauptbeweggrund war, nach Polen zu gehen, aber im Allgemeinen ist es wichtig, dass man die nationale Küche auch mag und gern genießt, wenn man sich schon entschieden hat, in diesem Land eine gewisse Zeit zu verbringen. Vor Kurzem schrieb mir eine sehr gute Freundin, die ich aus dem Studium kenne, dass Sie nun vollkommen versteht, weshalb ich nach Polen ausgewandert bin. Auf meine Nachfrage hin, wieso Sie es nun nachvollziehen könne, meinte Sie begeistert, dass Sie gerade zum ersten Mal hausgemachte Pierogi von einer Polin in Berlin probiert hätte. Besonders hat es mich aber gefreut, dass diese Freundin so fasziniert von der polnischen Küche geschwärmt hat, da Sie Vegetarierin ist und Polen sowie andere Länder in Mitteleuropa nicht wirklich als Paradies für eine fleischlose Ernährung gilt, anders als mediterrane oder einige asiatische Länder.  Für gewöhnlich gilt die polnische Küche als deftig und sehr herzhaft, das ist bekannt. Aber dass Vegetarier und auch seit Neustem Veganer in Polen voll auf ihre Kosten kommen, spricht sich auch im Weichselland sowie in ganz Europa herum. Überall sprießen in den Metropolen Restaurants, die eine fleischlose und zum Teil auch vegane Alternative zur traditionellen Küche anbieten. Auf dem Land mag sich das bestimmt noch etwas anders verhalten, aber in Poznan, Krakau, Warschau und Lodz folgt man damit dem zeitgenössischen Trend der modernen Welt. Auch ich habe vor Kurzem meinen Fleischkonsum reflektiert und mich anschließend entschieden, von nun an bedeutend weniger Fleisch zu verzehren und überhaupt kein Fleisch mehr zu kaufen. Meine Schwiegermutter beliefert uns aber weiterhin mit fleischhaltigen Gerichten, und ich würde behaupten, mehr als zuvor, aber dass muss dann halt meine Frau ausbaden und konsumieren. 

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Fleisch oder nicht Fleisch – das ist hier doch die Frage

Auch in meinem Unterricht haben wir uns immer wieder über den Trend unterhalten, dass die Ernährung der Menschen – in Deutschland wie in Polen wie auch im restlichen Europa immer weniger aus Fleisch besteht. Dabei gibt es überall Menschen – männlich wie auch weiblich – die sich ein Leben ohne Fleisch nicht vorstellen können, wollen auch auch um Gottes Willen nicht müssen. Selbstverständlich melden sich auch immer mehr Menschen zu Wort, denen das Wohl der Tiere am Herzen liegt oder aber sagen, dass der moderne Fleischkonsum der Umwelt und dem Klima schadet. Das allgemeine, triviale Thema der Ernährung kann also doch auch sehr ansprechend sowie komplex sein, aber auch zu einem Streitthema mutieren, aber genau das, macht doch ein mitreißendes sowie spannungsgeladenes Gesprächsthema aus. Zum Ende der Unterhaltung besprechen wir auch immer, welche typischen deutschen Gerichte meine werten Schülerinnen und Schüler aus Deutschland kennen, denn zu einem gelungenen Deutschunterricht gehört auch immer die passende Portion Kulturkenntnis, und dazu gehört ja schließlich auch die Ernährung, wie wir festgestellt haben. Erstaunlicherweise offenbaren sich hier immer wieder Bildungslücken und die Antworten beschränken sich auf Wurst und Kartoffeln, was auf ungefähr ein Drittel der Länder auf der Welt zutrifft. Aus einem dieser Kurse sprach mich einmal ein Schüler an, ob ich nicht im Kindergarten seines Sohnes einen Vortrag über Deutschland halten könne – gesagt, getan. Dabei ging neben allgemeinen, kinderfreundlich präsentierten Themen zum Schluss auch um das Essen. Dabei bemerkte ich, dass die meisten von mir vorgestellten “typisch deutschen“ Gerichte, wie Buletten, Kohlroulade oder Sauerkraut aber auch Pasta, Pommes und natürlich auch der Döner, genauso gern in Polen wie in Deutschland verspeist werden. Noch viel beeindruckender war die Reaktion der 5-jährigen Kinder. Dazu muss erwähnt werden, dass ich einen pädagogischen Fauxpas beging, aber auch nur, da ich sonst keine Kinder unterrichte. Die Thematik zum Essen habe als vorletztes Thema präsentiert, allerdings war es schon 11.30 Uhr und der Duft des Mittagsessens lag bereits in der Luft. Nur so viel sei gesagt, das abschließende Kapitel über den Sport habe ich weggelassen und den Kleinen dabei zugesehen, wie Sie sich auf das nahende Essen freuten. Dabei fiel mir auf, dass egal ob jung oder alt, Vegetarier oder nicht, Pole oder Deutscher, essen verbindet, macht Spaß, eröffnet eine neue Welt und begeistert alle Menschen immer wieder aufs Neue.

In diesem Sinne: Smacznego! 

 

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Maximilian Broy

Zum Autor:

Geboren 1986 im damaligen Ost-Berlin, hat er sich schon früh für die weite Welt interessiert. Nach zahlreichen beruflichen Stationen, u.a. in einer Kunstgalerie, im Casino sowie in einem Hotel oder als Reiseleiter, fand er nach dem Studium der Geopgraphie und Anglistik in Potsdam seine Berufung als Sprachenlehrer im Ausland. Nach einem Halt in Budapest ging es 2015 nach Polen, wo er glücklich und zufrieden lebt und von Łódź aus das Land entdeckt.

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