Der Aufstand der Unternehmer in Polen nimmt zu. Viele Firmen wollen nicht mehr auf die Lockerungen seitens der Regierung warten und öffnen ihre Geschäfte. Der Grund? Die finanzielle Notlage spitzt sich für viele dermaßen zu, dass die Öffnung trotz staatlicher Verbote der einzige Ausweg bleibt, um sich von der Insolvenz zu schützen.
Seit Oktober bleiben viele Branchen und Wirtschaftszweige in Polen geschlossen. Der Druck, welcher zusammen mit der finanziellen Not kommt, nimmt zu. Am schlimmsten trifft es die Gastronomie, Hotels, Discos sowie Fitnessstudios. Trotz der staatlichen Coronahilfen öffnen die Unternehmer ihre Geschäfte, Lokale usw. und erklären, sie hätten keine andere Wahl.
Die Gründe
Die staatlichen Hilfen sind einerseits unzureichend oder die Maßnahmen funktionieren nicht, weil ein Teil der Unternehmen sie nicht in Anspruch nehmen kann. Andererseits decken sie nicht einmal die Fixkosten, welche trotz der geschlossenen Lokale generiert werden und bezahlt werden müssen, wie etwa Kredite, Mieten oder Löhne für die Arbeitnehmer. Frustrierend ist auch die Tatsache, dass viele Unternehmer nicht wissen, wann die Firmen wieder ihre Tätigkeit aufnehmen können. Die Coronahilfen sind schließlich befristet und je länger die Verbote gelten, desto weniger Möglichkeiten gibt es, um diese Fixkosten zu decken, erklärte gegenüber TVN24bis der Sprecher der KMU’s in Polen, Adam Adamowicz.
Die Folgen
Seit einigen Tagen nimmt dementsprechend der Aufstand der Unternehmer zu. Immer mehr Firmen schließen sich der Bewegung #otwieraMY an. Laut den Schätzungen der Wirtschaftskammer der Polnischen Gastronomie haben trotz der Strafen und Kontrollen am vergangenen Wochenende bis zu 20.000 Lokale im ganzen Land aufgesperrt. Wenn sich Unternehmer aufzusperren entscheiden bei so harten Maßnahmen, dann sollte es ein klares Signal an die Regierung sein, damit man überlegt, wieso das der Fall ist. Das sollte man nicht verharmlosen, erklärt der KMU-Sprecher.
Geschäfte und Lokale, welche sich der Bewegung #otwieraMY anschließen, kann man auf einer speziellen Karte aufsuchen:
Die Strafen
Laut den Schätzungen der polnischen Gesundheitsbehörde GIS haben ab dem 15. Januar 122 Unternehmen gegen die Coronamaßnahmen verstoßen. Darunter 91 Gastronomielokale, 4 Hotels und Übernachtungsanlagen, 14 Fitnessstudios, Massagesalons etc. und 13 Discos sowie Clubs etc.
Ab Mitte Januar wurden 10 Strafmandate in Höhe von 1850 Zloty und insgesamt 9 Verwaltungsstrafen verhängt, deren Summe auf 170.000 Zloty beziffert wird. Zusätzlich müssen Unternehmer, welche gegen die Coronaeinschränkungen verstoßen, mit Polizeikontrollen rechnen. Allein am vergangenen Wochenende wurden 8.107 solcher Kontrollen laut Polizeiangaben durchgeführt. Die Inanspruchnahme von staatlichen Coronahilfen nach der Aufsperrung trotz der Verbote soll laut Regierungangaben für solche Unternehmen nicht mehr möglich sein.
Die Kunden
Trotz der Strafen, welche auch den Kunden drohen, waren die Lokale, welche am Wochenende aufgesperrt haben, alles andere als leer. Laut der Krakauer Ausgabe der Zeitung Gazeta Wyborcza, standen die Menschen Schlange, vor einem der größten Restaurants in Zakopane. Drinnen im Lokal mussten die Kunden sich an gewisse Maßnahmen halten, welche in Polen aus dem Sommer bekannt waren – jeder zweite Tisch war frei und die Masken durfte man erst am Tisch abnehmen.
In Rybnik/Ribnik öffnete ein Musikclub seine Pforten. Rund 140 Gäste haben bei der Aufsperrung gefeiert. Um rein zu kommen, musste man bestätigen, dass man gesund sei. Trotz der Kontrollen der Polizei und der Gesundheitsbehörden, haben die Inhaber klargestellt, dass der Club nicht geschlossen wird.
In der Stadt Zawadzkie/Zawadzki in der Woiwodschaft Oppeln feierten in der Nacht von Samstag auf Sonntag rund 300 Leute. Offiziell war es aber keine Party, sondern ein Parteitag. Das Ganze wurde trotz der Polizeikontrolle nicht unterbrochen. Die Beamten warteten auf die Gäste vor der Disco, wo sie verwarnt wurden.
Die Kreativität der Unternehmer kennt keine Grenzen, denn auch Ski-Pisten oder Schlittschuhbahnen suchen nach Möglichkeiten um aufzusperren. Eine Warschauer Kneipe organisiert sogar Schulungen für Biertrinker.
Die Lockerungen
Ein wenig Hoffnung nicht nur für die Unternehmer, sondern auch für die Bürger machen die Ankündigungen seitens der Regierung. Laut dem Regierungssprecher sollen bereits vor dem Wochenende erste Lockerungen kommen.