In Deutschland gibt es an Heiligabend oft Kartoffelsalat mit Würstchen. In Polen wartet etwas völlig anderes. Dort steht ein festliches Weihnachtsmenü mit 12 Gerichten auf dem Plan, ganz ohne Fleisch. Klingt überraschend? Genau das macht das polnische Wigilia so besonders.
Die polnische Tradition verbindet christliche Symbolik, alten Aberglauben und saisonales Essen. Alles ist gekocht, bewusst ausgewählt und voller Bedeutung. Diese 12 Gerichte sollen Glück bringen, Wohlstand sichern und die Familie für das kommende Jahr schützen. Hier erfährst Du, warum das so ist und was man in Polen zu Weihnachten isst – Liste inklusive.

Warum eigentlich 12 Gerichte? Die Symbolik der Zahl
Die Zahl 12 hat in Polen eine doppelte Bedeutung. Einerseits verweist sie auf die 12 Apostel, die Jesus begleiteten. Andererseits steht sie für die zwölf Monate des Jahres. Jedes Gericht soll für einen Monat stehen und Glück bringen. So verbinden sich Glaube und Alltag ganz natürlich.
Zur Tradition gehört auch eine klare Regel: Du musst jedes Gericht probieren. Wenigstens einen Löffel. Wer etwas auslässt, riskiert symbolisch einen Mangel in diesem Lebensbereich. Dieser Aberglaube ist bis heute lebendig. Gegessen wird erst, wenn der erste Stern am Himmel erscheint. Das erinnert an die Geburt Jesu und macht den Heiligen Abend feierlich ruhig.
Unter der weißen Tischdecke liegt oft Heu. Es erinnert an den Stall von Bethlehem. Auf dem Tisch liegt die Oblate, die geteilt wird. Ein leerer Platz bleibt für den unerwarteten Gast. Wigilia ist damit das wichtigste Familienfest in Polen.
Die klassische Liste der 12 polnischen Weihnachtsgerichte
Die folgende Liste zeigt ein klassisches Set der polnischen Weihnachtsgerichte. Regional gibt es Abweichungen, doch diese Kombination gilt als besonders traditionell. Alle Speisen zählen zu den Fastenspeisen und sind fester Bestandteil des Festmahls an Heiligabend in Polen.
| Nr. | Gericht (Deutsch / Polnisch) | Bedeutung |
| 1 | Rote-Bete-Suppe mit Öhrchen / Barszcz z uszkami | Leben, Reinheit |
| 2 | Pilzsuppe / Zupa grzybowa | Wald, Ahnen |
| 3 | Karpfen / Karp | Stärke, Geld |
| 4 | Hering / Śledź | Wasser, Fasten |
| 5 | Piroggen mit Sauerkraut und Pilzen / Pierogi | Fülle |
| 6 | Sauerkraut mit Erbsen / Kapusta z grochem | Wohlstand |
| 7 | Fisch auf griechische Art / Ryba po grecku | Wandel |
| 8 | Kutia / Kutia | Unsterblichkeit |
| 9 | Mohnkuchen / Makowiec | Reichtum |
| 10 | Nudeln mit Mohn / Kluski z makiem | Glück |
| 11 | Kompott aus Trockenobst / Kompot | Gesundheit |
| 12 | Brot / Chleb | Leben |
Rote-Bete-Suppe mit Öhrchen (Barszcz z uszkami)
Das ist eine klare Suppe, bestehend aus Rote Bete, Gemüse wie Sellerie, Zwiebeln, Lorbeerblatt und Knoblauch. Die Rote-Bete-Suppe wird fein abgeschmeckt, oft mit etwas Zitronensaft. Sie ist kein Püree.
Die kleinen Uszka sind Teigtaschen mit Füllung aus getrockneten Pilzen. Barszcz gilt als Herzstück unter den 12 Gerichten.

Pilzsuppe (Zupa grzybowa)
Das ist eine Suppe, bestehend aus Pilzen, Wasser, Wurzelgemüse und Sahne (oder ohne). Oft nutzt man Steinpilze oder Champignons. Die Suppe verbindet Lebende und Verstorbene.
In vielen Familien ersetzt sie den Barszcz. Sie steht für den Wald und für Erinnerung. Deshalb gehört sie fest zum polnischen Weihnachtsessen.
Karpfen (Karp)
Das ist ein Fischgericht, bestehend aus Karpfen, Mehl und Öl. Der Fisch wird goldbraun gebraten oder als Gelee serviert.
Der Weihnachtskarpfen bringt Glück. Viele legen sich eine Schuppe des Karpfens ins Portemonnaie. Das soll Wohlstand sichern. In Polen ist der Karpfen Pflicht.
Hering in Öl oder Sahne (Śledź)
Das ist ein kaltes Gericht, bestehend aus Hering, Öl oder Sahne, Zwiebeln und Gewürzen.
Der Fisch steht für Wasser und Enthaltsamkeit. Er ist typisch für Fastenspeisen in Polen.
Piroggen mit Sauerkraut und Pilzen (Pierogi z kapustą i grzybami)
Das ist ein Teiggericht, bestehend aus Teig, Sauerkraut und Pilzen. Die Piroggen werden gekocht oder angebraten.
Sie gelten als das wichtigste Mehlgericht der polnischen Küche. Viele Familien wollen sie jedes Jahr nachkochen.
Sauerkraut mit Erbsen (Kapusta z grochem)
Das ist ein Schmoreintopf, bestehend aus Sauerkraut und Erbsen. Einfach, aber sättigend.
Das Gericht soll dafür sorgen, dass „die Armut nicht pfeift“. Es steht für Bodenständigkeit und Fülle.
Fisch auf griechische Art (Ryba po grecku)
Das ist ein Fischgericht, bestehend aus Fischfilet, Zwiebeln, Karotten und Tomaten. Mit Griechenland hat es nichts zu tun.
Der Name ist ein polnischer Klassiker. Das Gericht gehört fest zu den Gerichten auf dem Tisch.
Kutia (Kutja)
Das ist ein Süßgericht, bestehend aus Weizen, Mohn, Honig, Rosinen und Walnüssen.
Kutia stammt aus dem Osten Polens. Es symbolisiert das Leben und die Wiedergeburt.
Mohnkuchen (Makowiec)
Das ist ein Kuchen, bestehend aus Hefeteig und viel Mohn.
Jedes Mohnkorn steht für Geld. Deshalb soll Makowiec Glück bringen.
Nudeln mit Mohn (Kluski z makiem)
Das ist ein Nudelgericht, bestehend aus Nudeln, Mohn, Zucker und Honig.
Es ist eine Alternative zur Kutia und besonders bei Kindern beliebt.
Kompott aus Trockenobst (Kompot)
Das ist ein Getränk, bestehend aus getrockneten Pflaumen, Birnen, Apfel und manchmal Aprikosen.
Der Kompott hilft bei der Verdauung. Das polnische Getränk unterscheidet sich klar vom deutschen Kompott-Dessert.
Brot (Chleb)
Das ist ein Grundnahrungsmittel, bestehend aus Mehl und Wasser.
Brot eröffnet das Weihnachtsessen. Es steht für das Leben und die Gemeinschaft.
Die vier Elemente auf dem Tisch: Feld, Wald, Wasser, Garten
Die zwölf Gerichte spiegeln die Natur wider. Polnisches Essen folgt den Jahreszeiten. Man nutzt, was Feld und Wald einem geben.
| Element | Zutaten |
| Feld | Mehl, Weizen |
| Wald | Pilze |
| Wasser | Fisch |
| Garten | Kohl, Nüsse, Trockenobst |
So entsteht ein harmonisches Weihnachtsmenü, tief verwurzelt in der polnischen Tradition.

Unterschiede zu Deutschland, Österreich und der Schweiz
In Deutschland dominiert Einfachheit. Kartoffelsalat an Heiligabend ist üblich. In Polen zählt Vielfalt. Zwölf Gerichte geben dem Abend Struktur und Bedeutung.
Der Karpfen ist ein gutes Beispiel. In Deutschland kennt man ihn eher zu Silvester. In Polen gehört er zwingend zum Weihnachtsessen.
Auch der fleischlose Charakter ist entscheidend. Während in den DACH-Ländern oft schon am 24.12. Fleisch gegessen wird, bleibt Polen bis Mitternacht streng bei Fastenspeisen.
FAQ – Häufige Fragen zu den 12 Gerichten
Muss man wirklich alle 12 Gerichte essen?
Ja. Wenigstens probieren. So sagt es der Aberglaube.
Zählt Brot als eines der 12 Gerichte?
Oft ja. Das hängt von der Region ab.
Ist Wodka Teil der 12 Gerichte?
Nein. Traditionell bleibt die Wigilia alkoholfrei.
Was ist der Unterschied zwischen polnischem Kompot und deutschem Kompott?
Der polnische Kompot ist ein Getränk. Das deutsche Kompott ist ein Dessert.

Ein Stück Polen auf dem Weihnachtstisch
Die 12 Gerichte zu Weihnachten in Polen sind mehr als Essen. Sie verbinden Tradition, Symbolik und Familie. Jedes Gericht erzählt eine eigene Geschichte und gehört fest zum wichtigsten Familienfest des Jahres. Genau deshalb bleiben diese polnischen Weihnachtsgerichte über Generationen erhalten.
Wenn Du Polen besser verstehen willst, fang beim Weihnachtsessen an. Schon ein selbst gemachter Barszcz, Piroggen oder ein einfacher Kompot zeigen, wie tief diese Küche verwurzelt ist. Vielleicht wird eines dieser Gerichte auch bei Dir zur neuen Tradition.
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