Habt ihr jemals überlegt, wie es sich anfühlt, mit einer Axt geschlagen zu werden? Oder wie viel eine mittelalterliche Rüstung wiegt? Auf diese und viele andere Fragen zum Rittertum antwortet der fünffache International Medieval Combat Federation Meister, Marcin Waszkielis aus Rastenburg/Kętrzyn.
Robert Dethloff, PolenJournal.de: Was brachte dich dazu, Ritter zu werden? Wie sahen deine Anfänge aus?
Marcin Waszkielis: Ich interessierte mich schon immer für Geschichte. In meiner Heimatstadt, Rastenburg/Kętrzyn ist eine Mittelalterliebhabergruppe tätig. Ich wollte sehen, was sie so machen und wie das alles aussieht. Und so hat es eigentlich begonnen.
Wer brachte dir die Fechtkunst bei?
Am Anfang lernten wir in Rastenburg/Kętrzyn unter uns. Ernstere Trainings begannen, als ich nach Thorn/Toruń für mein Studium fuhr. Dort traf ich eine Gruppe, in der wir zielgerichtet für Turniere und Wettstreite trainiert haben. Früher war es nur Spiel und Spaß.
Hast du ein Vorbild oder jemanden, den du dir zum Maßstab genommen hast?
Mein Vorbild waren schon immer die besten Kämpfer in Polen, mit denen ich später auch die Chance hatte zu trainieren. Dann waren es ausländische Ritter, hauptsächlich aus Russland und Weißrussland. Sie inspirierten mich dazu, immer besser zu werden, um langsam ihr Niveau zu erreichen.
Woraus besteht die Ausrüstung eines modernen Ritters?
Die ganze Rüstung besteht aus vielen Elementen. Als erstes kommt die weiche Schicht, sowas wie eine Jacke, an der Metallelemente der Rüstung befestigt sind, also die Schützer. Dann zieht man einen Körperschutz und die Metallelemente an den Beinen und manchmal auch an den Füssen an. Zum Schluss kommen die Handschuhe und der Helm. Je nach Wettbewerb nutzt man zum Kampf ein Schwert oder andere Waffen.
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Das ist ziemlich viel. Sicherlich ist es nicht leicht, sich in der Rüstung zu bewegen. Ist es schwer, so gekleidet zu kämpfen?
Man muss damit rechnen, dass die Rüstung von 20 bis sogar 30 kg wiegt. Es ist eine große Belastung und der Mensch wird darin schneller erschöpft. Auch die Atmung ist etwas beschränkt. Wegen des Gewichtes ist es auch eine große Belastung für die Gelenke.
Wie ertragen Ritter die Duelle im Sommer, wenn es richtig heiß ist?
Man muss sich daran gewöhnen. Es ist heiß und dagegen kann man nichts tun.
Du hast schon über deine Ausrüstung und die Belastung, die mit dem Tragen der Rüstung und dem Kampf verbunden sind, gesprochen. Kannst du das Geheimnis lüften und mir sagen, wie deine Vorbereitungen vor den Ritterkämpfen aussehen?
Ich trainiere das ganze Jahr. Die meisten Turniere finden im Sommer statt, aber Veranstaltungen werden über das ganze Kalenderjahr hin organisiert. Ich trainiere und nehme ständig an Wettbewerben teil. Vor Meisterschaften oder anderen wichtigen Kämpfen intensiviere ich etwas meine Trainingsbelastung. Dazu kommt natürlich auch die physische Vorbereitung im Fitnesscenter hinzu, wie auch das Ausüben anderer Sportarten.
Wie fühlt es sich an, einen Schlag mit einer Axt oder einem Luzerner Hammer zu bekommen? Man sagt, dass die Schlagkraft hierbei sogar 700 kg betragen kann. Ist das eine Sportart, die mit vielen Kontusionen verbunden ist?
Wenn es um Mann-gegen-Mann-Duelle geht, dann kämpft man normalerweise mit Einhandschwertern oder zweihänder Waffen. Die Schläge sind stark, aber sie kommen nicht ohne Vorwarnung von hinten. Der Panzer ist da und die Rüstung ist gut darauf vorbereitet, aber trotzdem fühlt man manchmal etwas Schmerz, manchmal kommt es auch zu Verletzungen. Die größte Gefahr und Schlagkraft kommt in den Gruppenkämpfen vor. Dort kann man nämlich oft von mehreren Gegnern von verschiedenen Seiten getroffen werden. Wenn man in schlechter geschützte Stellen geschlagen wird, kann es zu ernsthaften Quetschungen und Brüchen kommen, wie z. B. zu Knieverletzungen, Bänderrissen und vieles weitere. Aber trotz allen Anscheins kommen keine ausgesprochen schwerwiegenden Verletzungen vor.
Du hast die Kämpfe und ihre Form erwähnt. Bevorzugst du Mann-gegen-Mann-Duelle oder eher Gruppenkämpfe?
Ich nehme vor allem an Duellen teil. In Gruppenkämpfen bin ich meistens auf lokalen, kleineren Turnieren dabei. Das mache ist eher zum Spaß als wegen der Rivalität.
Die heutigen Kämpfe unterscheiden sich von den Auseinandersetzungen, die wir aus Legenden oder Erzählungen kennen. Kannst du dir vorstellen, an einem wahren, mittelalterlichen Duell teilzunehmen?
Ich denke, dass es auf jeden Fall was anderes wäre. Heute ist es eher eine moderne Sportart, die von mittelalterlichen Duellen inspiriert wurde. Mit Rüstung und Waffen, die Rekonstruktionen der Kampfgeräte aus dieser Zeit sind. Doch die Form des Kampfes ist definitiv modernisiert worden. Es ist also schwer zu sagen, ob irgendjemand von uns sich in einem mittelalterlichen Turnier oder einer Schlacht hineinfinden könnte. Das ist schwer zu vergleichen.
Und wenn ein Vertragsangebot von einer seriösen MMA-Organisation für die Teilnahme an Kämpfen in Rüstung kommen wurde? In Russland erfreuen sich solche Gefechte an großer Beliebtheit.
An solchen Kämpfen fehlt es sowohl in Russland, wie auch in Polen nicht. Es nehmen daran wirklich sehr viele Menschen teil, manchmal auch ich. Sehr selten, aber es kommt vor, dass ich dabei bin. In Russland war ich noch nie, obwohl dort die Kämpfe ihren Anfang haben. Außer mir gibt es viele Wettkampfteilnehmer in Polen, die sich besser darauf spezialisiert haben und durch ganz Europa und auch nach Russland reisen. Ich denke, dass im Moment die Polen und Russen den ganzen Wettbewerb dominiert haben.
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Hältst du dich an die Ritterlichkeit?
Ich denke, dass die Ritterlichkeit eher ein literarisches Erzeugnis ist und es in unseren Zeiten viele andere Vorbilder gibt, die sich überlappen. Aus Erfahrung weiß ich, dass Menschen, die sehr mit ihrer Ritterlichkeit prahlen, sich nicht unbedingt an sie halten. Dabei spreche ich nur über die Ritterlichkeit selbst, und nicht die Regeln des gemeinsamen Lebens in einer Gesellschaft. Ich denke, dass es ausreicht, wenn man ein guter Mensch ist und sich an die allgemein angenommenen Regeln hält. Man muss nicht unbedingt mit der Ritterlichkeit oder etwas anderem prunken.
Wie haben die Ritterkämpfe deinen Charakter gestaltet?
Von klein an habe ich verschiedene Sportarten betrieben. Ich trainierte hart, also war mein Charakter in dieser Hinsicht schon gestaltet. Ich habe viele interessante Menschen kennengelernt. Das beeinflusste mein Leben und natürlich meinen Charakter. Trainings und Wettbewerbe in dieser, wie auch in anderen Sportarten, stärken den Geist, gewöhnt an die Anstrengung. Aber wie ich bereits gesagt habe – ich trainierte verschiedene Sportarten, also wurde mein Charakter nicht unbedingt vom Rittersein gestärkt.
An welchen Moment in deiner Karriere erinnerst du dich am liebsten?
Vor allem sind es meine Anfänge, erste gewonnene Turniere. Damals schien alles so aufregend zu sein, weil man erstens jünger war, zweitens es noch ziemlich neu für einen war. Ich denke gern an einzelne Turniere zurück, die an interessanten Orten oder in einer tollen Atmosphäre stattgefunden haben. Auf jeden Fall erinnere ich mich mit großer Sympathie an die Schlacht bei Tannenberg, an der ich seit dem Jahr 2002 teilnehme, zurück. Als ich meine ersten Schritte in meinem Abenteuer als Ritter gemacht habe, war es eine Veranstaltung, auf die man ungeduldig wartete. Oftmals fanden dort würdige, sehr gute Turniere statt.
Heute bist du ein kampferfahrener Ritter. Wovon träumt der fünffache Weltmeister in Ritterkämpfen?
Ich weiß nicht, ob ich irgendwelche konkreten Träume habe. Ich mag es, ein interessantes Leben zu führen, und grundsätzlich mache ich das, wovon ich träume. Ich habe meine Ziele, aber ich weiß nicht, ob man sie als große Träume betrachten kann… Ich glaube nicht wirklich. Meiner Meinung nach sind manche Träume ein Ziel, das nie erfüllt werden kann, deswegen versuche ich sie nicht so zu benennen.
Wofür interessierst du dich außer dem Rittertum?
Ich reise sehr viel, egal ob in Verbindung mit dem Rittertum, oder nicht. Ich unternahm ein paar Fahrradtouren, z. B. um Island herum oder vom norwegischen Norkap bis nach Rastenburg/Kętrzyn (2850 km). Ich besteige auch gerne die Berge, ich war in Georgien auf dem Kasbek-Berg (5047 m u. d. M.), Mont Blanc (4810 m u. d. M.). Ein paar Mal wöchentlich spiele ich Basketball. Das sind meine Hauptinteressen. Ich bin auch ein sehr großer Katzenliebhaber.
Angeblich hast du auch den Giewont-Berg in der Ritterrüstung bestiegen. Kannst du etwas davon erzählen?
Eines Tages habe ich mit einem Freund von mir festgestellt, dass es super wäre den Giewont-Berg, der als “der schlafende Ritter” bezeichnet wird, in voller Rüstung zu besteigen. Wir wollten uns selber und unsere Rüstung unter solchen Umständen testen. Das war im Mai. Das Wetter war ziemlich schlecht, die Sichtbarkeit tragisch, also haben wir aus dem Nebel hervorkommend in der Regel alle Touristen, denen wir dort begegnet sind, überrascht. Es war wirklich eine interessante Erfahrung und ich denke, dass sie auch ein wenig symbolisch war. Schließlich ist es der Giewont-Berg, der schlafende Ritter. Und Ritter in ihrer Rüstung haben ihn bestiegen.
Möchtest du in der Zukunft junge Ritteradepte schulen?
In Wirklichkeit mache ich es die ganze Zeit. Ich führe Trainings in Polen, unter anderem in Rastenburg/Kętrzyn durch, aber ich habe es auch in verschiedenen europäischen und afrikanischen Ländern gemacht, auch in den Vereinigten Staaten und im Norden Kanadas. Vielleicht war es keine Jugend, sonder etwas ältere Personen oder in einem ähnlichen Alter wie meins. In Rastenburg/Kętrzyn führt der Verein Masuria (Stowarzyszenie Masuria) Projekte durch, deren Ziel die Aktivierung, die Schaffung von Freizeitvertreibsmöglichkeiten, Kämpfe mit nicht so gefährlichen Waffen, Trainingsmöglichkeiten und vor allem Spaß ist.