Das Ende des Jahres ist ein guter Zeitpunkt, um ein Resümee über die Regierung zu ziehen. Was hat sich in Polen für einen durchschnittlichen Bürger geändert? Ist es wirklich so schlimm, wie es dargestellt wird?
Eines muss ich ganz klar am Anfang klarstellen – ich habe weder für PiS noch für die Bürgerplattform bei den Wahlen 2015 gestimmt. Eine Stimme habe ich abgegeben, aber ich bin wohl einer der wenigen, die nicht gegen eine Partei stimmte, sondern für Veränderungen oder eine andere Generation.
Abgesehen davon beobachte ich das politische Geschehen in Polen mit großem Interesse. Schließlich hat das Handeln der PiS-Regierung einen direkten Einfluss auf mein Leben, oder? Neulich machte ich mir Gedanken darüber, was hat sich eigentlich für mich nach dem Sieg von Recht und Gerechtigkeit also der Partei von Jaroslaw Kaczynski verändert hat. Ich musste fest stellen – (noch) nichts. Das bedeutet aber nicht, dass sich die Regierung auf seinen Lorbeeren ausruht. Im Gegenteil – das Tempo in dem neue Gesetze verabschiedet werden ist erschreckend schnell. Fast zu schnell. Guido Vreuls schrieb in seinem Kommentar, dass dieses Tempo für Unruhe unter den Geschäftsleuten sorgt. Nun ja, unter normalen, durchschnittlichen Bürgern auch.
Die zwei Amtszeiten der PiS-Vorgänger haben die Bürger daran gewöhnt, dass das Parlament eher wenig tut. Oder wenn schon, dann kommen Umbrüche nicht unerwartet. Man muss aber auch feststellen, dass die Kaczynski-Partei nicht ohne Grund an die Macht gekommen ist. Die acht Jahre unter Tusk und später Ewa Kopacz waren überschattet von Affären und Skandalen. Es musste sich was verändern und so ist es auch gekommen.
Manche behaupten, dass PiS sich die Wählergunst mit dem Kindergeld und der Senkung des Rentenalters kaufte. Meiner Meinung nach musste sich bei den Sozialleistungen etwas ändern. Doch der Weg den Kaczynski und Co. gegangen sind, war nicht der richtige. Fast ein unmoralisches Angebot sind jene 500 Zloty, die man für jedes zweite und weitere Kind beantragen kann. Kein Wunder, dass viele Mütter ihren Job kündigen und sich der Familie widmen wollen. Grund? Niedrige Löhne und Verdienste. Bei Kinderreichtum lohnt es sich einer durchschnittlichen Familie, zumindest einem Elternteil zu Hause zu bleiben. Für mich als durchschnittlichen, kinderlosen Bürger änderte sich durch das Kindergeld – nichts.
Entgegen der globalen Trends senkte das Kabinett von Beata Szydlo das Rentenalter. Besser gesagt, stellte die alte Altersgrenze zurück, die von Tusk und Co. gegen den Willen der Bürger angehoben wurde. Doch auch die Unzufriedenen müssen einsehen – relativ niedrige Geburtenraten, der Fachkräftemangel der sich bemerkbar macht sind nur einige gute Gründe, die Leute zu bitten länger zu arbeiten. Für mich persönlich bedeutet dieser Beschluss rein gar nichts. Ich bin noch zu jung um mich damit zu befassen und bis es soweit ist wird in Polen wahrscheinlich nicht bis 67, sondern 70 oder mehr gearbeitet.
Wenn wir schon beim Thema Arbeit sind. Der Mindestlohn steigt ja ab 2017 auf 2.000 Zloty monatlich. Und wieder – zu spüren bekommt dies ein durchschnittlicher Bürger wie ich es bin kaum. Ein paar hundert Zloty mehr auf dem Gehaltszettel und schon hat man das Gefühl, dass nur andere davon profitieren. Hoffnungen legte man auf die Anhebung des Steuerfreibetrags. Tatsächlich hat die Regierung dies durchgebracht, doch erneut – für einen Durchschnittsbürger ändert sich in dieser Hinsicht nichts. Fakt ist, dass Polen einen der niedrigsten Steuerfreibeträge in Europa hat. Es musste sich etwas bewegen, doch die Regierung spielte Robin Hood – mehr versteuern müssen Reiche, weniger die Armen. Und die dazwischen? Für die ändert sich erneut – nichts.
Ein heikles Thema ist immer wieder die Pressefreiheit in Polen. Die öffentlichen Medien sollten grundsätzlich immer objektiv und neutral bleiben. In Polen haben wir jedoch mit einer Situation zu tun, in der sich diese zum Spielplatz der Regierung entwickelt haben. Obwohl ich den Versuch, die Medienarbeit im Sejm zu ordnen eher kritisch beurteile, würde ich nicht behaupten, dass hier in Polen die Pressefreiheit eingeschränkt wird. Ich würde mir aber trotzdem wünschen, dass die öffentlichen Medien ihre neutrale Rolle wieder zurückgewinnen, schließlich zahle ich und jeder durchschnittliche Bürger eine Rundfunkgebühr. Eine Alternative wäre für mich, die Idee aufzugreifen, die in der Schweiz vor kurzem diskutiert wurde – die öffentlichen Medien zu privatisieren. Hier müsste man eine klare Linie durchziehen – die vierte Macht sollte weder der Opposition noch der Regierung unterlegen sein.
Ausführlich berichtet die ausländische Presse über die Krise im Verfassungsgerichtshof. Wenn man mit den Leuten spricht, vor allem mit der jungen Generation, hat man das Gefühl, dass diese verärgert ist, durch das ewige hin und her in diesem Streit. Schließlich dauert der Pat schon eine Weile und so richtig hat sich nichts außer dem Präsidenten des Gerichtshofs verändert. Trotzdem ist es für mich, den Durchschnittsbürger traurig, dass die einzigen die noch um ein unabhängiges Verfassungstribunal kämpfen, die EU-Kommissare sind. Meiner Meinung nach verstehen die Bürger die Rolle dieser Institution nicht und sehen sie im Moment als Gegenstand einer politischen Auseinandersetzung. Dabei ist der Verfassungsgerichtshof die letzte Instanz, die Einfluss auf Veränderungen, die grundsätzlich schlecht für die Bürger sind, nehmen und von ihnen bewahren kann. Durch die Lähmung des Tribunals hat sich die Denkweise verändert, leider war es eine Wende zum Schlechteren.
Nur wenig wird dagegen im Ausland darüber berichtet, was die Regierung für die Unternehmer und für die Wirtschaft tut und tun will. Ich habe das Gefühl, dass die Machthaber gemerkt haben, dass der einzige Weg ihre Pläne zu finanzieren, die Förderung der Wirtschaft ist. Wir hören von Elektroautos, von der Businessverfassung, von Erleichterungen in Sachen Steuern oder Verwaltungsprozessen und der niedrigsten Arbeitslosigkeit seit 25 Jahren. Ich weiß nicht ob die Schlange im Arbeitsamt kürzer ist oder auch nicht, aber alles andere bekam ich noch nicht zu spüren. Für mich änderte sich also mal wieder – nichts.
In dieser Hinsicht ist die Lage hierzulande kurios. Eigentlich sollte sich so viel verändern. Wahlversprechen, Pläne usw. Doch wie man sieht änderten sich für einen durchschnittlichen Polen nur die Gesichter im Regierungskabinett und dem Sejm. Überhaupt haben wir Polen ein politisches Problem, denn unsere Politiker sind wie Fahnen – dreht sich der Wind, dreht sich die Fahne. Stabilität – Fehlanzeige. Ob PO, PiS oder andere – ich habe das Gefühl, dass allen eine Zukunftsvision, ein weit ausgreifender Plan, der über eine Legislaturperiode reicht, fehlt. So kann sich nichts verändern und so wird sich auch nichts verändern, nicht für einen durchschnittlichen Bürger, für niemanden.
Das bedeutet aber lange nicht, dass man in Ruhe warten kann bis dann endlich die Wende kommt. Dann kann es schon zu spät sein. Denn wer sagt, dass es eine #DobraZmiana (dt. #GuteVeränderung) wird?
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