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Mein Leben bei den Nachbarn

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Eine Reportage aus meiner neuen Heimat von Maximilian Broy

Nachdem ich im Juli 2015 mein Studium beendet hatte, verspürte ich diesen unheimlich starken Drang, mein Glück im Ausland zu (ver)suchen und mein Leben in einem anderen Bereich dieser wunderbaren Erde fortzusetzen. Im Deutschen verwendet man dafür, soweit ich weiß den Begriff: Fernweh. Im Gegensatz zum Heimweh, wo man sein Zuhause und seine Heimat vermisst, handelt es sich hier um das Vermissen der Ferne, also eines anderen Ortes. Dieses Konzept basiert aber nicht einfach nur auf dem Fakt, dass man ein anderes Land vermisst oder sich nach einem bestimmten Strand sehnt, der weit entfernt ist; denn dieses Gefühl ist weitaus stärker und geht über das eigentliche Vermissen und die Sehnsucht hinaus. Hierbei handelt es sich zwar um ein Gefühl, des Vermissens, auch wenn man nicht exakt sagen kann, was man genau genommen vermisst oder wonach man sich wirklich sehnt. Man ist sich nur sicher, dass dieses Verlangen nach etwas Neuem in der Stadt oder in dem Land, wo man aufgewachsen, jeden Tag aufgestanden und zur Arbeit gegangen ist, nicht mehr gestillt werden kann. Deswegen entschließt man sich diesen besagten Ort, das Ziel der Sehnsucht zu finden und sich dort niederzulassen.

Genau dies habe ich demnach also im Juli 2015 getan und mich zuerst nach Krakau begeben. Nach 2 wundervollen Jahren, in denen ich nicht nur erste berufliche Erfahrungen machen konnte und tolle Menschen kennenlernen durfte, sondern auch ein neues Zuhause gefunden habe, verschlug es mich nach Łódź. Vielleicht ist es nicht die schönste Stadt zum Leben, aber ganz bestimmt eine der Interessantesten in Polen, wenn nicht sogar in ganz Europa im Moment. Denn was mir hier gelingt, blieb mir zum Teil in Krakau verwehrt: das richtige Polen kennenzulernen. Nun muss hier festgehalten werden, und die Polenexperten unter Euch werden es wissen, das richtige, wahre Polen gibt es nicht. So wie es vielleicht nicht das typische Deutschland oder originale Spanien gibt. Bei all den Einflüssen und Geschehnissen der letzten Jahrhunderte, ist Polen einfach zu bunt und heterogen, als dass man das wahre, echte Polen, besonders an einem Ort, finden könnte. Aber man kann es ja versuchen und in Krakau wird dieses Unterfangen sehr wahrscheinlich scheitern. Bei all den Expats und Studenten in der Stadt, die wichtig für das Flair und den Wohlstand sind, aber der Stadt zusammen mit Scharen von Touristen auch eine kosmopolitische Atmosphäre verleihen, die es einem erschwert, das wahrhaftige Polen zu entdecken und besonders die Sprache zu benutzen. Daher bin ich vor 2 Jahren nach Łódź weiter gezogen. 

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Allmählich gelingt es mir der polnischen Seele auf die Spur zu kommen. Ich sage nicht, dass es nicht auch in Breslau oder Danzig möglich wäre, aber diese Städte sind auch eigene Kosmen für sich. Vielleicht wird auch in Breslau, nachdem vor fast 80 Jahren die komplette Bevölkerung ausgetauscht wurde, heute gerade deswegen dort der Urtyp des „Polnisch Seins“ gelebt. Aber meine Reise brachte mich zunächst hierher, weswegen ich in Zukunft aus dem Zentrum Polens meine Nachforschungen betreiben werde. 

Ich möchte vorab klarstellen, dass es sich hierbei nicht um einen Ratgeber über Polen und seine Menschen, Gebräuche und Traditionen handeln soll. Aber durch mein Leben in dieser nun schon nicht mehr fremden Stadt ist mir doch im Kontakt mit den Menschen Einiges aufgefallen und wiederum andere Sachen, von denen ich gehört habe, wurden bestätigt. Aber ich muss jetzt an dieser Stelle festhalten: Es gibt kein Volk, das sich nicht gern beschwert. Die Menschen tun es teilweise nur bei besserem oder schlechterem Wetter. Aber durch meine Arbeit in einem multinationalen sowie multilingualen Umfeld, kann ich doch tagtäglich Beobachtungen machen, die mir in Krakau vielleicht verwehrt geblieben wären. Aber nun genug Werbung für  Łódź gemacht, fahren wir fort. 

Durch meine Arbeit mit Menschen aus Polen selbstverständlich, aber auch aus anderen Ländern, die zum Teil der polnischen Sprache mächtig sind, erkennt man nicht nur was „typisch“ Polnisch ist, aber auch wie andere Kulturkreise die Menschen und das Leben in Polen sehen und ihre eigene Herkunft in Polen reflektieren. Zu nennen wäre ein Kollege, der von polnischen Eltern ausserhalb Polens groß gezogen wurde und auch die Sprache erlernte, allerdings kaum etwas über Polen weiß, da er nicht wie viele andere die Sommer bei Oma verbrachte. Auch wenn seine Sprachkenntnisse besser als die Meinen sind, muss ich ihm doch des Öfteren Nachhilfe über Polen und seine Geschichte geben. Aber auch er ist hier, um sich ein Bild von dem zu machen, was er gehört und gelernt hat. Das werde ich die nächste Zeit auch weiterhin tun und Euch hier darüber informieren und Euch mitteilen, wie ich zum Beispiel unpünktlicher wurde und lernte, geduldiger zu werden. 

Bis bald, Euer Max

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Maximilian Broy

Zum Autor:

Geboren 1986 im damaligen Ost-Berlin, hat er sich schon früh für die weite Welt interessiert. Nach zahlreichen beruflichen Stationen, u.a. in einer Kunstgalerie, im Casino sowie in einem Hotel oder als Reiseleiter, fand er nach dem Studium der Geopgraphie und Anglistik in Potsdam seine Berufung als Sprachenlehrer im Ausland. Nach einem Halt in Budapest ging es 2015 nach Polen, wo er glücklich und zufrieden lebt und von Łódź aus das Land entdeckt.

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