Alle kennen ihn als “WaszNiemiec” (dt. Euer Deutscher), doch sein Vorname lautet Vincent. Der Influencer, ein Krupnik- und Pierogi-Liebhaber, erfreut sich im Internet großer Beliebtheit. Mit insgesamt 100.000 Followern auf beiden Plattformen (Instagram: 43.000 und TikTok: 57.000) haben einige seiner Videos über 1 Million Aufrufe. Früher ein Polizist in Deutschland, heute startet er in Polen seine Karriere als Influencer. Im Interview mit PolenJournal-Reporterin Angelika Dziaduszewski verriet er, warum er sich für Polen entschieden hat und warum es für ihn so wichtig ist, die deutsch-polnischen Beziehungen zu verbessern.
“Meine Familie steht an erster Stelle”, wiederholte der 29-Jährige immer wieder während des Interviews. Ein Familienmensch also. Zurzeit lebt er im Karpatenvorland und erzählt von nur positiven Erfahrungen. ‚‚Du bist einer von uns”, hört er von seinen polnischen Freunden und sieht es gleichzeitig als größtes Kompliment an.
Daneben schrieb er einige E-Books auf Deutsch und Polnisch zum Thema effektives Lernen von Fremdsprachen und ist gerade dabei, diesbezüglich eine Internetseite aufzubauen. In Zukunft möchte er sich gerne selbstständig machen und als Sprachcoach arbeiten.
Angelika Dziaduszewski, PolenJournal.de: Sie sagten in einem Video auf TikTok, Sie hätten insgesamt drei Jahre und über 1 000 Stunden gebraucht, um Polnisch zu lernen. Wie sind Sie zum ersten Mal mit der polnischen Sprache in Kontakt getreten?
Vincent Helbig (TikToker, WaszNiemiec): Tatsächlich stimmt das so, dass ich wirklich drei Jahre investiert habe und quasi jeden Tag mindestens eine Stunde Polnisch gelernt habe. Das erste Mal hatte ich aber Kontakt mit der polnischen Sprache, als ich ein kleines Kind war. Das war 2006 zur Fußball-Weltmeisterschaft. Da gab es ein Spiel, Deutschland gegen Polen. Ich glaube, dass die Deutschen damals in der neunzigsten Minute 1:0 geschossen haben. Da war ein polnischer Fan, der seinen Schal hochhielt, auf dem “Polska” stand. Ich dachte, wir spielen gegen Polen. Da habe ich meine Mutter gefragt und sie sagte zu mir, dass in Österreich und der Schweiz Deutsch gesprochen wird. In Polen aber sprechen die Menschen polnisch und das Land heißt nicht “Polen”, sondern “Polska”.
Viele Ausländer meinen, Polnisch sei eine schwierige Sprache. Was ist Ihre Meinung dazu?
Polnisch ist eine slawische Sprache, dadurch ist es für einen Westeuropäer schwieriger Polnisch zu lernen. Ich denke aber, wenn man Polnisch regelmäßig lernt, kann man die Sprache ganz normal erwerben. Was aber klar ist, ein Deutscher lernt Englisch viel leichter als Polnisch. Wer eine Sprache richtig erwerben will, muss sich des Zeitaufwands bewusst sein. Ich brauchte drei Jahre und mindestens 1000 Stunden, bis ich mich normal mit einem Muttersprachler unterhalten konnte. Von nichts kommt nichts.
Was hat Sie dazu bewegt, Polnisch zu lernen?
Meine Großeltern sind Vertriebene aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten. Meine Oma kommt aus der Nähe von Liegnitz / Legnica. Sie hat mir ständig vom Krieg erzählt, wie es war, vertrieben zu werden. Polen und Deutschland haben eine gemeinsame, unglaublich schwierige Vergangenheit zu bewältigen.
Waren also die Vorfahren der Grund, wieso Sie sich für Polen und kein anderes Land entschieden haben?
Ich habe mich für Polen geöffnet und habe Wanderungen durch ganz Polen gemacht. Ich bin zu Fuß mit meinem Kumpel von Allenstein / Olsztyn bis nach Elbing / Elbląg gelaufen. Wir haben nachts im Zelt irgendwo im Wald geschlafen und haben dabei die Heimatorte von meinen Großeltern besucht. Das Haus meiner Oma wurde im Krieg leider zerstört, aber das Haus meiner Uroma, das steht noch. Ich habe Kontakt zu Polen aufgenommen, die heute in diesem Haus leben. Anfangs hatte ich Bedenken, als ein fremder Mann dort vorbeizugehen und an ihre Haustür zu klopfen. Ich wurde aber sehr herzlich von ihnen aufgenommen. Das war für mich ein ganz besonderer Moment. Wir haben versucht uns zu unterhalten, aber ich konnte zu dem Zeitpunkt noch überhaupt kein Polnisch. Wir haben uns dann auf dem Laptop über Google-Übersetzer unterhalten. Anschließend sind wir dann noch zusammen in eine Kapelle gegangen, um gemeinsam für Frieden zwischen Polen und Deutschland zu beten.
Die polnische Hilfsbereitschaft und die Gastfreundschaft während meiner Wanderungen durch Polen brachten mich auf den Gedanken, dass das polnische Volk anders ist, als ich es bis dato dachte. Die Polen halfen uns bei Schwierigkeiten oder luden uns auf einen Kaffee oder Wodka ein. Das war der Moment, als ich beschloss, Polen wirklich kennenlernen zu wollen. Man kann den anderen Menschen oder das Land nur dann wirklich kennenlernen, wenn man seine Sprache spricht. Das war der Grund, warum ich anfing Polnisch zu lernen.
Allenstein / Olsztyn und Elbing / Elbląg sind im Norden Polens. Wie sind Sie dann im Karpatenvorland gelandet?
Ich habe meine Frau in Krakau kennengelernt, aber sie stammt aus der Nähe der Karpaten. Jetzt sind wir nach Polen gezogen und wohnen fürs Erste bei meinen Schwiegereltern. Wir sind aus München, aus einer Millionenstadt in ein kleines polnisches Dorf gezogen. Ich finde es ganz cool hier!
Zum einen merkt man, dass es hier wirklich ruhig ist. In München gab es immer Autolärm und andere Stadtgeräusche im Hintergrund zu hören. Hier gibt es ein ganz anderes Level von Ruhe, man hört höchstens Vogelzwitschern oder Kühe. Meine Frau hat hier noch viele Freunde und ich hatte das große Glück, dass ich mich mit ihnen ebenfalls angefreundet habe. In der Stadt war alles anonymer und hier kennt jeder jeden. Man begrüßt sich die ganze Zeit.
Sie sagten in einem Video, sie würden Polen und die Bewohner lieben. Wofür genau lieben Sie die Leute und das Land?
Es sind genau drei Sachen. Zum einen, dass die Familie in Polen einen ganz hohen Stellenwert hat. Im Vergleich zu Deutschland gibt es in Polen noch viele funktionierende Familien. Das beinhaltet nicht nur die kleine Familie, sondern die gesamte Großfamilie mit Oma, Opa, Tanten und Onkel. Alle helfen sich gegenseitig und sind füreinander da.
Zum anderen ist es der katholische Glaube. Ich komme aus Halle und als Kinder wurden wir nicht wirklich katholisch erzogen. Den katholischen Glauben habe ich erst als Erwachsener in Polen kennengelernt. Ich finde, dass ich davon stark profitieren konnte. Dafür bin ich sehr dankbar. Mir gibt das Glaubensleben in Polen sehr viele Freiheiten und sehr viel Frieden. Es hat nicht nur einen karitativen Charakter, um Spenden zu sammeln, sondern vielmehr den Glauben zu erfahren und eine echte Beziehung zu Gott aufzubauen. Allein wie die heiligen Messen durchgeführt werden, ist ein ganz anderes Erlebnis als das, was ich aus Deutschland kenne.
Das dritte ist, dass die Freiheit in Polen einen sehr großen Stellenwert hat. Das gefällt mir sehr! Ich habe den Eindruck, dass die Polen sehr viel Wert darauf legen, frei zu sein. Dies erkläre ich mir durch historische Ereignisse wie die Dreiteilung Polens und das Verschwinden des Landes von der Weltkarte sowie die Tatsache, dass die Polen immer gegen Unterdrücker zu kämpfen hatten. Die Polen haben einen Drang zur Freiheit. Das merke ich daran, wie sie mit der Einführung neuer Gesetze durch die Regierung umgehen. Die Polen schauen ganz genau darauf. Ist es jetzt etwas, was wirklich Sinn macht? Werde ich das persönlich in meinem Leben anwenden? Die Polen finden immer einen Weg, das Gesetz so bisschen außer Kraft zu setzen und ihren eigenen Weg zu gehen. In Deutschland hatte ich einen anderen Eindruck gehabt. Wenn der Staat was sagt, wird es nicht hinterfragt und gleich gemacht. Denn der Staat wird es schon wissen. Das sind die drei Sachen, die mir wichtig sind und der Grund, warum ich Polen liebe.
Wie wurden Sie in Polen aufgenommen?
Sehr gut! Die Polen sind sehr hilfsbereit und gastfreundlich. Was ich von meinen polnischen Kumpels immer sehr schön zu hören finde, wenn sie zu mir sagen: ‚‚Du bist einer von uns“. Für mich ist das eines der besten Komplimente, die ich bekommen kann. Das freut mich immer sehr, weil das für mich bedeutet, dass ich mich gut in die Gruppe eingefügt habe. Wenn sich jemand gut benehmen kann, dann nehmen ihn die Polen herzlich auf. Sie kommen dann schnell zu dem Punkt, dass sie einen wertschätzen und mit der Person gerne Zeit verbringen wollen.
Was war Ihr größter Fauxpas in Polen?
Mein größter Fauxpas war tatsächlich der Frauentag. Denn in Deutschland feiern wir eher den Muttertag. Ich wusste zwar bis zu meinem 22. Lebensjahr in Deutschland, dass es den Frauentag wirklich gibt, aber da hat keiner etwas gemacht. In Deutschland ist der Frauentag ein Feiertag ohne Bedeutung, also ohne konkrete Handlungen.
Als ich dann nach Polen kam, kriegte ich mit, dass plötzlich am Frauentag alle Frauen Geschenke und Anerkennung bekommen. Demnach wird sehr viel Wertschätzung den Frauen entgegengebracht. Mein größter Fauxpas war, dass ich meiner Frau, also damals meiner Freundin, die jetzt zum Glück trotzdem heute meine Frau ist, sagte: ‚‚Warum soll ich dir jetzt etwas schenken, nur weil du eine Frau bist? Ich kriege ja auch nichts, obwohl ich ein Mann bin”. Ich hatte damals nicht verstanden, warum der Frauentag in Polen so wichtig ist. Meine Frau war nicht besonders glücklich über meine Aussage, sodass dies wohl mein größter Fauxpas war. Sie hat mir dann genau erklärt, welche Bedeutung hinter dem Frauentag steht und ich konnte es zum Glück wieder gut machen, indem ich ihr Tulpen gekauft und sie für ihr Frauendasein wertgeschätzt habe.
Mittlerweile bin ich soweit, dass ich meinen deutschen Kolleginnen, meiner Mutter und meinen Schwestern zum Frauentag auch gratuliere. In dem Sinne, dass ich sie alle wirklich für ihre Rolle in der Familie und in der Gesellschaft wertschätze. Es ist wirklich gut, dass sie Frauen sind und wir Männer, die sich gegenseitig unterstützen. Ich denke, wenn wir als Frauen und Männer zusammenarbeiten, dann wird alles gut. Wenn wir uns aber gegenseitig immer so quälen, dann wird es nur noch schlimmer. Ich habe erst vor Kurzem erfahren, dass der Freund meiner Schwägerin extra hierher ins Dorf gekommen ist und meiner Schwiegermutter, der Tante und der Oma etwas geschenkt hat. Ich hätte zum Beispiel nie daran gedacht. Da merke ich, dass ich mich mit der polnischen Kultur noch nicht so gut auskenne. Ich werde es jetzt aber alles lernen, da ich hier dauerhaft bin.
Was machen Sie in Polen beruflich?
In Deutschland habe ich drei Jahre studiert und war ein Polizeikommissar. Da ich sowieso nach Polen wollte und keine Lust mehr auf eine Fernbeziehung mit meiner Freundin hatte, habe ich bei der Polizei meine Kündigung eingereicht. Dann habe ich in Polen für zweieinhalb Jahre Soziale Arbeit an der Jagiellonen Universität in Krakau / Kraków studiert. Danach kam die COVID-Pandemie. Da entschieden wir uns in einen deutschsprachigen Raum auszuwandern, damit meine Frau die deutsche Sprache lernen konnte. In München blieben wir für zweieinhalb Jahre. Das Tolle ist, dass meine Frau jetzt super Deutsch sprechen kann und ich Polnisch. Jetzt arbeite ich gerade daran, meine Internetseite aufzubauen. Ich habe E-Books auf Deutsch und Polnisch geschrieben zum Thema, wie man effektiv eine Sprache lernen kann. Ich habe in meinen Büchern beschrieben, was mir persönlich half, Polnisch zu lernen. Ich würde gerne meine Bücher veröffentlichen und mich selbständig machen, da ich gerne als Sprachcoach arbeiten möchte. Die Kunden beim Erlernen einer Fremdsprache anleiten, welche Methoden sie nutzen können und sie beim Lernprozess unterstützend begleiten.
Wieso nehmen Sie nur Videos auf Polnisch auf?
Tatsächlich haben mir diesbezüglich schon viele geschrieben, ob ich auch deutsche Kommentare oder deutsche Untertitel machen könnte. Ich denke, das ist schon eine Sache, die ich in der Zukunft machen werde. Ich habe mich zunächst auf das Polnische konzentriert, weil ich Polen erstmal den Vorrang geben wollte. Ich wollte wirklich zeigen, dass ich ein Deutscher bin, der euer Land wirklich wertschätzt und dem euer Land wirklich am Herzen liegt.
Die Videos zu erstellen, ist zeitaufwendiger, als mancher glaubt. Wenn ich das aber irgendwann hauptberuflich machen kann, dann werde ich die Inhalte und alles auf Deutsch machen. In naher Zukunft möchte ich erstmal deutsche Untertitel erstellen. Jetzt gerade wäre es zu viel Arbeit und mein Vorrang gilt jetzt wirklich meiner Familie. Das Internet ist eine schöne Sache, aber wenn es zu viel wird, muss man schauen, wo man seine Prioritäten setzt.
In einigen Videos sagen Sie, Ihre Mission sei es, die deutsch-polnischen Beziehungen zu verbessern. Wieso eigentlich?
Meine Tochter ist am 8. Mai geboren. Exakt 79 Jahre nach Kriegsende kommt ein deutsch-polnisches Kind zur Welt. Da ich die deutsch-polnische Beziehung verbessern möchte, war dies für mich auf alle Fälle eine göttliche Bestätigung, dass ich in die richtige Richtung gehe. Ich habe es früher schon gespürt und gewusst, dass Gott mir diese Aufgabe geben möchte. Deutschland und Polen haben eine ganz schwierige Vergangenheit, es ist noch zu viel Schmerz vorhanden, weil noch nicht alle Wunden verheilt sind. Noch haben wir kein normales nachbarschaftliches Verhältnis. Als Deutscher, auch wenn ich nicht selbst Polen angegriffen habe, möchte ich mich mit den Polen versöhnen und gute Beziehungen führen.
Am derzeitigen deutsch-polnischen Verhältnis fehlt mir, dass Polen von Deutschland als gleichgültig angesehen wird. Wenn es um interessante Länder geht, schauen die Deutschen eher nach Westen. Länder wie Frankreich, England und Spanien sind in Deutschland sehr beliebt. In Richtung Osten schauen nur die wenigsten Deutschen. Wir kennen unsere Nachbarn zu wenig. Was ich mir wünsche ist, dass Polen denselben oder sogar einen höheren Status genießt. Ich glaube ehrlich daran, wenn sich Polen und Deutsche besser kennenlernen, sie sich sehr gut verstehen würden. Dadurch, dass wir uns nicht kennen, haben wir Vorurteile oder Stereotype. Einige Deutsche denken von den Polen, dass sie zu viel trinken und zu viel klauen. Einige Polen denken wiederum von den Deutschen, dass sie immer noch ihr Feind sind, der sie jetzt wirtschaftlich zu unterdrücken versucht.
Ich wünsche mir so sehr, dass wir uns besser kennenlernen. Ich kriege es jedes Mal mit, wenn aus meinem Umfeld Leute nach Polen fahren und dann plötzlich vom Land und den Menschen positiv überrascht sind. Sie schwärmen dann vom Essen sowie von der Sauberkeit und der Menschenfreundlichkeit in Polen. Durch das Kennenlernen merke ich, wie sich dann das Bild von Polen ändert. Das liegt daran, dass sie in die Beziehung, also in Kontakt mit den Polen gekommen sind. Dasselbe sehe ich aber auch auf der polnischen Seite. Am Anfang sehen die Polen die Deutschen, wenn sie bisher keinen persönlichen Kontakt hatten, als Nachkommen von einem Nazi. Wenn so ein Pole aber dann auch nach Deutschland kommt und einen Deutschen kennenlernt, dann ist er kein Deutscher mehr, sondern plötzlich der Thomas, der ein ganz konkreter Deutscher mit positiven Eigenschaften ist. Genauso ist es, wenn ein Deutscher einen ganz konkreten Polen kennenlernt. Dann ist es der Grzegorz, ein konkreter Pole mit positiven Eigenschaften.
Aus diesem Grund wünsche ich mir, dass Polen und Deutschland gegenseitig eine konkrete und echte Beziehung zueinander aufbauen. Nur so kann das allgemeine, negative Bild aus den Köpfen der Menschen verschwinden und ein neues konkretes, positives Bild entstehen.
Was ich sehr positiv an den deutsch-polnischen Beziehungen finde, sind die guten deutsch-polnischen Freundschaften, die nicht von oben, also politisch aufgezwungen wurden. Wenn Polen und Deutsche eine gute Beziehung haben, dann ist sie zu 100 % echt. Wir tun dann nicht so, als ob wir uns gut verstehen würden, denn auf politischer Ebene ist das schwierig. Bei Deutschland und Frankreich ist das genau umgekehrt. Die guten deutsch-französischen Beziehungen wurden politisch aufgezwungen. Sie schweben quasi in einer politischen Wolke. Aus meinem Umfeld kenne ich niemanden, der wirklich eine gute Beziehung zu einem Franzosen aufgebaut hat. Im Vergleich dazu sind die deutsch-polnischen Freundschaften wirklich echt, da sie durch einen echten Kontakt entstanden sind. Ich merke auch, dass immer mehr Deutsche nach Polen reisen, vor allem die aus den östlichen Gebieten. Die Deutschen aus diesen Gebieten haben oft Kontakt zu Polen, die in den ehemaligen deutschen Häusern leben. Jeder Pole hat sozusagen seinen Deutschen, der da mal vorbeigekommen ist und in den Garten geschaut hat.
Woher nehmen Sie Inspiration für die Themen, die Sie in Ihren Videos auf TikTok und Instagram verwenden?
Ich schaue einfach, was mich umgibt und welches Thema mich persönlich interessiert. Oft frage ich in meinen Videos die Polen, weil sie die Experten sind. Ich überlege auch, was die Polen über Deutschland interessieren könnte oder schaue auch gerne in die Kommentare, welche Themen gewünscht sind. Ich versuche einen Mix aus interessanten Fakten, lustigen Themen und einem Vergleich zwischen Deutschland und Polen zu machen, um die Versöhnung der beiden Länder zu unterstützen. Ich verfolge auch die Trends, sodass das Aussehen meiner Videos manchmal davon abhängt.
Gibt es Themen, zu denen Sie bewusst nichts posten? Welche sind es?
Ja, die gibt es tatsächlich. Ein Thema, welches ich bewusst vermeide, betrifft die Reparationszahlungen. Mit dieser Thematik habe ich mich noch nicht intensiv genug befasst, um sie beleuchten zu können. Ich verstehe nicht, warum dieses Thema noch so wichtig ist, obwohl der Krieg schon so lange her ist. Da ich die Polen aber wirklich gerne verstehen möchte, werde ich mich mit diesem Thema in Zukunft intensiver auseinandersetzen.
Sie bekommen meistens positive Kommentare von Internetnutzern. Wie gehen Sie mit negativen Kommentaren um?
Negative Kommentare, dass die Deutschen Verbrecher sind, bekomme ich tatsächlich unter jeden Post. Völlig egal, mit welcher Thematik ich mich im Video auseinandersetze. Als ein Nachkomme von Großeltern, die im Krieg alles verloren haben und an Polen abgeben mussten, kann ich diese negativen Kommentare nicht verstehen. Die negativen Kommentare lasse ich so stehen und möchte sie nicht löschen, weil jeder das Recht auf seine freie Meinungsäußerung haben muss.
Wenn jemandem mein Video nicht gefällt, kann er das ruhig in die Kommentare schreiben. Ich würde mir aber wünschen, dass es sachlich geschrieben wird und nicht nur als Beleidigung. Selbst wenn ich beleidigt werde, lasse ich es so unter dem Video stehen. Jeder soll das sagen, was er auf dem Herzen hat. Denn die negativen Kommentare zeigen mir auch, dass mich die Person schon einmal in meinem Video gesehen hat. Sie kann sich jetzt so davon überzeugen, dass ich doch nicht der Böse bin. Gerade zu diesen Leuten, die die Deutschen nicht mögen, möchte ich vordringen.
Ich möchte, dass diese Leute ihr Denken über Deutschland und die deutsch-polnischen Beziehungen zum Positiven ändern. Wenn ich genau an diese Leute komme, die die Deutschen nicht mögen, dann ist es perfekt. Ihnen möchte ich sagen, dass ich Polen einfach Klasse finde und nicht jeder Deutsche ein Nazi ist.
Nehmen Sie Ihren Rucksack mit dem polnischen Adler auf jede Reise mit? Wurden Sie schon einmal diesbezüglich von anderen Leuten angesprochen?
Tatsächlich ja. In Deutschland wurde ich von einigen diesbezüglich angesprochen. Natürlich wurde das sehr positiv aufgenommen. Anfangs sorgte es immer für Verwirrung bei den Leuten, denn ich bin schließlich Deutscher. Dann erkläre ich erstmal so ein bisschen meine Geschichte. Den polnischen Adler habe ich tatsächlich selber auf den Rucksack genäht. In Polen habe ich es noch nicht ausprobiert, weil wir es noch nicht geschafft haben, auf Wanderungen zu gehen.
Ihre Videos haben hunderttausende Aufrufe. Sprechen Sie die Leute auf der Straße wegen den Videos oder Themen an?
Bis jetzt lebten wir in München und da wurde ich zweimal erkannt. Eine Dame hatte mich direkt angesprochen und da war ich sehr überrascht. Aber sie war sehr lieb. In München hätte ich das nicht direkt erwartet, denn meine Zuschauer kommen eigentlich direkt aus Polen. Hier auf dem polnischen Dorf wissen die Meisten, wer ich bin. Sie rennen aber nicht auf mich zu. Ich denke, dass sie höflich genug sind und deswegen mir meine Privatsphäre lassen wollen. Mir ist wichtig, dass meine Familie und ich weiterhin unsere Privatsphäre behalten. Unser Familienleben hat für mich Vorrang.
Was hat Polen, was Deutschland nicht hat?
In Polen ist alles möglich. Die Einstellung bei den Ämtern hier ist besser. Die Beamten versuchen immer das Problem zu lösen. In Deutschland sind die Behördengänge viel anstrengender. Wenn man nur ein Dokument nicht dabei hat, dann geht nichts mehr. Alles wird auf Null gesetzt und man muss beim nächsten Termin, mit einer langen Wartezeit, von vorn anfangen. Polen ist auch viel weiter mit der Technik, was die Bezahlmöglichkeiten, Telefon- und Internetempfang betrifft.
Was hat Deutschland, was Polen nicht hat?
Das wäre eindeutig meine Herkunftsfamilie. Wir sind fünf Kinder Zuhause gewesen. Meine Oma, die aus Schlesien kommt, hat tatsächlich 19 Enkel und als wir uns alle zu Weihnachten getroffen haben, waren wir bis zu 50 Leute und sangen immer deutsche Weihnachtslieder. Das fehlt mir. Obwohl die polnischen Weihnachtslieder auch schön sind, finde ich die Deutschen schöner, weil sie mich an die Zeit mit meiner Familie erinnern. Das kann mir Polen nicht geben. Wir sind aber zum Glück Nachbarn, es ist also nicht so weit weg und ich kann jederzeit nach Deutschland fahren. Es gibt noch ein paar Lebensmittelprodukte, die ich vermisse, wie den süßen Senf oder meine Lieblingsschokolade der Marke Riesen.
Angelika Dziaduszewski
Fotos: Vincent Helbig