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Auf den Spuren der Vergangenheit in Breslau

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Ein in diesem Umfang vermutlich weltweit einzigartiges Phänomen ist heute in den Strassen von Breslau zu beobachten. An alten Mietshäusern, welche vor dem Krieg zu deutschen Zeiten erbaut wurden, blättert langsam durch Witterungseinflüsse bedingt die Farbe der Fassade ab und bringt alte Beschriftungen wieder zum Vorschein. Die Suche nach deutschen Spuren in Breslau könnte die bei deutschen Touristen besonders beliebte Jagd auf die kleinen Zwerge in der Stadt zukünftig noch ergänzen, da nun eine erste Teilübersicht für den beliebten Stadtteil Nadodrze erstellt wurde.  

Die Redewendung, eine Reise in die Vergangenheit zu unternehmen, ist sicherlich weit verbreitet. Allerdings gibt es in Breslau ein Phänomen, bei welchem es die Vergangenheit selbst ist, die eine Reise in unsere heutige Gegenwart unternimmt. 

Der Wandel von Breslau in das heutige Wroclaw

Nachdem als Folge der Westverschiebung Polens im Anschluss an den Zweiten Weltkrieg die Bevölkerung nahezu komplett ausgetauscht wurde, sollten natürlich alle deutschen Spuren beseitigt werden. Dies führte unter anderem dazu, dass die Geschäftsbezeichnungen, Schriften und Ornamente an Hausfassaden entweder entfernt oder unkenntlich gemacht wurden. Wenn es sich um beispielsweise Namen von ehemaligen Geschäften handelte, wurden diese meistens übergestrichen, sodass kein Rückschluss mehr auf die vormaligen Besitzer möglich war – und sich die neuen Einwohner der Stadt natürlich ebenfalls wohlfühlen können und sich heimisch fühlen. 

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Wind und Wetter bringen die deutsche Vergangenheit wieder zum Vorschein

Da diese Ereignisse nun ungefähr 75 Jahre zurückliegen, ist es nicht überraschend, dass die damals verwendeten Farben es unter dem Einfluss von Wind und Wetter nicht geschafft haben, die Beschriftungen über die Jahrzehnte hinweg permanent zu verstecken. Man kann sicherlich davon sprechen, dass die Vergangenheit nun langsam wieder ein wenig zum Vorschein kommt und uns in der Gegenwart besucht. Da es in der ganzen Welt keine einzige Stadt in den Dimensionen von Breslau gab, in der es einen kompletten Bevölkerungsaustausch gab, kann man sicher von einem Phänomen sprechen, welches es in dieser Form und mit diesem Umfang nur in Breslau gibt. 

Insbesondere im Stadtviertel Nadodrze (ehemals Odertor) ist dieses sehr intensiv zu sehen, da im Norden der Stadt viele der alten Mietshäuser den Krieg überlebt haben. Dies führte unter anderem dazu, dass berühmte Regisseure wie Steven Spielberg die Strassen im Viertel gerne als Filmkulisse für Berlin in den 40ern bzw. 50ern nutzen – einer der bekanntesten Filme mit Drehort Wroclaw-Nadodrze ist sicherlich “Bridge of Spies – Der Unterhändler“. 

Eine besonders gut erhaltene Ladenbeschriftung wirbt beispielsweise für eine “Werkstatt für moderne Fußbekleidung”, wer weiß ob diese im Jahre 2020 auch noch als modern gelten würde? Aber auch Möbelwerkstätten, Geschäfte mit Schreibmaterialien, und viele weitere Beschriftungen sind nun wieder erkennbar und deuten auf die ehemaligen Geschäfte hin. 

Könnten die alten deutschen Zeichen die nächsten Zwerge sein?

Eine der beliebtesten Sehenswürdigkeiten in Breslau sind die mittlerweile über 500 kleinen Zwerge, die über die gesamte Stadt verteilt sind und ihren Ursprung in einem “Zwergenaufstand” der orangen alternativen Bewegung haben – so konnten die Aktivisten eine Verhaftung vermeiden. Viele der deutschen Besucher lieben die kleinen Zwergskulpturen und lassen sich gerne mit den verschiedensten Zwergen fotografieren. Um die Standorte der Zwerge zu finden, gibt es von der Touristeninformation bereitgestellte Karten, die bei der Suche hilfreich sind. 

Da neben polnischen und ukrainischen Besuchern die deutschen die drittgrößte Gruppe von Touristen repräsentieren, wäre es denkbar, dass sich zukünftig neben der Jagd auf die Zwerge, auch eine Jagd auf die alten deutschen Zeichen entwickeln könnte. Als Beispiel genannt, konnte ich in Nadodrze unter anderem eine Nachricht finden, die von einer Familie hinterlassen wurde, welche dort die eigenen Spuren der Vergangenheit erkundet hatte. Sicher handelt es sich um ein extrem spannendes Thema, und auch die junge Generation scheint sich immer mehr für die eigenen Wurzeln zu interessieren. Leider gibt es derzeit keine vollständige Übersicht über alle verbleibenden Zeichen in der Stadt – die Situation ist allerdings auch höchst dynamisch.

Der Umgang mit der Vergangenheit

Interessant ist sicherlich auch die heutige Rezeption der deutschen Geschichte und der Umgang damit – welche ja nur einen kleinen Bruchteil der insgesamt Tausendjährigen Geschichte mit unterschiedlichsten geografischen Zugehörigkeiten von Breslau darstellt. Viele der Gebäude mit den alten deutschen Beschriftungen sind heute in keinem besonders guten Zustand, allerdings gibt es umfangreiche Investitionsprogramme und mehr und mehr alte Mietshäuser erhalten eine komplette Restauration der Fassade und verschönern somit das gesamte Bild im Viertel. Dabei stellt sich nun häufig die Frage, wie mit den alten Zeichen umgegangen wird, es gibt ja nun bloß zwei Optionen: behalten oder überstreichen. Bei vielen der Häuser ist tatsächlich zu beobachten, dass die Zeichen mit restauriert und erhalten werden, ja sogar nachgearbeitet werden. Bei anderen ist ebenso zu beobachten, dass die Fassaden komplett gestrichen werden und die alten Spuren verschwinden. Dies wird also stark individuell gehandhabt und sicher gibt es für beide Optionen gute Gründe.

Weitere Informationen

Ein erster Versuch zur Katalogisierung, der sich aber zunächst nur auf das Viertel Nadodrze bezieht, wurde nun gestartet. Das Vorhaben, eine Karte mit deutschen Spuren zu erstellen ist sicherlich etwas herausfordernder als eine Übersicht der Zwerge, zumal viele Gebäude derzeit renoviert werden und sich eine solche Übersichtskarte alle paar Monate ändern müsste. 

Derzeit wird zum Beispiel die Pomorska-Brücke renoviert und im Bauschutt am Straßenrand findet man Baumaterial, welches Inschriften von Breslau trägt – allerdings war dieses nach nur wenigen Tagen bereits wieder verschwunden und zu Staub gemacht worden. 

Eine erste Übersicht über die deutschen Spuren in Wroclaw’s alternativem Viertel Nadodrze gibt es auf den Seiten von WroclawGuide.com hier zu finden [LINK]

 

Bildergallerie:

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