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Nächster Halt: Die polnische Hauptstadt

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Nachdem ich bereits meinen aktuellen Wohnort Lodz/Łódź und meinen Sehnsuchtsort Kraków/Krakau näher vorgestellt habe, soll es heute einmal um die polnische Hauptstadt und damit einen der aktuell aufregendsten Orte in Europa gehen: Warschau/Warszawa. Dies ist in meinen Augen die Stadt in Polen, um die man nicht herumkommt. Ob man nun das mittelalterliche Flair von Städten wie Krakau/Kraków oder Zamość bevorzugt, sich von der jugendlichen Atmosphäre Posens/Poznańs angezogen fühlt, den fast mediterranen Charakter Breslaus/Wrocławs mit all seinem Wasser mag oder vom postindustriellen Charme Lodsch/Łódź fasziniert ist, im Zentrum der Aufmerksamkeit steht Warschau/Warszawa. Einerseits ist dies politisch wie auch wirtschaftlich bedingt, aber besonders auch, da man an dieser Stadt sehr gut demonstriert bekommt, wie stark sich die ehemals kommunistischen Staaten, und im Speziellen Polen, in den letzten Jahren gewandelt und sich im Bezug auf Lebensqualität, Arbeitsmöglichkeiten sowie viele weitere Faktoren westlichen Metropolen angenähert haben und gar auf einer Stufe mit Berlin, London und Paris steht. Das bemerkt man vor Allem daran, dass Warschau sich täglich wandelt sowie scheinbar unaufhaltsam weiter wächst, aber dabei so viele unterschiedliche Eigenschaften und Gesichter vereint, dass man sonst mehrere Städte bereisen müsste, um diese zu erleben und wiederzufinden.  

Wie Phönix aus der Asche?

Es ist noch gar nicht so lange her, dass Warschau/Warszawa in den Fokus der urbanen Reisekultur gelangte. Bis noch vor 10 Jahren hätte sich wahrscheinlich niemand dazu entschieden, ein verlängertes Wochenende in der polnischen Hauptstadt zu verbringen, oder allgemein einen Urlaub in Polen zu planen. Wie ich schon beschrieben habe und auch allseits bekannt ist, hat Polen selbstverständlich wie jedes Land auch seine Reize, besonders Warschau/Warszawa, das lange Zeit stand im Schatten anderer europäischer Reiseziele stand. Dabei hat diese Stadt extrem viel zu bieten, was es zu entdecken gibt. Mich führte der Weg erstmals Ende 2013 eher zufällig dorthin. Zuvor hatte ich kaum etwas über die Stadt gehört, außer dass sie im 2. Weltkrieg fast komplett zerstört wurde, und hatte daher keinerlei Vorstellung, aber daher auch keine Erwartungen, die somit nicht enttäuscht werden konnten. Meine damalige Polnischlehrerin an der Universität kam gebürtig aus Warschau und hatte mir geraten diese, mit ihren Worten, hässliche Stadt zu meiden und lieber nach Krakau/Kraków zu fahren und dort eine schöne Zeit zu verbringen. Aber man sollte zuerst immer seine eigenen Erfahrungen machen und so begab ich mich zusammen mit Freunden auf einen Ausflug, diese Stadt für ein verlängertes Wochenende zu erkunden. 

Eine imposante Metropole, die alles bietet

Sobald man am Hauptbahnhof ankommt und diesen verlässt, findet man sich augenblicklich im Zentrum wieder, umgeben von modernen Hochhäusern und am Fuße des vielleicht beeindruckendsten und gleichzeitig umstrittensten Gebäude Polens, dem Palast für Kultur und Wissenschaft. Nachdem Warschau/Warszawa im Zuge des gescheiterten Warschauer Aufstandes 1944 von den Deutschen als Racheakt systematisch und gezielt dem Erdboden gleichgemacht wurde, begannen nach dem 2. Weltkrieg die mühsamen Wiederaufbauarbeiten. Eine kurze Zeit war deswegen Lodz/Łódź die vorübergehende Hauptstadt Polens und eigentlich sollte Warschau/Warszawa aufgrund der zu starken Zerstörungen nicht wieder aufgebaut werden. Aber es kam bekannterweise anders. Aus dem ganzen Land wurden Baumaterialen herangeschafft, um die Stadt wieder auferstehen zu lassen. Zusätzlich zur wiederhergestellten Altstadt schenkte die Sowjetunion in Person von Diktator Stalin dem polnischen Volk einen monumentalen Turm, welcher bis heute die Innenstadt schmückt. Als noble Geste des kommunistischen Bruders aus Moskau gedacht, sahen viele Polen im Kulturpalast nur die Erdrückung der Menschen durch das brutale System der Sowjetunion und haben sich nie wirklich mit diesem Bauwerk angefreundet, sodass bis heute immer noch mit dem Gedanken gespielt wird, ihn komplett abzureißen. Auch wenn man die negativen Assoziationen und Erinnerungen der Polen mit dieser Zeit nachvollziehen kann, ist es doch das beste Zeichen diesem Gebäude, welches von einem diktatorischen System errichtet wurde, in einem demokratischen Umfeld eine neue Verwendung zu geben. Damit tut man sich bis heute immer noch schwer, da große Teile des Palastes leer stehen, aber die Terrasse in 114 m Höhe bietet einen atemberaubenden Blick über die Stadt und ist somit ein Publikumsmagnet und eine Attraktion, die man nicht verpassen sollte. Von dort oben weit über der Stadt merkt man schnell, dass Warschau kein einheitliches Bild hat, anders als vielleicht Paris, Budapest oder Barcelona. Neben erhaltenen und wiederaufgebauten Gebäuden aus der Zeit vor den Weltkriegen und modernen Bürotürmen und Apartmenthäusern, sieht man vor allem eins, und zwar Gebäude aus der kommunistischen Epoche. Zum einen sind das funktionale Plattenbauten – im Polnischen als blok bezeichnet – und viele repräsentative Gebäude im Stil des sozialistischen Realismus, in welchem auch der Kulturpalast erbaut wurde. Diesen Baustil findet man in quasi allen postsowjetischen Staaten des Warschauer Pakts wieder, ob nun in Moskau, Riga, Warschau oder auch in Berlin. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, dass mich diese Architektur so in ihren Bann zieht, da ich sie in einem gewissen Sinne ästhetisch ansprechend finde, aber zum anderen ebenfalls damit aufgewachsen bin, aber die sozialistische Zeit nicht aktiv miterlebt habe und dadurch keine negativen Erinnerungen damit verbinde.

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Wenn ich Warschau bin, empfinde ich kein Heimweh, da mich einige Gebäude an meine Geburtsstadt erinnern und ich mich ein wenig wie Zuhause fühle. Ohnehin haben Warschau und Berlin viele Gemeinsamkeiten. Beide wurden durch den Krieg stark zerstört und unter großen Anstrengungen wieder aufgebaut, wobei man bei Warschau allerdings anmerken muss, dass es fast an ein Wunder grenzt, dass diese Stadt überhaupt noch existiert und sich zu solch einer pulsierenden Metropole mit einem modernen Antlitz verwandelt hat. Aber große Veränderungen, wie sie die Zerstörung durch einen Krieg mit sich bringen, bieten auch immer ungeahnte Möglichkeiten sich neu zu erfinden. Beide Hauptstädte haben gemein, dass im Zentrum ein kommunistischer Prachtbau steht, dass es viele Plattenbauten gibt, man aber auch sehr viele Parks und Grünflächen findet, was nicht in allen europäischen Großstädten selbstverstandlich ist. Des Weiteren ist auffällig, dass Warschau, ähnlich wie Berlin, eigentlich architektonisch nicht zusammenpasst. Durch die starken Veränderungen der letzten Jahrzehnte, aber auch die vielen äußeren Einflüsse, findet man heutzutage sozialistische Gebäude, elegante Hochhäuser, prächtige Altbauten und moderne Neubauten nah beieinander. Ein befreundeter Stadtführer aus Warschau erzählte mir einmal, dass einem Architekten beim Anblick von Warschau wohl die Augen bluten müssten. Das kann man sich gut vorstellen, aber das erschafft natürlich eine sehr abwechslungsreiche und interessante Kulisse, in der es jede Menge spannender Sachen zu entdecken gibt. Auch wenn Architekturexperten an Warschau vielleicht verzweifeln würden, erfreut sie sich bei Stadtplanern größter Beliebtheit. Seit Anfang der 2000er Jahre wird das U-Bahnnetz kontinuierlich ausgebaut, neue Straßen entstehen sowie auch neue Siedlungsgebiete, wodurch die Kreativen der Stadt immer wieder die Möglichkeit haben, die Stadt zu verändern, innovative städtebauliche Konzepte mit einfließen zu lassen, damit die Stadt noch lebenswerter wird für die Bewohner. Dabei schreckt man auch nicht davor zurück in der Innenstadt Wohnhäuser abreißen, um an gleicher Stelle ein modernes Büro- oder Apartmentgebäude errichten zu können. Auch wenn man es als fragwürdig bezeichnen kann, dass Bewohner für andere Gebäude weichen müssen, in denen sich die meisten wohl nicht die Mieten leisten könnten, steht es aber einer zeitgenössischen Stadt einfach besser, wenn im Stadtzentrum schicke und neue Bauten stehen und keine angestaubten Plattenbauten. So kommt es, dass im Zentrum von Warschau eine rege Bautätigkeit herrscht und die Entwicklung der Innenstadt bei weitem noch nicht abgeschlossen ist. Gefühlt fast täglich erwachsen dem Boden neue Glaspaläste, was dafür sorgt, dass die Stadt eine Skyline ähnlich amerikanischer Großstädte erhält. Dies symbolisiert einerseits den modernen Charakter der Stadt sowie des gesamten Landes, spiegelt aber auch eine besorgniserregende Entwicklung wieder, und zwar die stark ansteigenden Immobilienpreise, da man bei den hohen Preisen unweigerlich gezwungen ist, in die Höhe zu bauen. Bald wird sich dementsprechend das höchste Wohngebäude der Europäischen Union in der Mitte Warschaus/Warszawas befinden.

Hoch, höher, am höchsten

Auch wenn die Grundstücks- und Immobilienpreise im ganzen Land seit Jahren kontinuierlich steigen, was auch die starke wirtschaftliche Entwicklung widerspiegelt, ist es in Warschau aktuell fast unmöglich für Normalverdiener, eine eigene Wohnung käuflich zu erwerben. Das entspricht ungefähr dem Trend anderer Großstädte, unter anderem auch von Berlin. Das heißt der typische Warschauer wohnt etwas abseits vom Zentrum oder entdeckt neue Gebiete, wie zum Beispiel Praga, auf der östlichen Weichselseite, wo sich in den letzten Jahren eine spannende Kunst- und Kulturszene entwickelt hat und man dort auch noch relativ preisgünstig leben kann, bis auch dort in absehbarer Zeit die Gentrifizierung einziehen und die Preise nach und nach ansteigen lassen wird. Dies passiert aber wie in allen Städten dieser Welt und deshalb sollte man in der Zwischenzeit die Gunst der Stunde nutzen und die Vorzüge von Warschau genießen. Es bieten sich zahlreiche Möglichkeiten in dieser faszinieren Stadt, ob man nun in einer der unzähligen Parkanlagen Erholung vom Trubel sucht, sich am Weichselstrand bei sanften Technobeats niederlässt und mit dem Blick über den Fluss schweift, den Königstrakt bis in die Altstadt hinunter wandert, um sich gemeinsam mit den Touristen aus aller Welt auf die Spuren des alten und rekonstruierten Warschaus zu begeben oder einfach in einem der ausgezeichneten Museen die Geschichte der Stadt, die Kunstwerke des Landes oder besondere Ereignisse der Vergangenheit erforschen will, für jeden bietet diese Stadt etwas. Dabei kann man natürlich auch kulinarisch einiges Erleben, wenn man nur offen genug und bereit für neue Eindrücke ist. Ich persönlich bin immer wieder gern in unserer Hauptstadt, sei es um meinem Besuch aus Deutschland die Stadt und das Land zu zeigen oder einfach nur zur Abwechslung, und dann bin ich immer wieder aufs Neue überrascht zu sehen, was sich denn diesmal verändert hat. Ich geniesse jedes Mal das Großstadtflair, freue mich dann aber auch wieder, in mein beschauliches Łódź zurückkehren zu dürfen.     

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Maximilian Broy

Zum Autor:

Geboren 1986 im damaligen Ost-Berlin, hat er sich schon früh für die weite Welt interessiert. Nach zahlreichen beruflichen Stationen, u.a. in einer Kunstgalerie, im Casino sowie in einem Hotel oder als Reiseleiter, fand er nach dem Studium der Geopgraphie und Anglistik in Potsdam seine Berufung als Sprachenlehrer im Ausland. Nach einem Halt in Budapest ging es 2015 nach Polen, wo er glücklich und zufrieden lebt und von Łódź aus das Land entdeckt.

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