111 Gründe ein Land zu lieben – ziemlich viele. Matthias Kneip verriet während des Autorentreffens in der Oppelner Philharmonie am Mittwoch, wie seine Faszination an Polen begonnen hat und ob es eine blinde Liebe sei.
Matthias Kneip mischt sich unter die Gäste, spricht hier und da mit Jemandem, bis er schließlich seinen Platz auf der kleinen Bühne einnimmt und der formale Teil des Autorentreffens beginnt. Doch die offizielle Atmosphäre löst sich nach einer kurzen Präsentation seiner Persönlichkeit, wie von selbst in Luft auf. Denn Matthias Kneip ist nicht einer von denen, den der Erfolg zu Kopf steigt. Ob dies der Bekanntschaft mit Tadeusz Różewicz zu verdanken ist, scheint durchaus möglich zu sein.
Der Schriftsteller wird als „Pendler zwischen zwei Kulturen“ bezeichnet, was sehr zutreffend ist. Bei den Kneips vermischt sich die polnisch-deutsche Kultur, doch die Kinder werden hauptsächlich deutsch erzogen. Wieso zum Weihnachtsabend die Oblate geteilt wird, versteht Matthias Kneip am Anfang nicht. Seine Eltern sind aber mit dem polnischen Dichter Tadeusz Różewicz befreundet, dessen Tätigkeit den damals 11-Jährigen nicht so ganz interessiert. Er spricht aber Deutsch und spielt ab und zu Fußball – dies reicht aus, um von den Kindern akzeptiert zu werden. Kneip erzählt die Geschichte, als er ein Buch von ihm bekam: „Różewicz hat mir ein Buch geschenkt. 1979. Da war ich zehn und das hieß, Schattenspiele. (…) Wir sind drei Kinder zu Hause und er hat mir das Buch mit einer Widmung geschenkt: „Dla Macieja, z prośbą, żeby nie zaczął pisać wierszy przed 60. rokiem życia‘“, was auf Deutsch übersetzt bedeutet „Für Matthias mit der Bitte, dass er vor seinem 60. Lebensjahr keine Poesie zu schreiben beginnt“. Als der Beschenkte nach ungefähr zwanzig Jahren in der Lage ist die Worte zu verstehen, stellt sich heraus, dass er bereits vier Poesiebände veröffentlicht hatte.
Doch nicht nur dies versteht Matthias Kneip, nachdem die Zeit vergangen ist und er mehr und mehr von Polen fasziniert ist. An dieser Stelle ist der „magische Sack“ zu nennen, mit welchem ein anderer nicht breitbekannter Fakt verbunden ist. „Das ist das älteste Trikot der Welt von Włodzimierz Lubański”, meint Kneip indem er ein altes T-Shirt in seinen Händen hochhält. Dazu kommt noch die Hose von Kazimierz Deyna aus dem Endspiel der Olympischen Spiele in München 1972. Wie viel diese Persönlichkeiten für die polnische Kultur bedeuten, entdeckt Kneip erst nach mehreren Jahren. Jetzt würde er diese Sachen für keinen Preis der Welt verkaufen.
Natürlich waren die Bekanntschaft mit dem polnischen Dichter und die Tatsache, ein stolzer Besitzer von Gegenständen der polnischen Sportler zu sein, nicht Gründe, sich für Matthias Kneip für Polen zu interessieren. „Den Funken haben mir die Eltern in die Wiege gelegt“, erklärt Kneip. „Den Wind und das Feuer musste ich aber selbst machen“. Und das ist ihm gelungen.
Matthias Kneip ist wissenschaftlicher Arbeiter am Deutschen Poleninstitut, Mitglied der Redaktion der Zeitschrift „Ost-West-Perspektiven“, Botschafter des Deutsch-Polnischen Jugendwerks. Neben zahlreichen Literaturpreisen, ist u.a. das „Kavalierskreuz des Verdienstordens der Republik Polen“ zu nennen, den ihm der damalige Präsident Polens Bronislaw Komorowski 2012 überreicht hat.
Das Buch „111 Gründe, Polen zu lieben: Eine Liebeserklärung an das schönste Land der Welt“ schildert die unterschiedlichsten Erfahrungen des Autors mit der polnischen Kultur, Geschichte und Mentalität. Der polnische Smalltalk und dessen Vor- und Nachteile, die polnische Geschenk-Tradition und die Erinnerungen, ein „deutsches Kuriosum, das Polnisch lernt“ zu sein und dazu noch die Hypothese, im polnischen Wappen sollte eigentlich ein Storch statt ein Adler zu sehen sein, sind nur einige Themen, die mit einem Augenzwinkern beschrieben werden. An manchen Stellen wird es aber auch ernst – denn der Zweite Weltkrieg ist für Kneip kein Tabuthema.
Der Titel des Buches wirkt übertrieben, was auch den Zuschauern aufgefallen ist. Handelt es sich wirklich um eine so große Liebe? „Das ist keine blinde Liebe. Natürlich zwischen sehr stark verliebt sein und verrückt sein, dass ist dann fast das Gleiche. Und natürlich habe ich hier nur 111 Gründe geschrieben, die für mich an Polen faszinierend sind. Natürlich könnte ich auch ein paar Gründe nennen, die ich nicht faszinierend finde. Aber wenn sie ein Kochbuch schreiben, dann schreiben sie auch nur Rezepte rein, die sie mögen. (…) Und so ist es auch im Prinzip mit diesem Buch.“
Photos: