Noch vor wenigen Jahren galten Saisonarbeiten im Ausland für viele Polen als ideale Möglichkeit, schnell gutes Geld zu verdienen. Heute hat sich das Blatt gewendet. Trotz weiterhin höherer Löhne im Westen, sinkt das Interesse an Saisonarbeit jenseits der Grenze deutlich. Was steckt hinter diesem Trend?
Obwohl die durchschnittlichen Löhne für Saisonarbeiter im Westen Europas immer noch doppelt so hoch sind wie in Polen, sind die kurzen Arbeitseinsätze angesichts der hohen Lebenshaltungskosten und Transportkosten nicht mehr so rentabel.
“Bei schlecht bezahlten Saisonarbeiten in Polen kann man heute kaum weniger verdienen als im Ausland. Manchmal sogar praktisch genauso viel“, schätzt Krzysztof Inglot gegenüber Rzeczpospolita. Er ist Gründer und Experte der Personalvermittlungsagentur Personnel Service. Die Agentur schickt Polen unter anderem nach Deutschland, in die Niederlande und nach Skandinavien zur Arbeit.
Rückgang des Interesses an Saisonarbeit im Ausland
Nicht nur er spricht von einem geringeren Interesse an der Saisonarbeit im Ausland, die vor Jahren Hunderttausende von Menschen, darunter viele Studenten, zum Auswandern für einen Job in Deutschland motivierte. Damals hätte man mit einem solchen Auslandsaufenthalt viermal so viel wie im Heimatland verdient. Sogar dann, wenn man keine Qualifikationen hatte. Diese Differenz ist heute (auch aufgrund des schwächeren Euro) nur noch halb so groß.
“Obwohl immer noch viele Menschen gerne für saisonale Arbeiten ins Ausland gehen, sind es jetzt etwas weniger als vor zwei oder drei Jahren”, meint Tomasz Dudek, Geschäftsführer der Otto Work Force Central Europe. Sein Unternehmen schickt seit Jahren Polen in die Niederlande.
Laut Dudek bleibt die Anzahl der saisonalen Arbeitsangebote in der Landwirtschaft, im Gartenbau und in der Verarbeitung auf einem ähnlichen Niveau. Deshalb gleicht Otto Work Force den Rückgang der polnischen Arbeitskräfte durch die Einstellung einer größeren Anzahl von Arbeitsmigranten aus Bulgarien und Rumänien aus.
Der Grund für das geringere Interesse
Die Experten sind sich einig, dass das geringere Interesse der Polen an Saisonarbeit im Westen hauptsächlich auf den schnellen Anstieg des Mindestlohns zurückzuführen ist. Der beträgt in diesem Jahr in Polen 4.700 PLN brutto. In der Umrechnung auf Euro belegt das Land bereits den 9. Platz in der Europäischen Union. Es überholt unter anderem Portugal und Griechenland.
Wie Krzysztof Inglot erinnert, ist der Mindeststundenlohn von 30,50 PLN brutto für junge Menschen bis zum 26. Lebensjahr, die von der Steuer befreit sind, der Netto-Stundenlohn. Die meisten von ihnen werden auch von dem Wunsch nach Welterkundung und dem Erlernen der Sprache angezogen.
Nicht nur die Löhne, die im Land bereits in Euro umgerechnet mehr als 7 Euro pro Stunde betragen, also kaum unter den Tarifen für einfache Arbeiten in Deutschland (9-12 Euro). “Dazu kommen aber höhere Kosten für Unterkunft, Verpflegung und Anfahrt“, rechnet Inglot gegenüber der Zeitung vor.
Quelle: rp / onet
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