Als Jemand der viel reist, zum Teil auch beruflich im Ausland unterwegs ist und auch selbst schon im Ausland gelebt hat und dies auch immer noch tut, empfinde ich es als äußert wichtig sich dort, wo man sich gegenwärtig aufhält, mit den Menschen in ihrer Muttersprache kommunizieren zu können.
Ob es nun die Getränkebestellung in einer Bar ist, einfach nur die Verwendung von Hallo, Danke und Bitte im Supermarkt oder es um die Frage nach dem Weg geht, ich habe es immer als ausgesprochen wichtig sowie auch als hilfreich und höflich erachtet, zumindest die Grundlagen einer jeden Sprache zu beherrschen, wenn ich mich auch in diesem Sprachraum befinde. Ich bin mit Englisch aufgewachsen, habe früh Französisch und danach auch schnell Spanisch gelernt. Für mich war es auf Reisen oder im Ausland allgemein immer natürlich, mich nicht als erstes auf Deutsch sondern auf der jeweiligen Sprache vor Ort oder zumindest auf Englisch verständigen zu können. Außerdem zähle ich auch zu den Leuten, die man gemeinhin als multilingual und sprachbegabt bezeichnen würde. Es fiel mir immer leicht mich auszudrücken und mit Fremden zu kommunizieren und dies hat für mich somit auch in einer anderen Sprache nie ein Problem dargestellt. In diesem Artikel möchte ich nun aber davon berichten, wie es dazu kam, dass ich mir zum Erlernen eine der wohl schwierigsten Sprachen der Welt ausgesucht habe.
Der, Die, Das…kapusta i kwas
Besonders als Sprachlehrer haben mich meine Schüler immer wieder gefragt, welche meiner Meinung nach die am schwersten zu erlernende Sprache ist. Diese Frage zu beantworten ist so einfach wie die Antwort auf die Fragen: Welches Land das schönste der Welt ist oder wo es das beste Bier gibt.
Um sich der Beantwortung dieser Frage zu nähern, muss man zunächst berücksichtigen, aus welchem Sprachraum die Person stammt. Für einen Polen ist die deutsche Sprache wahrlich nicht einfach zu erlernen und für einen Deutschen ist es auch kein Kinderspiel, die polnische Sprache beherrschen wollen. Es ist immer davon abhängig, aus welcher Sprachfamilie die Muttersprache des Lerners entspringt und aus welcher Sprachfamilie die Sprache stammt, die erlernt werden soll. Für einen Deutschen ist es leichter Dänisch oder Niederländisch zu lernen als für einen Polen und umgekehrt tut sich ein Pole leichter Slowakisch zu erlernen als ein Deutscher. Vergleicht man somit die polnische und deutsche Sprache miteinander, bemerkt man gravierende Unterschiede, die es dem jeweiligen Lerner erschweren. Schaut man allerdings genauer hin, findet man aber nach einiger Zeit auch Gemeinsamkeiten.
Die deutsche Sprache entstammt der Familie der germanischen Sprachfamilie zusammen mit Norwegisch, Schwedisch, Dänisch, Niederländisch, aber auch Englisch. In dieser Gruppe wird dann auch noch einmal differenziert, sodass Niederländisch dem Deutschen näher ist als Schwedisch. Auch in der slawischen Sprachfamilie gibt es diese Unterscheidung, weswegen das Polnische dem Tschechischen mehr ähnelt als dem Serbischen. Aber grundsätzlich teilen sich die slawischen Sprachen einen Kernwortschatz und grammatische Eigenschaften, wie es auch unter den germanischen Sprachen der Fall ist.
Weiterhin gehört die deutsche Sprache zu den synthetischen Sprachen, wohingegen das Polnische eine analytische Sprache ist. Das erkennt man daran, dass es in der deutschen Sprache ohne Probleme möglich ist, sehr viele Substantive aneinander zu reihen. Im Polnischen ist dies kaum der Fall, auch wenn man hier des Öfteren lange Wörter vorfindet. Anders als im Deutschen handelt es sich dabei aber nicht um mehrere Substantive. Möchte man also als Mitglied einer germanischen Sprachfamilie eine slawische Sprache erlernen, beginnt man praktisch bei Null. Außer ein paar Wörtern wie toaleta, kino oder komputer ist der Beginn des Sprachlernprozesses der polnischen Sprache äußert knifflig und kompliziert, auch weil man auf fast nichts aufbauen und zurückgreifen kann.
Im Prinzip funktioniert Polnisch aber auch wie das Deutsche. Es gibt ein Subjekt, ein Verb und wenn man den Satz etwas anspruchsvoller gestalten möchte auch ein Objekt oder mehr. Wie in vielen anderen Sprachen auch gibt es im Polnischen grammatikalische Fälle, das heißt Sprachkategorien, die sich jeweils während einer spezifischen Sprachsituation ändern. Im Deutschen gibt es 4 davon, wobei der Nominativ als 1. Fall die einfachste Variante darstellt und der Genitiv immer weniger genutzt wird, einige Linguisten würden sogar behaupten, dass er zugunsten eines anderen Falles ausstirbt. Für einen Sprachlerner bedeutet dass, man muss sich mit dem Dativ und Akkusativ eigentlich nur 2 Fällen intensiv widmen. Darauf wie sich diese Fälle nun unterscheiden, wollen wir aber nicht weiter eingehen. Im Polnischen gibt es hingegen 7 Fälle, wobei auch hier der Nominativ als 1. Fall relativ simpel ist und der 7. Fall dem deutschen Imperativ, also der Befehlsform wie Geh, Iss oder Sprich, gleichzusetzen ist. Des Weiteren finden wir auch hier den Akkusativ, Genitiv und Dativ wieder, welche zum Teil auch ähnlich funktionieren, aber natürlich anders gebildet werden. Was passiert nun aber in diesen Fällen? Ich möchte nicht zu tief in die Materie eintauchen, aber ich finde es auch wichtig, ein bisschen über die eigene Sprache zu wissen und dann auch zu verstehen, wie andere Sprachen funktionieren. Oft lernt man die deutsche Grammatik in der Grundschule und vergisst dann später alles wieder, da es nicht wichtig erscheint zu wissen, was der Akkusativ ist und wie man ihn verwendet. Für mich als Sprachlehrer ist es natürlich wichtiger als für andere Menschen, die Funktionsweise der deutschen Sprache zu verstehen, aber ich bin auch der Meinung, dass ein Grundverständnis des Aufbaus der Muttersprache dabei hilft, sich die Welt besser zu erschließen. Ludwig Wittgenstein sagte dazu: „Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt.“.
Auf den Balkon vs. Auf dem Balkon
Als Deutschem ist es einem ganz selbstverständlich, dass wir Artikel benutzen oder jeder Mensch, der Deutsch von Kind auf intuitiv verinnerlicht hat, weiß, dass es der Baum, die Sonne und das Auto ist. Andere germanische Sprachen verfahren da ähnlich, auch wenn im Schwedischen nur die grammatischen Geschlechter belebt und unbelebt existieren, wobei es im Deutschen die Unterscheidung zwischen männlich, weiblich und sächlich gibt. Auch unter den romanischen Sprachen wie Spanisch und Französisch gibt es diese Funktion und wie im Deutschen erschließt sich einem nicht, weshalb ein Substantiv genau dieses Geschlecht hat. Im Polnischen ist es dahingegen einfacher, da zwar Artikel existieren, diese aber kaum verwendet werden und man das Geschlecht relativ simpel an der Endung erkennt. Das gibt es auch im Deutschen, es ist aber bei Weitem komplizierter. Das führt dazu, dass man als Polnischlerner keine Artikel pauken muss und für mich als Deutschlehrer bedeutet es meinen Schülern zu vermitteln, dass es nicht heißt: Ich habe Frage oder Ich habe Mann. Aber das ist eine andere Geschichte. Im Deutschen erfahren diese Artikel nun eine Veränderung, wenn sich die Sprachsituation ändert, wie zum Beispiel bei einer Bewegung. Es ist im Deutschen – wie auch im Polnischen – ein Unterschied, ob ich mich an einem Ort befinde oder dorthin begebe. Dieser Unterschied wird in der deutschen Sprache durch die Veränderung des Artikels verdeutlicht: Ich gehe auf den Balkon unterscheidet sich zu Ich bin auf dem Balkon. Dieses Phänomen nennt sich Deklination und in der polnischen Sprache wird dies anders als im Deutschen durch eine – manchmal sehr starke – Veränderung des Substantivs umgesetzt, und das ist für einen Deutschen sehr ungewohnt und kompliziert. Die deutsche Variante der Flexion des Artikels ist nicht weniger anspruchsvoll, aber die Anzahl der Möglichkeiten ist mit der, die, das, den, dem und des doch überschaubar. Um es jetzt auch noch weniger anwenderfreundlich zu gestalten, ist diese Veränderung je nach Geschlecht und Fall unterschiedlich und somit wird Polnisch aufgrund der schier unbegrenzten grammatikalischen Möglichkeiten zu einer äußerst ambitionierten Angelegenheit und meiner Ansicht nach somit zu einer der schwersten Sprachen der Welt. Nur um es kurz zu verdeutlichen, die Zahl 2 hat im Polnischen 17 verschiedene Formen.
Diese Sprache nun zu erlernen ist ein Unterfangen, welches sich in Deutschland kaum umsetzen lässt. Trotzdem habe ich 2012 einfach ohne Grund mit dieser Sprache begonnen, da Sprachenlernen zu meinen Hobbys zählt. Andere musizieren, sammeln seltene Gegenstände oder halten sich Tiere, ich lerne Sprachen. Zum einen, weil ich sowieso immer unterwegs war und zum anderen, weil man durch das Erlernen einer Sprache auch gleichzeitig etwas über Menschen und Kultur des jeweiligen Landes lernt. Aber wie auch schon zuvor erwähnt, empfiehlt es sich eine Sprache wie Polnisch im Zielland zu erlernen. Ich fand es immer sehr amüsant, wenn junge Männer in unseren Kurs in Berlin kamen, da Sie eine Frau kennengelernt haben, deren Familie in Polen lebt und Sie sich gern mit den Familienmitgliedern unterhalten wollen. Diese gutgläubigen Personen wurden spätestens nach der 2. Lektion nie wieder gesehen. Das zeigt auch, dass für eine komplizierte Sprache wie Polnisch die Motivation stimmen muss. Also nichts wie ab nach Polen. Gesagt, getan.
Wer einen Satz auf Polnisch kann, spricht automatisch Polnisch
Sobald man aber in Polen ist, bemerkt man schnell, dass alles halb so wild ist. Die Polen erwarten nicht, dass man perfekt Polnisch spricht und freuen sich, wenn man auch nur ein paar Wörter oder Redewendungen kennt. In den größeren Zentren wie Poznan, Breslau oder auch Krakau trifft man immer wieder auf Menschen jeden Alters, die Deutsch beherrschen. Mein Tipp ist auch eine Theorie zu überprüfen, denn angeblich kennt jeder Pole den Satz: Ordnung muss sein. Es existieren auch andere, mitunter humorvolle, Redewendungen auf Deutsch, die oft aber nur in Polen geläufig sind, wie zum Beispiel: Deine Mutter ist Komputer oder Der, Die, Das…kapusta i kwas, womit die Polen ihr Unverständnis über die deutschen Artikel ausdrücken und diese somit als Sauerkraut und Säure bezeichnen, was aber eher der phonetischen Ähnlichkeit entspringt als dem wirklichen Vergleich der Artikel mit Sauerkraut und Säure. Das Problem allerdings ist sehr oft, dass die Polen die Tatsache, ein paar polnische Wörter fehlerfrei präsentieren zu können, damit verwechseln, dass man die Sprache perfekt beherrscht. Aber dann teilt man seinem Gegenüber einfach freundlich mit, dass man nur ein wenig Polnisch beherrscht und eventuell auf Englisch oder sogar auf Deutsch das Gespräch fortführen kann. Es empfiehlt sich allerdings in jedem Fall die Sprache zu lernen, wenn man die Absicht hegt, länger als 2 Jahre in dem Land bleiben zu wollen. Die meisten internationalen Firmen bieten ihren Arbeitnehmern Sprachkurse an und selbst Kurse oder auch Individualunterricht an einer Sprachschule sind in der Regel sehr erschwinglich. Beim Erlernen verhält es sich dann wie mit jeder anderen Sprache auch: Regelmäßigkeit und Motivation. Bei ersterem bin ich als Deutschlehrer der größte Hypokrit. Ich predige meinen Schülern, dass Sie täglich 5–15 min üben sollen und 2 mal die Woche länger, selber halte ich mich aber nicht daran, auch wenn ich in Polen lebe und täglich der polnischen Sprache ausgesetzt bin, würden mir 10–15 min täglich mehr sicherlich nicht schaden. Ich gehe zum Polnischunterricht, aber nicht regelmäßig, zu oft habe ich die Arbeit vorgeschoben, bis ich entschieden habe, weniger zu arbeiten und mehr Zeit in die polnische Sprache zu investieren. Im nächsten Jahr findet meine polnische Hochzeit statt und da möchte man sich von seiner sprachlich besten Seite zeigen.
Der Dativ ist dem Genitiv nicht sein Tod
Beim Erlernen einer Sprache ist es wie beim Sport oder einer Beziehung, man muss besonders am Anfang aber auch zwischendurch unheimlich viel Zeit investieren, um Erfolge zu sehen und sich weiterzuentwickeln, aber es lohnt sich, wenn man nach einer bestimmten Zeit dieses unbeschreibliche Glücksgefühl verspürt, dass der Kellner doch fest davon ausging, mit einem Polen zu sprechen. Es gibt natürlich immer Hürden. Neben der Schwierigkeiten mit den Fällen kommt auch noch ein weiterer Umstand der slawischen Sprache zum tragen, und zwar der zeitliche Aspekt. Es ist im Polnischen ein Unterschied, ob ich etwas einmal oder regelmäßig mache und dabei benutzt man zum Verdeutlichen dieses Umstandes selbstverständlich unterschiedliche Verben, die sich ähneln, aber sehr oft auch nicht. Diese bilden dann auch andere Vergangenheitsformen, woran man aber sich auch gewöhnt. Auch deswegen, weil es im Polnischen genauer gesehen nur eine Vergangenheit gibt. Das ist doch schon mal etwas. Anders als im Deutschen, wo ein bekannter Linguist vor längerer Zeit ein Buch herausbrachte, in dem er den Untergang des Genitivs prophezeite und der Dativ seinen Platz einnehmen wird, ist dies in Polen genau anders herum. Hier findet man aber auch Fälle, die es im Deutschen nicht mehr gibt, die aber auch nicht besonders schwer sind, es ist wie mit allen Dingen: Übung macht den Meister.
Wie in jeder anderen Sprachen auch gibt es Eigenheiten, die einem Kopfzerbrechen bereiten, aber einen auch unheimlich stolz machen, wenn man es dann irgendwann in der Praxis auch richtig anwenden kann. Der Vorteil ist auch, wer Polnisch spricht, kann sich einfacher in der Ukraine oder Kroatien bewegen. Man darf auch nicht vergessen, dass sich die polnische Sprache nie vor anderen Einflüssen verschlossen hat und somit findet man jede Menge deutsche, englische und allgemein lateinstämmige Wörter vor. Dabei kommt es auch zu so wundervollen Kreationen wie dem Wort dżem, was Marmelade bedeutet, aus dem Englischen von Jam stammt, aber Polnisch geschrieben wird, sich aber wie das englische Äquivalent anhört. Wenn das nicht einfach nur reizend und somit einer von vielen Gründen ist, sich mit dieser Sprache intensiver zu beschäftigen, dann weiß ich auch nicht weiter.