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Ein Blick in das polnische Gesundheitssystem

Die Entscheidung ins Ausland zu gehen, fällt einer Person nicht immer leicht, es wird lange abgewogen, hin- und her überlegt und die Idee, für einige Zeit im Ausland zu leben, gefühlt 5 Mal verworfen, bevor man sich dann schlussendlich doch dazu entscheidet dieses Abenteuer zu wagen. Zuvor gab es dann höchstwahrscheinlich auch einen Schlüsselmoment und somit ist der erste Schritt getan und man muss seinen Plan nur noch in die Tat umsetzen. Aber selbstverständlich beginnt der herausfordernde Teil erst wirklich im Ausland. Mit vielleicht nur unzureichenden Sprachkenntnissen begibt man sich auf die Wohnungssuche. Wenn man Glück hat, hilft einem der neue Arbeitgeber dabei, aber darauf kann man nicht hoffen. Weiter geht es dann mit den Behördengängen, was je nach Herkunft unterschiedlich kompliziert werden kann. Hat man dies alles geschafft, folgt irgendwann die nächste Bewährungsprobe und zwar wenn man krank wird oder regelmäßige medizinische Hilfe in Anspruch nehmen muss. An dieser Stelle möchte ich einmal das polnische Gesundheitssystem vorstellen und dabei auch von meinen persönlichen Erfahrungen berichten.

Es ist nicht alles so schlecht, wie es scheint

Wenn man sich also entschieden hat, sein Glück in einem anderen Land zu suchen – und hoffentlich auch findet – kommen viele Faktoren ins Spiel, welche die Entscheidung, auf welches Land letztendlich die Wahl fällt, mit beeinflussen. Neben guten Arbeitsmöglichkeiten, touristischen Reizen, einer aufregenden Küche oder aber der Sicherheit, ist oft auch die Frage der Gesundheitsversorgung von großer Bedeutung. Da lässt sich gleich zu Beginn sagen, dass man sich in einem Land der Europäischen Union im Grunde keine Gedanken machen muss, dass es an der medizinischen Versorgung mangeln könnte. Eventuell wartet man auf einen Termin bei einem Spezialisten mitunter etwas länger oder muss etwas mehr Geld investieren, wenn eine Leistung den gesetzlich garantierten Versorgungskatalog überschreitet. In den letzten Jahren und besonders aktuell wird intensiv über die Gesundheitssysteme in diversen Ländern wie Deutschland, den USA und Großbritannien und deren Leistungen sowie allgemeiner Zustand berichtet. Es soll uns nun einmal um das polnische Versorgungssystem gehen, daher nun ein kurzer Überblick. 

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Wie in jedem Land der Europäischen Union ist man in Polen verpflichtet eine Krankenversicherung zu besitzen und somit auch gesetzlich krankenversichert. Monatlich werden mit dem Abzug der Steuern auch gleich die Abgaben für die Krankenversicherung mit eingezogen. Im Speziellen für die Krankenversicherung in Polen ist der NFZ, der nationale Gesundheitsfond zuständig. So viel zum Rahmen. Seit Jahren werden immer wieder Reformen angestrebt, da das polnische Gesundheitssystem, anders als die Wirtschaft noch nicht auf dem neuesten Stand ist, was sich darin zeigt, dass es an Materialien, Technik und angemessenen Gehältern sowie genügend Ärzt:innen mangelt. Immer wieder kommt es zu Streiks oder Meldungen, dass das polnische Gesundheitssystem vor dem Kollaps steht und es dringenden Handlungsbedarf gibt, auch aufgrund von einer hohen Verschuldung der Krankenhäuser oder einer starken Abwanderung von jungen, frisch ausgebildeten Ärzt:innen ins Ausland, wo die Bedingungen und auch Gehälter besser sind. Dies äußert sich für die Bürger:innen dahingehend, dass die Behandlungszeit pro Patient bei lediglich nur 15 Minuten liegt, anders als in Deutschland, wo das Doppelte je Patient einkalkuliert wird. Es kann auch vorkommen, dass man auf einen Termin bei einem Spezialisten 6-12 Monate warten kann und auch eine OP kann sich auf bis zu 2 Jahre hinauszögern, es sei denn man bezahlt die OP selbst. 

Auf den ersten und auch zweiten Blick sieht es vielleicht nicht so aus, als liefere das polnische Gesundheitssystem adäquate Leistungen und Hilfe für den Fall einer Erkrankung, aber auf den nächsten Blick gibt es natürlich auch Positives zu berichten. Die Behandlung ist selbstverständlich genauso gut und hochwertig wie in Deutschland und die Ärzt:innen tun ihr Bestes, man muss nur länger warten und eventuell etwas dazu bezahlen. Auch wenn das polnische Gesundheitssystem bei Weitem nicht perfekt ist, ist es vor allem eins, und zwar effizient. Mit den geringen Mitteln wird eine Menge erreicht, allerding sprechen wir hier von einem Service, der einem modernen sowie aufstrebenden Land wie Polen momentan nicht gerecht wird.  Es gibt allerdings bei einer Krise, und ja, dieses Wort kann man für die Situation im polnischen Gesundheitssystem durchaus verwenden, immer auch Möglichkeiten und Lösungen. Eine heisst in diesem Fall: Private Krankenversicherung. 

Werd bloß nicht krank!

Wer bei einem internationalen Unternehmen in Polen angestellt ist, kommt neben Vergünstigungen wie kostenlosem Obst, einer Karte fürs Fitnessstudio oder Kino- und Restaurantgutscheinen, in der Regel auch in den Genuss einer privaten Krankenversicherung. Der Vorteil ist, dass sie (fast) kostenlos ist und jede Menge Leistungen garantiert, und das schnell und bequem, auch mithilfe einer App. Für einen geringen Betrag kann man zusätzlich seinen Partner oder die ganze Familie mitversichern. Dazu geht man dann in ein eigenes Praxiszentrum von einem der vielen privaten Anbieter in Polen. Diese Einrichtungen sind mit den Ärztehäusern und -zentren in Deutschland vergleichbar. Sie sind modern und ansprechend eingerichtet sowie auf dem neuesten Stand. Online kann man bequem einen Termin buchen und falls man der polnischen Sprache nicht mächtig ist, kann auch alles auf Englisch erledigt werden und sich deshalb auch einen englischsprachigen Ärzt:in auswählen. Sehr bequem ist auch, dass man für Rezepte nicht unbedingt zum Arzt muss, sondern einfach online oder in der App ein Rezept anfragt und es binnen 48 h auch bekommt, vorausgesetzt, dass der Arzt die Krankenakte des Patienten kennt, man also mindestens einmal zuvor dort war. Diese Art des Service ist auch eine gute Alternative für Menschen, die eine solche Möglichkeit nicht durch ihren Arbeitgeber haben. Ab monatlich 150 zł kann man eine solche Leistung bereits in Anspruch nehmen, also weniger als 35 Euro. Für ganze Familien ist es sogar noch preiswerter pro Person. Der Vorteil liegt besonders für Ausländer darin, dass es relativ einfach ist und dass man in der Regel schnell behandelt wird und auch unkomplizierter an eine Impfung oder notwendige Operationen kommt. Schaut man aber genauer hin, merkt man, dann die Leute für Leistungen bezahlen, die in anderen Ländern ganz selbstverständlich sind und es auch in Polen sein sollten. Ein weiterer Nachteil dieser Ärztezentren ist auch, dass es Unternehmen sind, das heißt, dass sie in erster Linie Geld verdienen müssen und somit Zusatzleistungen angeboten werden, welche dementsprechend kostspielig sind und man vielleicht nicht immer braucht. Ich selbst habe einmal in Krakau eine negative Erfahrung bei einem Zahnarzt in solch einer Privatklinik gemacht. Nach einer Routine-Untersuchung meinte mein behandelnder Arzt, dass er sieben meiner Zähne bearbeiten müsse, je Zahn 250 zl. Nachdem ich mir eine zweite Meinung bei einer öffentlichen Zahnärztin einholte, meinte diese, dass man zwei Zähne beobachten sollte, aber noch kein Handlungsbedarf besteht. Der private Zahnarzt hätte also für viel Geld eine relativ unnötige und zeitintensive Behandlung durchgeführt. Es kann sein, dass dies nur ein Einzelfall war, aber es zeigt ein anderes Problem, wie zuvor schon erwähnt, die Gehälter der Ärzt:innen in Polen. 

Viele Ärzt:innen arbeiten hauptsächlich im Krankenhaus und nebenbei, um ihr Gehalt aufzubessern, in einer dieser Privatkliniken. Das kann dazu führen, dass sie übermüdet sind, oder wie ich auch schon feststellen musste, für bestimmte Bereiche schlicht nicht qualifiziert, wenn Positionen mit den falschen Personen besetzt werden. Die Tatsache, dass studierte Ärzt:innen mit einem Gehalt von 2.000 zł – weniger als 500 Euro – einfach unterbezahlt sind, führt dazu, dass sie gezwungen sind, nach der Arbeit weiteren Beschäftigungen nachzugehen, im schlimmsten Fall auszuwandern oder wie in meinem Fall nicht notwendige Behandlungen durchzuführen. Es muss auch angemerkt werden, dass es mit Zahnärzten in Deutschland im Prinzip nicht anders ist, denn viele Leistungen sind nicht inklusive und wer die besseren Produkte möchte, mehr zahlen muss. Allerdings hatte mir dieser Fall in Krakau gezeigt, dass ein unterfinanziertes Gesundheitssystem Gefahren birgt, denn ein Arzt oder eine Ärztin sollten in erster Linie helfen und dabei nicht primär gezwungen sein, sich finanziellen Nöten ausgesetzt zu sehen. Um diese prekäre Situation zu ändern, besonders dass es an medizinischem Material und Ausstattungen fehlt, gibt es jedes Jahr vor Weihnachten eine Wohltätigkeitsaktion, die sich wielka orkiestra świątecznej pomocy nennt. Übersetzt handelt es sich um das grosse Konzert der weihnachtlichen Hilfe. Dabei wird Geld gesammelt, um das Gesundheitssystem zu unterstützen. Bei der Regierung wird es negativ betrachtet, da der Staat argumentiert, dass nur er für die medizinische Versorgung der Bürger:innen zuständig ist. Laut den Organisatoren sowie zahlreichen Unterstützern dieser Aktion kommt der Staat seinen Verpflichtungen nicht nach. Die Mehrheit der Bewohner Polens nehmen diese alljährliche Aktion positiv auf, aber es stimmt auch etwas nachdenklich, wenn es Spenden benötigt, um das Gesundheitssystems eines EU-Landes am Laufen zu halten. 

Bleibt gesund

Ich möchte betonen, dass es mir mit diesem Artikel nicht darum geht, das polnische Gesundheitssystem zu kritisieren und es in einem schlechten Licht darzustellen, aber die Gesundheit ist mit das Wichtigste im Leben und der Mensch hat nur eine davon. Es ist auch nicht alles schlecht, aber es gibt definitiv Verbesserungsbedarf, aber dies trifft ebenfalls auf Deutschland sowie andere entwickelte Länder zu. Wenn mich jemand fragt, wie es mir in Polen geht, dann sage ich, dass ich sehr glücklich hier bin und auch dankbar, dass es mir ermöglicht wurde, in diesem Land zu leben, aber ich entgegne auch, dass man in Polen nicht krank werden sollte…und falls doch, dann bitte privat versichert. Es gibt aber auch Positives, denn wer wirklich krank ist, dem wird geholfen. Leider muss man schon sehr starke Beschwerden haben, damit schnell und effektiv geholfen wird. Wenn man dann aber spezielle Medikation benötigt, sind diese recht günstig zu haben und im Gegensatz zu Deutschland ist z.B. die Zahnreinigung einmal im Jahr kostenlos, wobei man in Deutschland schnell bis zu 100 Euro dafür zahlt. Es ist also nicht alles schlecht und es entwickelt sich weiter, aber Reformen sind notwendig und daran werden sich die Politiker:innen und Institutionen des Landes in Zukunft messen müssen. Eine medizinische Versorgung ist kostspielig und Polen bei weitem (noch) kein wohlhabendes Land, aber die Einnahmen sollten zukünftig mehr in das Gesundheitssystem investiert werden. Daher wünsche ich allen: Bleibt gesund, und bis zum nächsten Mal. 

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Maximilian Broy

Zum Autor:

Geboren 1986 im damaligen Ost-Berlin, hat er sich schon früh für die weite Welt interessiert. Nach zahlreichen beruflichen Stationen, u.a. in einer Kunstgalerie, im Casino sowie in einem Hotel oder als Reiseleiter, fand er nach dem Studium der Geopgraphie und Anglistik in Potsdam seine Berufung als Sprachenlehrer im Ausland. Nach einem Halt in Budapest ging es 2015 nach Polen, wo er glücklich und zufrieden lebt und von Łódź aus das Land entdeckt.

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