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EM: Ist tatsächlich nichts passiert?

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Im Achtelfinale standen die Portugiesen der polnischen Mannschaft gegenüber. Theoretisch also ein höher anzusiedelndes Team als die Schweizer, das sich aber insbesondere bei dieser EM eher schlecht präsentiert.

Nach dem Ausscheiden Polens aus der Fußball-EM 2016 sind die Fans der Weiß-Roten nicht verzweifelt. Dieses Mal sei nun wirklich „nichts passiert“, denn Adam Nawałka habe ein sehr solides Team aufgebaut, das sich bei der französischen EM gut präsentiert habe. Das stimmt auch: Die Polen beeindruckten ganz besonders in der Verteidigung und im Konterspiel mit blitzschnellen Attacken in den gegnerischen Strafraum.

 

Besonders bemerkenswert war vor allem die hervorragende Leistung des polnischen Spielmachers Krychowiak (ab der neuer Saison bei Paris SG!) und der beiden Stürmer Lewandowski und Milik. Gut gefallen durfte auch das Flügelspiel der Weiß-Roten mit Grosicki und Błaszczykowski an der Spitze sowie das souveräne Auftreten des Torwarts Fabiański und der Defensoren, insbesondere des Kojak-glatten Pazdan und des auch schon aus der Bundesliga bekannten Piszczek. Fügt man dem noch hinzu, dass außer dem Letztgenannten sowie Błaszczykowski, Fabiański, Jodłowiec, Peszko, Cionk, Boruc oder Wawrzyniak die meisten polnischen Spieler unter 30 sind, so kann man sagen: Diese Mannschaft könnte bei künftigen Welt- und Europameisterschaften noch einiges erreichen.

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Es hätte besser werden können

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Bedenkt man allerdings, dass die polnische Nationalmannschaft kein Team von Jünglingen ist – außer Milik (22), Kapustka (20), Salamon (23), Linetta (21), Zieliński (22) und Stempiński (21) sind die meisten Spieler im 23-köpfigen EM-Kader zwischen 27 und 29 Jahre alt –, so hätte man auch mehr erwarten können. Ja, ja, zumal sie im Alltag für solide europäische Klubs antreten, wo man fast täglich seine Erfahrung und fußballerische Cleverness vorweisen muss. Das haben sie bei dieser EM nun aber nicht hundertprozentig präsentiert. In den ersten drei Gruppenspielen gegen Nordirland, Deutschland und die Ukraine hätten sie erstarken und selbstsicherer werden müssen, zumal sie dabei ja keine einzige Niederlage hinnehmen mussten, um dann im Sechzehntel- und Achtelfinale viel besser zu spielen als das, was sie gezeigt haben. Leider kam nur in einigen wenigen Spieleraussagen zum Ausdruck, einmal abgesehen von den Pressekonferenzen, wo polnische Nationalspieler sich als Helden darstellten. Auf dem Platz sah das aber nicht mehr so gut aus. Mehr noch: Gegen die durchschnittlichen Schweizer waren sie das mit Abstand schwächere Team, das eine Menge Glück hatte. Nur weil die Helvetier in der Regelspielzeit und in der Verlängerung vom Pech verfolgt wurden und nicht präzise genug waren, schafften es die Polen, ein 1:1 bis zur Elfmeterserie zu „retten”. Bei den Strafstößen allerdings zeigten sich die polnischen Fußballer perfekt, während bei den Schweizern der albanischstämmige Spielregisseur Xhaka einmal danebenschoss.

 

Kein Killerinstinkt

Auf diese Weise kamen die Schützlinge von Adam Nawałka glücklich weiter. Was die polnischen Medien dabei in ihrem Siegesrausch nicht bemerkten oder nicht bemerken wollten, war allerdings, dass das Spiel eine gewisse Schwäche im polnischen Team offenbarte. Ganz im Gegenteil wurde den polnischen Spielern eingeredet, dass sie besser, ja hervorragend gewesen seien und nun das Finale erreichen könnten. Und die Spieler schenkten diesem Ton offenbar Glauben, ebenso der Lobpreisung, sie seien Meister im Elfmeterschießen. Wie sich anschließend zeigte, war dies blanker Unsinn. Im Achtelfinale standen die Portugiesen der polnischen Mannschaft gegenüber. Theoretisch also ein höher anzusiedelndes Team als die Schweizer, das sich aber insbesondere bei dieser EM eher schlecht präsentiert, mit Sicherheit schlechter als die Helvetier, ganz zu schweigen vom „trüben” Ronaldo, der es nicht schafft, aus wenigen Metern in ein leeres Tor zu treffen (im Gegensatz zu ihm spielt sein walisischer Teamkollege von Real Madrid Gareth Bale ein großartiges Turnier). Trotzdem zeigte die Mannschaft von Adam Nawałka keinen Killerinstinkt und schickte das Team von der Iberischen Halbinsel nicht zurück nach Hause. Zwar hatte Lewandowski, nachdem Grosicki bereits nach 100 Spielsekunden durch einen fatalen Fehler des portugiesischen Rechtsverteidigers Cedric den Ball übernahm und ihm zuspielte, die Weiß-Roten in Führung gebracht, doch von da an machte das Team von Fernando Santos einen besseren Eindruck und erreichte in der 33. Minute (Sanches) verdient den Ausgleich. Wäre allerdings der deutsche Schiedsrichter Felix Brych aufmerksamer und dem polnischen Team gegenüber weniger gnädig gewesen, wäre der Ausgleich vermutlich schon vorher gekommen, als Pazdan in der 30. Minute Ronaldo im polnischen Strafraum eindeutig foulte.

 

Trügerischer Glaube

Der Torverlust zeigte auf das polnische Team jedoch keine motivierende Wirkung. Zwar konnte es noch einige torgefährliche Situationen schaffen, was die in dieser Mannschaft schlummernden Potenziale nur noch stärker bestätigte, so dass sie die Portugiesen genauso gut hätten vom Platz hinwegfegen können. Insgesamt aber blieben die Südeuropäer nach wie vor im Vorteil und sie waren es, die sichtlich nach dem Siegtreffer strebten und auch mehrmals nahe dran waren. Merkwürdigerweise enttäuschte Ronaldo, dessen Ambitionen bis hin zum besten Spieler der Welt reichen, dabei am meisten. Gleichzeitig enttäuschten in diesem Spielfragment aber, so sei offen zugegeben, auch die polnischen Spieler, was hierzulande kaum jemand laut sagen will. Die Wahrheit ist aber: Ab der 60. Spielminute war mit bloßem Auge zu sehen, dass die Polen zuerst einmal die Verlängerung und dann das Penalty-Schießen „erkriechen” wollten. Womöglich, weil sie nur noch wenig Kraftstoff in ihren Beinen spürten und auch kein erkennbares Konzept mehr hatten, den Gegner zu schlagen. Dazu noch schienen sie unterschwellig zu glauben, dass sie beim Elfmeterschießen besser seien, weil südeuropäische Mannschaften es mit diesem Spielelement nicht sehr genau meinten, was nicht zuletzt ihrem Temperament und einer mangelnden Fähigkeit zum nervlichen „Abschalten” geschuldet sei. Wie sich dann herausstellte, war dies ein trügerischer Glaube. Die Portugiesen zeigten eiserne Nerven, während im polnischen Team der erfahrene Błaszczykowski seinen Elfmeter nicht verwerten konnte, nachdem der gegnerische Keeper seine Absichten erahnt hatte. Aus der Traum der Polen vom Halbfinale!

 

Mehr Demut

 

Dennoch wollen in Polen die Töne von einer überragenden polnischen Nationalmannschaft nicht verstummen und die Medien schmieden bereits Pläne, wie die Polen bei der WM-Qualifikation ihre Gruppe beherrschen sollen (obwohl die ebenfalls gefährlichen Dänen und Rumänen mit dabei sind). Zudem finde ich die Behauptung lächerlich, die Polen hatten bei der EM 2016 kein einziges Spiel verloren. Das stimmt zwar für die regulären 90 Minuten und die Verlängerungen, doch auch das Elfmeterschießen gehört ja zum Fußball und nicht etwa zum Kajaksport, Badminton, Volleyball oder Judo. Übrigens: Nachdem die Polen im Sechzehntelfinale sich bei Elfmetern überlegen zeigten, wurde weit und breit verkündet, sie hätten die Schweiz besiegt und nach Hause zurückgeschickt. Der Misserfolg beim gleichen Fußballelement gegen Portugal wurde in Polen hingegen nicht als Niederlage gewertet! Mit welchem Recht hat man die Weiß-Roten dann wieder nach Hause zurückgeschickt? Offenbar gilt in Polen noch immer der Grundsatz: Wie man sitzt, so sieht man. Trotzdem bleibt die polnische Gesamtleistung bei Meisterschaften des Alten Kontinents unverändert: Noch immer keine Medaille! Das ist ein wenig beschämend, denn einmal abgesehen von der Fußballmacht Deutschland ist Polens südliches Nachbarland Tschechien mit seinen zehn Millionen Einwohnern bereits einmal Europameister und einmal Europa-Vizemeister gewesen. An der Moldau plustert man sich deswegen aber nicht so sehr auf. Vielleicht also sollte man mit mehr Demut und Fleiß gegen nationale Komplexe vorgehen und nicht mit zweit- bis drittklassigen Siegen. Denn im Sport, wie im Leben, zählen nicht gewonnene Schlachten, sondern gewonnene Kriege!

 

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