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Zwischen Kunst und Handwerk

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Wenn man die Hunderte von Keramikprodukten im Geschäft sieht, fällt es schwer sich vorzustellen, dass sie alle von Menschenhand geschaffen wurden. Inwieweit ist die Herstellung von Keramik wirklich Produktion und inwieweit Kunst? Wie viel künstlerische Freiheit steckt hinter den Motiven? Welche Fähigkeiten muss man haben, um Geschirr mit Seele zu entwerfen? Auf diese und viele andere Fragen gaben die Antworten Janina Bany-Kozłowska und Danuta Amborska aus den Unternehmen Zakłady Ceramiczne „BOLESŁAWIEC“, die ab den 70er Jahren in der Designabteilung arbeiten. Dank ihrer Hilfe könnten wir die Keramik mit den Augen eines Insiders erblicken. 

Emanuela Janda, PolenJournal.de: Könnten Sie uns sagen, wie die Motive entstehen? Was ist ihre Inspiration?

Janina Bany-Kozłowska, Designabteilung: Die Fragen nach der Inspiration sind immer die schwierigsten… Manchmal ist das Thema vorgegeben. Wir bekommen die Information, dass es auf etwas Nachfrage gibt. Ich beschäftige mich zurzeit mit den Formen des Geschirrs und meine Freundin mit den Verzierungen. Unsere Keramik ist sehr spezifisch, wie sie wahrscheinlich schon bemerkt haben. Sie ist dekorativ, aber muss zugleich praktisch sein, denn es ist kein Geschirr, dass man auf die Kommode stellt, um es nur zu bewundern. Es muss funktionell sein. Der Kunde kauft ein Produkt mit einmaliger Verzierung in Unterglasur – wir gehören zu den wenigsten Betrieben, die sich dieser Technik bedienen – das gleichzeitig in Alltagsnutzung praktisch ist. Die Vielfalt von kulinarischen Trends hat dazu beigetragen, dass Geschirr in unterschiedlichen Formen gebraucht wird und man entwirft die ganzen Service. Über die Dekorationsmotive wird bestimmt meine Kollegin mehr sagen, aber ich möchte erwähnen, dass ich diese bevorzuge, die schlichter sind und keine Auswirkung auf die Form haben. Wenn sich aber der Kunde reich verziertes Geschirr wünscht, diskutiere ich nicht darüber. Meine Kollegin auch nicht. Das, was den Kunden gefällt, wird auch gekauft. Jedes Unternehmen richtet sich nach der Ökonomie. Man muss noch darauf hindeuten, dass das Geschirr, welches für die Gastronomie, also Gasthäuser, Bars und reiche Restaurants, hergestellt wird, mit schlichteren Motiven verziert wird. Man muss auch die Mode in Betracht ziehen und den Kunden paar Schritte voraus sein – ihre Wünsche erfüllen und auch neue Sachen anbieten, die im Haus nützlich sind. Ich denke, dass unser Unternehmen nur deshalb überstanden hat, weil es sich bei uns um keine Massenproduktion handelt. Es ist stets eine Nischenbranche, wir stellen nur so viel her, wie wir können, denn alles erfolgt manuell. Die Anwendung von Maschinen ist gering. Bei uns gibt es keine großen Produktionslinien. Fabriken, die enorme Keramikzahl produziert haben, existieren nicht mehr. Dasselbe geht das Porzellan an. Chodzież und Ćmielów sind zum Glück auf die Idee gekommen, ihre Kräfte auf der Basis der Tradition zu vereinigen. Das hat viel Wert – Tradition, Geschichte… Unsere Herangehensweise ist diesselbe. Bunzlauer Keramik wurde von den Deutschen eingeführt, wir haben die Tradition übernommen und entwickeln kreativ das Design. Beim Vergleich der alten Verzierungen mit den neuen fällt gleich ins Auge, dass sich alles verändert hat. Früher wurden die sog. „Buncloki“ für den Bauernstand und das Bürgertum hergestellt, jetzt kommt unsere Keramik vor allem auf elegante Tische. Ich möchte, dass meine Kollegin über die Verzierungen erzählt, denn ihr Beitrag ist enorm. Alle Aspekte sind miteinander verbunden.. Wenn ich mich für eine Ausstellung vorbereite, wünsche ich mir, dass keine Verzierung die Formwahrnehmung beeinträchtigt. Es ist sehr wichtig. Aber meine Freundinnen arbeiten hart daran, damit die Form wunderschöne Verzierung bekommt – solche, die auch den Kunden gefallen wird. Es ist nicht einfach, alles zusammen in Einklang zu bringen.

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Danuta Amborska, Foto: Zakłady Ceramiczne „Bolesławiec“ Sp. z O. O. 

Danuta Amborska, Designabteilung: Man muss immer daran denken, dass es sich nicht nur um das Produkt selbst, seine Verzierung und Form handelt, sondern auch um die Qualität. Es ist sehr wichtig, denn der Kunde sucht die Produkte mit unserem Logo, weil er weiß, dass sie gute Qualität haben.

J. B.-K.: Es gibt Menschen, die unser Geschirr nachmachen, was unfair ist. Manchmal werden nicht nur die Formen und Verzierungen kopiert, sondern auch das Logo.

Wird jeder Entwurf im Patentamt registriert?

J. B.-K.: Ja, fast jeder. Es kommt vor, dass unsere Kunden Opfer eines Betrugs werden, weil nicht nur unsere Formen, sondern auch Verzierungen nachgemacht werden. Wenn man das Problem aus anderem Blickwinkel betrachtet, ist es ein Komplement für uns. Wenn uns jemand kopiert, bedeutet es, dass wir alles sehr gut machen. Ab und zu hören wir auch, dass viele kleine Privatunternehmen dank unserem Betrieb entstanden sind. Einerseits kann man sich ärgern, andererseits sollten wir stolz darüber sein.

 

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Bestimmt haben Sie schon viele Personen ausgebildet.

J. B.-K.: Ja, die Designabteilung ist für die Ausbildung neuer Personen zuständig. Es fällt unterschiedlich aus, denn man muss Gefühl dazu haben, es mögen und den Stoff kennen. In unserem Fall ist es Leidenschaft. Ich arbeite hier mit meiner Kollegin am längsten. Es geht um Leidenschaft, Gefühl und Lernbereitschaft. Der Person muss daran wirklich viel liegen – was vielleicht aus heutiger Sicht naiv klingt, aber so ist die Wahrheit. Die Herstellung von Keramik ist nicht einfach. Manche denken, dass es sich nur um einen Becher handelt, auf dem man ein paar Blumen draufmalt und fertig. Nein. So leicht ist es nicht. Während der Führungen durch die Produktionshallen sehen wir, wie sich die Einstellung der Menschen verändert. Später im Laden verstehen sie, woher die Preise kommen. Ich zeige immer das Stück Ton und dann das fertige Produkt. Dazwischen fallen alle technologische und kreative Prozesse. Hier darf man der Fantasie nicht den freien Lauf geben. Das ist möglich nur bis einem konkreten Augenblick, dann kommt die Zeit für Berechnungen, Anpassung an die Produktionsmöglichkeiten und konkretes Entwerfen der jeweiligen Formen. Man muss alles vorhersehen. Das gebrannte Produkt ist kleiner als am Anfang seines Wegs. Meine Arbeitskolleginnen müssen hingegen achtgeben, wie die Farben vermischt werden oder ob die Schwammart gut angepasst ist, denn das alles beeinflusst das Endergebnis. Es ist viel mehr als nur „ein bisschen mit dem Pinsel Draufzumalen“.


Foto: Zakłady Ceramiczne „Bolesławiec“ Sp. z O. O. 

Wie war es wenn sie hier angefangen haben? Mussten sie alles von Anfang an lernen?

J. B.-K.: Als ich im März 1974 hier angefangen hatte, hieß das Unternehmen noch „Bolesławieckie Zakłady Ceramiczne Przemysłu Terenowego“. Damals gab es in Bolesławiec fünf solche Betriebe, drei in Nowogrodziec und später einen in Osła. Dazu kam der Tagebau in Ołdrzychów. Damals benutzten wir noch die kreisförmigen Kohleöfen und die Produktion begrenzte sich auf Wirtschaftskeramik, ein paar Töpfe und Fasse für das Einlegen von Kraut und Gurken, zwei Schüsseln und einfache Blumentöpfe. Wenn es um Geschirr geht, kann ich mich noch sehr gut an dem kleinen Fass mit einem Hahn erinnern, genauso wie an den „Meerbecher“ – so hieß er – einen Topf für Ikebana und die sog. „Baba-Piast“ mit einem Becher, verziert mit einem charakteristischen Relief. Dazu gab es noch die Flasche „Paź” zusammen mit einem Alkoholglas und Tablett. Damals wurde alles in schimmernder brauner Glasur hergestellt.

So begann mein großes Abenteuer mit dem Design und zugleich große Verantwortung, denn ich kannte sehr gut die reiche Tradition der ehemaligen Bunzlauer Keramik. Zur raschen Entwicklung der Branche trug die Gründung der Keramikberufsschule 1897 bei, deren hervorragende Professoren die Technologie und Kunstfertigkeit der größten damals Betriebe – vor allem von Hugo und Ernst Reinhold – prägten. Nach dem Zweiten Weltkrieg, bereits 1946, entstand unseres Betrieb aus ein paar zerstörten Töpfereien und der Rheinhold-Fabrik. Nach einigen Veränderungen hat unserer Betrieb den Städtenamen in seinem Logo: Zakłady Ceramiczne  „Bolesławiec” Sp. z o.o. .

Das steigende Interesse an unseren Produkten haben wir der Verbindung von alter Töpferhandwerkstradition mit modernen Lösungen zu verdanken. Wir produzieren nicht massenhaft und unsere handgemachte Kollektionen und Geschirr finden das Gefallen bei unterschiedlichen Menschen, denen Bedürfnissen sie auch entsprechen. Die Kunden wissen, dass man unsere Produkte sowohl in Mikrowellen, wie auch Backöfen verwenden kann und dass sie sich sowohl für eleganten Tisch, wie auch in die Küche und Restaurants eignen.


Foto: PolenJournal.de

Es ist erstaunlich, wie Sie auf die Kundenbedürfnisse reagieren. Die Trends kommen und gehen…

D.A.: Genau, man muss immer auf dem Laufenden sein, was die Mode betrifft. Man muss wissen, welche Farben in dieser Saison „in“ sind, aber die Inspiration kommt aus der Umgebung. Alles kann eine Inspiration sein. Manche Verzierungen entstehen, um die Marktanforderungen zu decken. Es sind aber stets unsere Verzierungen. Wir erhalten die Information, dass es Anfragen auf ein Vogel- oder Pferdemotiv gibt. Wir hatten auch eine Produktkollektion mit Kamelen und Palmen für arabische Kundschaft. Wir versuchen uns die ganze Zeit, anzupassen. Am Anfang waren es nur Punkte und Striche, jetzt erinnern unsere Stempel an Spitzen, sie sind dermaßen präzise. Dasselbe gilt auch für Farben – anfangs hatten wir überhaupt kein Rot und nur einen Grünton, der nach dem Brennen eher grau aussah. Jetzt verfügen wir unter sehr bunte Farbpalette.

J. B.-K.: Wir benutzen Qualitätsfarben, die keine Auswirkung auf Lebensmittel haben. Die Tonmasse, Glasur und Farben beinhalten nicht Kadmium, Blei, Quecksilber oder andere Schadstoffe, was sehr wichtig ist. Unsere Produkte werden regelmäßig überprüft und wurden mit Zertifikaten ausgezeichnet, die die Nutzungssicherheit bestätigen. 

Sie bilden junge Menschen aus. Sehen Sie unter ihnen ihre Nachfolger?

D.A.: In unserer Abteilung arbeiten sechs bis sieben Personen, die für das Entwerfen neuer Verzierungen zuständig sind. Von Zeit zu Zeit veranstalten wir aber einen Kurs, denn wir brauchen neue Malerinnen für die Produktion, die in der Lage sein werden, die Muster zu vervielfachen. Wir müssen ziemlich gute Lehrerinnen sein, denn viele Menschen, die bei uns ausgebildet worden sind, finden schnell Arbeit bei der Konkurrenz. Aus diesem Grund brauchen wir immer neue Mitarbeiter. Wie es früher meine Kollegin angedeutet hat, ist die Ausbildung nicht wichtig – entweder hat man das Zeug dafür oder nicht. Ein gutes Beispiel dafür ist eine ältere Frau, die zu der Prüfung gekommen ist, weil sie vor kurzem ihre Arbeit verloren hatte. Ab und zu machen wir solche Prüfung, denn es gibt sehr viele Interessanten, aber wir wollen nur die Besten ausfischen. Die Frau ist zusammen mit ihrer Tochter gekommen. Ich war fest davon überzeugt, dass die Tochter sehr gut abschneiden wird, mit der Mutter könnte es Probleme geben. Sie hat noch zugegeben, dass sie das erste Mal im Leben einen Pinsel in der Hand hält und keine Ahnung hat, wie sie eine gerade Linie malen soll. Sie hat aber genau alle Anweisungen befolgt, die ich gegeben habe und die Linie ist perfekt gelungen. Mit den Stempeln hatte sie keine Probleme. Und ihre Tochter? Leider sah es schlimmer für sie aus. Nach einem Monat hat ihre Mutter bei uns im Akkord gearbeitet. So funktioniert bei uns das Malen – je mehr und gut machst du, desto mehr verdienst du. Nach einem Monat gehörte diese Frau zu unseren besten Mitarbeiterinnen, obwohl sie nicht gewusst hatte, was sie kann, denn sie hatte keine Gelegenheit, es auszuprobieren.


Foto: PolenJournal.de

Es musste eine sehr interessante Erfahrung sein.

J. B.-K.: Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, als ich vor fast 40 Jahren die erste Malerwerkstatt gegründet habe und wir zu siebt gearbeitet haben. Wir haben nur Pinsel verwendet, über Stempel war damals noch keine Rede. Vor paar Jahren ist eine von unseren Malerinnen in die Rente gegangen und ist zu mir gekommen, um sich zu verabschieden. Sie sagte zu mir: „Frau Janka, ich will ihnen etwas zeigen. Diese Pinsel haben sie mir vor 35 Jahren gegeben. Ich möchte mich für alles bedanken und die Pinsel habe ich die ganze Zeit aufbewahrt, weil sie gute Erinnerungen hervorrufen und mir sehr viel bedeuten“. Ich war gerührt.

Was für eine Geschichte… Ihr Beitrag ist enorm.

J. B.-K.: Während der Arbeit denkt man nicht darüber nach. Manchmal schaltet man ab. Man muss aber eins unterstreichen. Wenn man etwas für eigenes Vergnügen macht… Zum Beispiel eine Skulptur, ein Stück, dann kann man sich alles erlauben. Wenn man aber in einem Betrieb arbeitet, muss man immer daran denken, dass der Entwurf später in andere Hände übergeht. Die Konstruktion muss gut durchdacht sein, damit sich nichts deformiert. Man muss die Dicke in Betracht nehmen und alle Einzelheiten. Heute zum Beispiel gab es ein Problem mit einer Flasche mit Schnabel. Ich wurde in die Gießerei gerufen, um zu zeigen, wie man diese Form ausschneiden soll. Solche Herangehensweise ist sehr gut, denn der Entwurf muss in die Serienproduktion kommen und nicht nur eine Idee im Kopf des Designers bleiben.


Foto: PolenJournal.de

D.A.: Wenn man eine Verzierung entwirft, muss man daran denken, dass sie sowohl auf einem Teller gemalt wird, der als Basismodell dient, wie auch auf einem Eierhalter oder Sparschwein.

J. B.-K.: Genau, es gibt um solche Kleinigkeiten. Jedes Jahr besuchen uns Bildhauer, die hier ihre Pleinairs veranstalten. Jetzt ist es seltener, denn wir haben den zweiten Betrieb nicht mehr. Diese Personen schöpften nach ihrer Herzenslust. Wenn ich eine Skulptur mache, bin ich von der Außenwelt abgeschaltet. Dann bin ich künstlerisch frei, was im Industriedesign nicht denkbar ist, denn jede Idee muss an die Produktionsmöglichkeiten angepasst sein. Während des Studiums habe ich gelernt, dass Technologie sich an das Design anpassen soll, aber die Wirklichkeit sieht ganz anders aus. Man muss den Stoff kennenlernen, in der Lage sein, seine Eigenschaften und die technisch-technologischen Möglichkeiten des Betriebs zu nutzen und dazu bereit sein, die Formschönheit und Funktionalität zu verbinden. Vor lange her hat einer der ehemaligen Direktoren mal zu mir gesagt, dass Künstler für ein Pleinair zu uns kommen werden. Ich erwiderte, dass ich doch auch eine Keramikkünstlerin bin, worauf er antwortete: „Sie sind ein Industriedesigner“. Die Wahrheit ist, das es einen großen Unterschied zwischen individuellem künstlerischen Schaffen und Industriedesign gibt.

Abschließend möchte ich sagen, dass es darauf ankommt, dem Kunden solche Produkte anzubieten, an die er noch nicht gedacht hat. Am besten, wenn er beim Erblicken des Produkts denkt, dass er es braucht. Wir arbeiten die ganze Zeit an etwas. Ob es in ein Jahr oder in einem Monat in unser Angebot kommt, ist andere Sache. Wir haben immer etwas in Reserve. Man muss den unterschiedlichsten Träumen und Wünschen entgegen kommen. Natürlich kann man eine Pizza bestellen und sie dann aus dem Pappkarton essen, aber man bemerkt es immer öfter, dass junge Menschen auch etwas besitzen wollen, was eine Seele hat.

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