In Südpolen hat am vergangenen Wochenende eine der farbenprächtigsten Traditionen des Jahres stattgefunden. In der Region Kleinpolen kehrten Hunderte von Schafen im Rahmen der Herbst-Redyki, also der Almabtriebe, von den Hochweiden in die Täler zurück. Besonders in Szczawnica und Zakopane verwandelten sich die Straßen in Schauplätze lebendiger Hirtenkultur. Tausende Menschen verfolgten das Spektakel – und sorgten gleichzeitig für Verkehrschaos in der Region.
Redyk in Szczawnica – der schönste Almabtrieb in Polen
Der feierliche Redyk, also der traditionelle Almabtrieb, fand in Szczawnica am 10. Oktober zwischen 12 und 14 Uhr statt. Schon Stunden zuvor war das Kurstädtchen fast vollständig blockiert.
Unter der Führung von Hirtenführern (pol. Bacowie) und Hirtengehilfen (pol. Juhasi) in regionalen Trachten zogen die bunt geschmückten Schafe, behangen mit klingenden Glocken, durch das Zentrum der Stadt. Begleitet wurden sie von Einheimischen und Touristen, die begeistert Fotos machten und mitsangen.
Laut den Organisatoren ist der Redyk in Szczawnica nicht nur eine Touristenattraktion, sondern auch eine lebendige Lektion in Hirtenkultur und Tradition, die bis heute starke Emotionen auslöst. „Heute haben Kinder und Jugendliche kaum noch Kontakt zu Schafen. Wenn sie plötzlich ein so großes Heer von Tieren sehen, ist das ein unvergesslicher Moment“, erklärte Piotr Gąsienica, Vizepräsident des Verbandes der Podhalaner.
Almabtrieb auf der Polana Szymoszkowa
Am Samstag, dem 11. Oktober, wurde auf der Polana Szymoszkowa in Zakopane das offizielle Ende der Weidesaison gefeiert. Wie die polnische Presse berichtete, führte der erfahrene Hirte Marian Barnaś gemeinsam mit seinen Hirtengehilfen mehr als 500 Schafe zu ihren Besitzern zurück.
Die Veranstaltung wurde begleitet von Goralen-Musik, gemeinschaftlichem Gesang, Verkostungen von Oscypek-Käse und einem traditionellen Segen der Herden. „Der Herbst-Almabtrieb ist unser großes Fest. Die Hirten kehren nach einer langen Saison harter Arbeit nach Hause zurück. Die Schafe sind gesund, die Zusammenarbeit war gut, und in diesem Jahr hat uns der Bär in Ruhe gelassen“, sagte Barnaś.

Hunderte von Touristen verfolgten das Ereignis mit großem Interesse. Für viele war es eine seltene Gelegenheit, die authentische Kultur des Podhale-Gebiets hautnah zu erleben – voller Musik, Farben und lebendiger Traditionen, die seit Generationen weitergegeben werden.
„Der Redyk ist kein bloßes Schauspiel, sondern ein Ritual. Die Schafe kehren mit Glocken zurück, die Menschen freuen sich – und die Welt freut sich mit ihnen“, erklärte Andrzej Gąsienica-Makowski von der Gesellschaft für Bergprodukte.
Eine Tradition, die weiterlebt
Insgesamt finden in Kleinpolen derzeit zehn Herbst-Almabtriebe statt. Besonders eindrucksvoll ist der Umzug in Szczawnica, malerisch eingebettet in die Kulisse der Pieninen. In Nowy Targ / Neumarkt ist der nächste traditionelle Redyk für Sonntag geplant.
Die Almabtriebe gehören seit Jahren zu den beliebtesten Veranstaltungen der Region. Sie sind Teil einer jahrhundertealten Weidewirtschaft, welche das Leben in den Tatra- und Pieninen-Gebieten bis heute prägt. Im Frühjahr – meist um den Tag des heiligen Adalbert – werden die Schafe auf die Hochweiden getrieben, im Herbst kehren sie zurück zu ihren Besitzern.
An diesem Wochenende konnten Besucherinnen und Besucher die Rückkehr der Herden in Szczawnica und Zakopane miterleben. In Richtung Nowy Targ / Neumarkt ist bereits ein weiterer Almabtrieb unterwegs: Das rund 1.000 Tiere umfassende Schafheer des Hirten Józef Klimowski legt etwa 180 Kilometer von Czarne im Landkreis Gorlice bis in die Podhale-Region zurück.
In Zeiten, in denen Kinder und Jugendliche kaum noch mit Nutztieren in Berührung kommen, gewinnen solche Veranstaltungen an neuer Bedeutung.

Quelle: onet