Seit über einem Jahrhundert befassen sich polnische Intellektuelle mit dem literarischen Schaffen des deutschen Schriftstellers und Nobelpreisträgers Gerhart Hauptmann. Ihre Analysen und Wertungen begleiteten die Übersetzungen der Hauptmannschen Werke in die polnische Sprache durch Maria Konopnicka (1842-1910), Leopold Staff (1878-1957) oder Jan Kasprowicz (1860-1926). Der Philologe, Literaturkritiker und Publizist Józef Flach (1873-1944) veröffentlichte bereits 1898 in Kraków ein 270-seitiges Buch mit Interpretationen und Kritiken zum Frühschaffen des schlesischen Literaten („Studya nad wspólczesnym dramatem niemieckim: I. Gerhart Hauptmann“). Seither beschäftigte sich eine ganze Phalanx von bedeutenden polnischen Hauptmann-Forschern produktiv und kritisch mit dem Leben und Schaffen des Dramatikers aus dem Riesengebirge. Besonders hervorzuheben ist dabei neben der Schlesischen Universität Katowice die überragende Rolle des germanistischen Instituts der Universität von Wrocław, die sich zum Zentrum der polnischen „Hauptmannianer“ entwickelte. Der anerkannte internationale Ruf der polnischen Germanisten hat sich besonders in der Zeit nach 1945 und nach 1990 durch eine Vielzahl von Arbeiten wesentlich gefestigt.
Einer von ihnen ist der 1948 in Jelenia Góra geborene und nunmehr emeritierte Professor für Deutschlandstudien an der Universität Łódz und erste Präsident der Polnischen Gerhart-Hauptmann-Gesellschaft Krzysztof A. Kuczyński. Als eines der Ergebnisse seiner jahrzehntelangen Beschäftigung mit dem Thema liegt jetzt ein Lexikon der polnischen Gerhart-Hauptmann-Forscher im 19. bis 21. Jahrhundert vor („Mały leksykon polskich badaczy Gerharta Hauptmanna w XIX-XXI wieku“). Dieses Kompendium stellt 25 polnische Forscher mit Kurzbiogrammen, der Benennung der wichtigsten ihrer 310 Arbeiten sowie bio-bibliografischen Verweisen vor. Es enthält neben einer instruktiven Einführung auch eine Auflistung von 28 Artikeln zur polnischen Hauptmann-Rezeption sowie von 14 in Polen stattgefundenen Konferenzen zu verschiedenen Aspekten der intensiven Auseinandersetzung mit dem „Weber“-Autor. Passend und komplementär zu dieser Thematik beleuchtet Krzysztof Kuczynski gemeinsam mit Janusz Skowroński, dem Direktor des Gerhart-Hauptmann-Hauses in Jelenia Góra-Jagniątków, in einem separaten Aufsatz die umstrittene Rolle des Dichters vom Wiesenstein während der Zeit des III. Reiches („Milcząca akceptacja czy wyrachowany konformizm?“).
Abgedruckt sind diese verdienstvollen Studien im 52. Band des „Rocznik Jeleniogórski 2020“. Dieses Jahrbuch entstand wiederum im Auftrag der Gesellschaft der Freunde von Jelenia Góra unter der bewährten Federführung ihres Präsidenten und Redakteurs Ivo Łaborewicz, der hauptberuflich als Leiter der Außenstelle Jelenia Góra des Staatsarchivs Wrocław tätig ist. Als Mitherausgeber fungiert das Zentrum für Kultur und Kunst in Wrocław. 32 Autoren breiten in 39 Beiträgen mit Studien und Materialien zu Natur, Kultur und Kunst, Geschichte, Selbstverwaltung, Archivalien, Chronik und Rezensionen ein Kaleidoskop der niederschlesischen Region aus. Den Artikeln ist eine Kurzfassung in englischer, tschechischer und deutscher Sprache beigefügt. Die zurückliegenden Jahrgangsbände des „Rocznik Jeleniogórski“ von 1963 bis 2017 sind in der Digitalbibliothek von Jelenia Góra lückenlos und in vollem Textlaut gespeichert und einzusehen (http://jbc.jelenia-gora.pl/dlibra/publication/1190).
Rocznik Jeleniógorski 2020 – Pismo regionu Karkonoszy, tom LII
Wydawnictwo-Poligrafia AD REM Jelenia Góra
479 strony
ISSN 0080-3480