“Die Welt hat mindestens ein Tausend Dörfer und Städte. Einen Brief schreibt ein Mensch wenigstens einmal im Leben”, lautet übersetzt der Songtext der polnischer Rockband Skaldowie. “Graue, weiße, bunte Briefe. Nehme den Hut vor der Post ab”. Und wenn man zu dieser Geschichte über die Briefe, Briefkästen dazugeben würde? Briefkästen, die ebenfalls bunt und außerordentlich sind, und die den Menschen am Herzen liegen. Genau solche werden in der Garage von Zbigniew Smyk in Olsztyn / Allenstein hergestellt.
Das kleine Familienunternehmen Briefkästen aus Ermland / Skrzyneczka z Warmii produziert, wie der Name verrät, Briefkästen – aber nicht solche, die wir in den herkömmlichen Geschäften finden können. Denn wer hat gesagt, dass ein Briefkasten langweilig sein muss, wenn er die Korrespondenz des Besitzers entgegennimmt? Zbigniew Smyk aus Olsztyn/Allenstein hat einen Briefkasten in Form einer Schultasche hergestellt, der immer bekannter wird. Die bunten Briefkastentaschen in Vintage-Stil warten auf die Post nicht nur von Privatpersonen, sondern auch Promis, Hotels und anderer Institutionen. Geschweige dessen, kann man sie nicht nur in Polen sehen, sondern auch im Ausland.
Zbigniew Smyk hat PolenJournal.de ein bisschen Zeit geschenkt, um seine Erfolgsgeschichte zu erzählen – eine inspirierende und ermutigende Geschichte voller Handlungswendungen. Der Mann, der hinter dem Briefkasten aus Ermland steht, weißt genau, was er sagt, wenn er seinen Kunden nur gute Nachrichten wünscht.
Emanuela Janda, PolenJournal.de: Bevor der erste Briefkasten entstanden ist, ist viel passiert…
Zbigniew Smyk: Am Anfang lief das Leben ohne größere Überraschungen, gemäß unserer Vorstellungen und Möglichkeiten. Die Arbeit, das Haus, die Familie und die Ausbildung unserer Kinder standen im Mittelpunkt. Nichts Besonderes, der normale Alltag mit Augenblicken voller Freude und dem Streben nach eigenen Zielen. Doch alles hat im Handumdrehen ein Unfall verändert. Ich hatte einen guten Job als Handelsdirektor in einer italienischen Gesellschaft. Die guten Verdienste und Zukunftspläne haben sich aber in nur einem Augenblick verändert. Ein Autounfall, der von einem unbekannten Fahrer verursacht worden ist, hat das Leben meiner ganzen Familie auf dem Kopf gestellt. Die lange Genesung und das Unvermögen, die alte Arbeit wieder aufzunehmen, stellten mich vor ein großes Problem. Während dieser Zeit hat sich das italienische Unternehmen aus Polen wegen der Wirtschaftskrise nach Argentinien zurückgezogen. Für mich war es ein Kampf ums Überleben. Die brutale Wirklichkeit, die Gefahr der Arbeitslosigkeit und nicht nur finanzielle Verpflichtungen, aber auch die, die mit der Ausbildung unserer Kinder verbunden waren, raubten mir den Schlaf. Kurz gesagt, die Zukunft sah für uns alles andere als rosig aus. Erfolglos suchte ich nach einer Arbeit in meinem erlernten Beruf als Biochemiker mit dem Schwerpunkt Gewässer- und Umweltschutz. Ich wurde nur für kurze Zeit eingestellt und es gab keine Hoffnung auf Stabilisierung und festes Einkommen. Die Ersparnisse wurden immer kleiner. Verzweifelt suchte ich nach Stellenangeboten in der lokalen Presse. Man suchte einen Betriebsleiter in einer Schmiede. Ich habe mich in nur wenigen Minuten entschlossen. Die Erfahrung, die ich als Schweißer vor Jahren gemacht habe, erwies sich als sehr nutzbar. Ich habe die Arbeit mit Metall kennengelernt, genau wie die Geheimnisse des Schmiedehandwerks. Einige der Arbeiter konnten richtige Meisterstücke aus Metall schaffen. Unglücklicherweise hat der Eigentümer nach einem halben Jahr den Betrieb geschlossen und ist nach Deutschland ausgewandert. Wenn er sich mit uns traf, sagte er immer halb mit Spaß, halb mit Ernst: “Denkt immer daran – wenn ihr keine Arbeit, aber Zeit habt, macht etwas, wenn auch nur Briefkästen”. Ich habe damals nicht gewusst, dass diese Perspektive so schnell zu mir zurückkommen wird. Der Besitzer hat den Betrieb geschlossen, ich war wieder arbeitslos, aber ich war reicher um neue Erfahrungen und Kenntnisse. Ich habe meine eigene Firma gegründet, die Einfahrtstore machte. Einer meiner Kunden hat mich gebeten, ihm einen Briefkasten zu machen. Nach langer Überlegung habe ich einen in Form einer Schultasche gemacht.
So hat unsere Geschichte begonnen – mal ist sie außerordentlich, mal selbst für uns unglaublich. Diese Geschichte hat unser Leben und unsere Familie verändert, indem sie vor uns die Tür zur künstlerischen Freiheit und zu den Träumen eröffnet hatte.
Wie kamen sie auf die Idee, die Briefkästen in Form einer Schultasche zu machen?
Ich finde, dass das Handwerk Erinnerungen hervorrufen soll, zum Beispiel Erinnerungen aus der Kindheit, als die Welt einfacher und sicherer erschien. Die Menschen suchen in den Gegenständen nach Trost und positiver Energie. Wir suchten nach etwas Universellem, was solche Erinnerungen hervorrufen würde, und so entstand die Form einer Schultasche, die ich vor Jahren auf meinem Rücken auf dem Weg zur Schule trug. Es hat sich herausgestellt, dass diese Form universeller ist, als ich am Anfang gedacht habe, denn sie ist bei den Deutschen, Skandinaviern und Italienern bekannt. Nach einigen Tagen intensiver Suche nach den besten technischen Lösungen und Entwürfen, habe ich den Prototyp geschaffen. Mein Sohn, der damals schon seine Ausbildung als Arzt beendet hatte, hat mich besucht und versehentlich mein Kunstwerk entdeckt. Er dachte, dass es wirklich eine Ledertasche ist. Der Briefkasten hat auch meinen Kunden sehr gefallen und so hat alles angefangen. Wieso eine alte Schultasche? Weil diese Form auch viele Gestaltungsmöglichkeiten gibt. Es entstehen Briefkästen, die eigentlich sehr ähnlich, aber zugleich einmalig sind. Darin steckt der Charme dieses Produktes.
Wie haben die Briefkästen aus Ermland sich ihren Weg gebahnt?
Die Anfänge gehörten nicht zu den einfachsten. Nach unglaublich vielen Stunden harter Arbeit, Streiten schöpferischer Natur und Visionen, die ich mit der Familie diskutiert habe, entstanden weitere Briefkästen. Die Perspektive eines Erfolgs war aber noch sehr weit entfernt. Mein Sohn Łukasz hatte aber eine ganz konkrete Idee. Ich kann mich noch sehr gut an diesen Tag erinnern. Die Kirschbäume blühten im Garten und ich hörte seine Worte: “Vater, lass die Tore sein und mach Briefkästen. Das ist die Zukunft, die Briefkästen sind der Knaller”. Konsternation und Misstrauen, aber dann lief alles sehr schnell. Mein Sohn kaufte einen Stand auf dem Dominikanermarkt/Jarmark Św. Dominika und gab mir keine andere Wahl. “Man muss diese Briefkästen der Welt zeigen”, meinte er und das haben wir auch gemacht.
{loadposition podtekstem}
In ihrer Tätigkeit spielt das Lokale eine bedeutende Rolle. Weiterhin ist für sie der schon von ihnen erwähnte Dominikanermarkt, der Jahr für Jahr im August in Danzig stattfindet, sehr wichtig.
Ja, unsere Firma knüpft nicht nur durch ihren Namen an die lokale Gemeinschaft unserer Region an. Es ist nicht umsonst der Briefkasten aus Ermland – er definiert unsere Region und vertritt sie mit Ehre und Würde auf Messen, Märkten und Wohltätigkeitsevents. Unsere Geschichte mit dem Dominikanermarkt dauert schon sechs Jahre. Unser Debüt fand 2013 statt und schon damals haben die Leibwächter unsere Briefkästen als einen Hit ernannt. Sie waren davon überzeugt, dass wir den Markt erobern werden und sie hatten recht. Auch die Veranstalter haben uns wahrgenommen, genau wie die lokalen Medien und alles entwickelte sich lawinenartig weiter.
Ihre Briefkästen haben das Zertifikat Produkt Ermland Masuren bekommen. War es ein großer Erfolg für Sie?
Ja, die Briefkästen gehören jetzt zu lokalen Produkten. Es ist ein enormer Erfolg. Die Aufgabe war gar nicht leicht. Um die Auszeichnung zu bekommen, muss man viele Bedingungen erfüllen, dann das Formular ausfüllen, positives Feedback seitens der Kommission bekommen und schließlich auf den Entschluss des Marschalls der Woiwodschaft Ermland-Masuren warten. Die Zertifikate werden in drei Kategorien erteilt – Produkt, Dienstleistung und Veranstaltung. Die Konkurrenz ist groß und liegt auf hohem Niveau. Am 29. Juni 2017 hat uns der Marschall der Woiwodschaft Ermland-Masuren, Gustaw Marek Brzezin, während der VIII. Gala “Produkt Ermland Masuren” das Zertifikat überreicht und so haben wir das Recht, die spezielle Auszeichnung zu benutzen, die den Kunden erlaubt, sich mit unserer Region zu identifizieren und ihnen ihren großen Einfluss auf die Entwicklung der Woiwodschaftswirtschaft verdeutlicht.
Trotz des lokalen Charakters gelingt es den Briefkästen auch im Ausland Anerkennung zu gewinnen.
Genau, weil das Zertifikat uns nobilitiert und mit diesem Vertrauen erobern wir nicht nur den polnischen Markt, aber auch die ausländischen. Seit Jahren sind wir auf dem Dominikanermarkt präsent, nehmen an Immobilienmessen teil, die in unterschiedlichen Städten Polens veranstaltet werden. Wir sind im Internet aktiv, geben Interviews für die Presse und Fernsehen. Ein großes Ereignis war für uns die Einladung ins Programm “Pytanie na Śniadanie” (Frühprogramm des öffentlichen Fernsehens), die für uns eine bereichernde Erfahrung war und neue Möglichkeiten vor uns öffnete.
Wer interessiert sich am meisten für ihre Briefkästen?
Das Interesse mit unseren Briefkästen kommt aus unterschiedlichen Richtungen. Am Anfang waren wir fest überzeugt, dass zu unserer Kundschaft nur Ehepaare um die 40 gehören werden – solche mit eigenem Haus mit Garten. Wie es sich aber herausgestellt hat, werden unsere Briefkästen von allen gekauft, und das meine ich wortwörtlich, denn sie sind eine gute Geschenkidee zu vielen Anlässen. Zu unseren Kunden gehören auch Eigentümer von Hotels und Restaurants. Die Briefkästen aus Ermland gelangen in die Schulen, Kindergärten und Gästehäuser. Sie verkaufen sich sehr gut in Polen und in Europa. Sie erreichten auch die USA, Kanada, Mexiko, Australien und Japan, man kann sie auch in Kasachstan und Russland finden. Kurz gesagt – unser Kunde ist ein Weltbürger.
Werden die Briefkästen nur in Olsztyn/Allenstein in ihrer Garage hergestellt?
Ja, unsere Briefkästen werden in Olsztyn/Allenstein produziert. Es ist ein Briefkasten aus Ermland und deshalb wird er in dem Herzen Ermlands hergestellt. Hier gibt es die außerordentliche Atmosphäre, um solche Kunstwerke zu schaffen…
Erzählen Sie bitte über die Produktion. Mussten sie bei größerer Nachfrage den Herstellungsprozess irgendwie mechanisieren?
Wir arbeiten in Etappen, gemäß des Kalenders. Wir versuchen so unseren Arbeitstag zu organisieren, damit wir in optimaler Zeit die größte Briefkastenzahl fertig kriegen können. Wir analysieren die Bestellungen und dann organisieren den Tag. Zum Beispiel bauen wir die Briefkästen mehrere Tage lang zusammen, dann bemalen wir sie alle, patinieren und verpacken. Wie lange dauert der Produktionsprozess? Man könnte sagen, dass er die ganze Zeit andauert. Es handelt sich um eine Manufaktur und wir stellen unsere Briefkästen mit Liebe her und sind glücklich – und dem Glücklichen schlägt keine Stunde!
Gleichzeitig müssen wir aber realistisch bleiben. Auf einmal hatten wir so viele Bestellungen, dass wir manche Produktionsetappen mechanisieren müssten. Die einzelnen Teile werden per Laser ausgeschnitten, dann werden sie von mir zusammengebaut. Die Details kommen ins Spiel – Klammern, Zierbeschläge, Biegungen. Zu guter Letzt werden die Briefkästen bemalt und vollendet. Wir zählen aber noch zum Handwerk, denn alle Dekoelemente sind von mir persönlich handgemacht.
Das Ausschneiden aus Metall muss bestimmt zeitaufwändig und nicht gerade einfach sein.
Auf jedem Fall ist es kein Kinderspiel. Die ersten Briefkästen habe ich nur mithilfe meines Werkzeugs gemacht und alle Teile aus Blechblättern ausgeschnitten. Die Abmessungen standen noch nicht ganz fest. Professionelles Laserschneiden wurde unentbehrlich, als ich die Abmessungen der Briefkästen präzisiert habe. Dabei dachte ich immer an ihre Funktionalität. Dies war auch Pflicht um die Form des Briefkasten rechtlich zu schützen.
Die richtigen Abmessungen zu finden, war bestimmt eine schwierige Aufgabe…
Es war sehr schwierig, aber ich hatte einfach Glück. Auf dem Dominikanermarkt hat uns mal ein Absolvent der Akademie für Bildende Künste in Danzig gesagt, dass wir die perfekten Proportionen gefunden haben. Es hat uns sehr gefreut! Jetzt geben wir Acht, damit kein Millimeter verloren geht.
Ihre Briefkästen kann man in den verschiedensten Farben kaufen. Wünschen sich die Kunden auch bestimmte Muster und Motive?
Natürlich bekommen wir solche Bestellungen. Wie sind ganz Ohr, wenn es um die Bedürfnisse unserer Kunden geht. So sind auch andere Varianten unserer Briefkästen entstanden. Die skandinavische Version wartet noch auf ihren Durchbruch. Sie hat keinen Reißverschluss, aber sie ist genug groß, damit Päckchen mittlerer Größe reinpassen. Zu einem unerwarteten Hit wurde die Farbe Lila, die wir auf speziellen Wunsch unserer Kundin benutzt haben. Sie kam auch bei anderen Kunden sehr gut an und außerdem sieht sie klasse auf den Fotos aus. Manchmal bekommen wir sehr interessante Vorschläge für die Visitenkarten, z.B. “Über die Liebe wissen die Briefkästen das meiste”. Es sind sehr inspirierende Erfahrungen.
Befinden sich unter der Kundschaft auch bekannte Personen?
Ja, sogar mehrere. Wojciech Cejrowski hat sich in unsere Briefkästen verliebt, genau wie Łukasz Nowicki und Jan Nowicki, Joanna Racewicz. Unsere Briefkästen schmücken renommierte Hotels wie z.B. Casa Soleada in Barcelona, und Restaurants – Browar Mieszczański in Wrocław/Breslau und Śląska Prohibicja in Katowice/ Kattowitz.
Bis jetzt entstanden mehrere Variationen des Basismodels in Form der Schultasche. Planen Sie das Angebot in der Zukunft zu erweitern?
Zurzeit haben wir so viel Arbeit, dass wir darüber noch nicht nachgedacht haben. In das Unternehmen ist schon fast die ganze Familie engagiert. Ich bin der Meinung, dass unser Produkt erst anfängt, berühmt zu sein. Aber warten wir es ab, vielleicht kommt eines Tages eine so große Inspiration, die uns nicht mehr aus dem Kopf gehen wird und dann werden wir uns an die Arbeit machen.
Haben Sie vielleicht noch andere Pläne als Unternehmer?
Wir wollen weiterhin unsere Region vertreten, ihre Bewohner und das Handwerk. Im Ermland werden viele sehr gute Produkte hergestellt, die nur darauf warten, entdeckt zu werden. Darin besteht der Zauber dieser Region. Wir wollen, dass unser Unternehmen mehr für uns ist als nur Arbeit. Wir träumen davon, die Plätze zu besuchen, die unsere Briefkästen erreicht haben, um mit ihnen ein Foto zu machen und es dann auf unserem Profil zu präsentieren.
Ist es möglich, dem Meister bei der Arbeit zuzusehen?
Ja, wir zeigen sehr gerne, wie die Briefkästen aus Ermland in unserer Garage hergestellt werden.
Kann man die Briefkästen auch vor Ort in Olsztyn / Allenstein kaufen oder nur auf ihrer Homepage?
Jeder ist immer jederzeit in unserer Garagemanafaktur an der Kłosowska-Straße 82 in Olsztyn herzlich willkommen, wo er auch einen Briefkasten kaufen kann.
Vielen Dank für das Gespräch.